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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Odüßee.
Artemis gleich an Gestalt, der Göttin mit goldener Spindel. V. 122.
Dieser sezte sofort Adrastä den zierlichen Seßel;
Und Alkippä brachte den weichen wollichten Teppich.
Fülo brachte den silbernen Korb, den ehmals Alkandrä125
Ihr verehrte, die Gattin des Polübos, welcher in Thäbai
Wohnte, Aigüptos Stadt voll schäzereicher Paläste.
Dieser gab Menelaos zwo Badewannen von Silber,
Zween dreifüßige Keßel, und zehn Talente des Goldes.
Aber Helenen gab Alkandrä schöne Geschenke,130
Eine goldene Spindel im länglichgeründeten Korbe,
Der, aus Silber gebildet, mit goldenem Rande geschmückt war.
Diesen sezte vor sie die fleißige Dienerin Fülo,
Angefüllt mit geknäueltem Garn, und über dem Garne
Lag die goldene Spindel mit violettener Wolle.135
Helena saß auf dem Seßel; ein Schemel stüzte die Füße.
Und sie fragte sogleich den Gemahl nach allem, und sagte:

Wissen wir schon, Menelaos du göttlicher, welches Geschlechtes
Diese Männer sich rühmen, die unsere Wohnung besuchen?
Irr' ich, oder ahndet mir wahr? Ich kann es nicht bergen!140
Niemals erschien mir ein Mensch mit solcher ähnlichen Bildung,
Weder Mann, noch Weib; (mit Staunen erfüllt mich der Anblick!)
Als der Jüngling dort des edelgesinnten Odüßeus
Sohne Tälemachos gleicht, den er als Säugling daheimließ,
Jener Held, da ihr Griechen, mich Ehrvergeßne zu rächen,145
Hin gen Ilion schifftet, mit Tod und Verderben gerüstet!

V. 122. Artemis, Diana.

Oduͤßee.
Artemis gleich an Geſtalt, der Goͤttin mit goldener Spindel. V. 122.
Dieſer ſezte ſofort Adraſtaͤ den zierlichen Seßel;
Und Alkippaͤ brachte den weichen wollichten Teppich.
Fuͤlo brachte den ſilbernen Korb, den ehmals Alkandraͤ125
Ihr verehrte, die Gattin des Poluͤbos, welcher in Thaͤbai
Wohnte, Aiguͤptos Stadt voll ſchaͤzereicher Palaͤſte.
Dieſer gab Menelaos zwo Badewannen von Silber,
Zween dreifuͤßige Keßel, und zehn Talente des Goldes.
Aber Helenen gab Alkandraͤ ſchoͤne Geſchenke,130
Eine goldene Spindel im laͤnglichgeruͤndeten Korbe,
Der, aus Silber gebildet, mit goldenem Rande geſchmuͤckt war.
Dieſen ſezte vor ſie die fleißige Dienerin Fuͤlo,
Angefuͤllt mit geknaͤueltem Garn, und uͤber dem Garne
Lag die goldene Spindel mit violettener Wolle.135
Helena ſaß auf dem Seßel; ein Schemel ſtuͤzte die Fuͤße.
Und ſie fragte ſogleich den Gemahl nach allem, und ſagte:

Wiſſen wir ſchon, Menelaos du goͤttlicher, welches Geſchlechtes
Dieſe Maͤnner ſich ruͤhmen, die unſere Wohnung beſuchen?
Irr' ich, oder ahndet mir wahr? Ich kann es nicht bergen!140
Niemals erſchien mir ein Menſch mit ſolcher aͤhnlichen Bildung,
Weder Mann, noch Weib; (mit Staunen erfuͤllt mich der Anblick!)
Als der Juͤngling dort des edelgeſinnten Oduͤßeus
Sohne Taͤlemachos gleicht, den er als Saͤugling daheimließ,
Jener Held, da ihr Griechen, mich Ehrvergeßne zu raͤchen,145
Hin gen Ilion ſchifftet, mit Tod und Verderben geruͤſtet!

V. 122. Artemis, Diana.
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[68/0074] Oduͤßee. Artemis gleich an Geſtalt, der Goͤttin mit goldener Spindel. V. 122. Dieſer ſezte ſofort Adraſtaͤ den zierlichen Seßel; Und Alkippaͤ brachte den weichen wollichten Teppich. Fuͤlo brachte den ſilbernen Korb, den ehmals Alkandraͤ Ihr verehrte, die Gattin des Poluͤbos, welcher in Thaͤbai Wohnte, Aiguͤptos Stadt voll ſchaͤzereicher Palaͤſte. Dieſer gab Menelaos zwo Badewannen von Silber, Zween dreifuͤßige Keßel, und zehn Talente des Goldes. Aber Helenen gab Alkandraͤ ſchoͤne Geſchenke, Eine goldene Spindel im laͤnglichgeruͤndeten Korbe, Der, aus Silber gebildet, mit goldenem Rande geſchmuͤckt war. Dieſen ſezte vor ſie die fleißige Dienerin Fuͤlo, Angefuͤllt mit geknaͤueltem Garn, und uͤber dem Garne Lag die goldene Spindel mit violettener Wolle. Helena ſaß auf dem Seßel; ein Schemel ſtuͤzte die Fuͤße. Und ſie fragte ſogleich den Gemahl nach allem, und ſagte: 125 130 135 Wiſſen wir ſchon, Menelaos du goͤttlicher, welches Geſchlechtes Dieſe Maͤnner ſich ruͤhmen, die unſere Wohnung beſuchen? Irr' ich, oder ahndet mir wahr? Ich kann es nicht bergen! Niemals erſchien mir ein Menſch mit ſolcher aͤhnlichen Bildung, Weder Mann, noch Weib; (mit Staunen erfuͤllt mich der Anblick!) Als der Juͤngling dort des edelgeſinnten Oduͤßeus Sohne Taͤlemachos gleicht, den er als Saͤugling daheimließ, Jener Held, da ihr Griechen, mich Ehrvergeßne zu raͤchen, Hin gen Ilion ſchifftet, mit Tod und Verderben geruͤſtet! 140 145 V. 122. Artemis, Diana.

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/74>, abgerufen am 07.05.2024.