Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Odüßee.
Und des Goldes und Ambra's und Elfenbeines und Silbers! V. 73.
Also glänzt wohl von innen der Hof des olümpischen Gottes!
Welch ein unendlicher Schaz! Mit Staunen erfüllt mich der Anblick!75

Seine Rede vernahm Menelaos der bräunlichgelockte,
Wandte sich gegen die Fremden, und sprach die geflügelten Worte:

Liebe Söhne, mit Zeus wetteifre der Sterblichen keiner;
Ewig besteht des Unendlichen Burg und alles, was sein ist!
Doch von den Menschen mag einer mit mir sich meßen an Reichthum,80
Oder auch nicht! Denn traun! nach vielen Leiden und Irren
Bracht' ich ihn in den Schiffen am achten Jahre zur Heimat;
Ward nach Küpros vorher, nach Fönikä gestürmt und Aigüptos, V. 83.
Sahe die Aithiopen, Sidonier dann und Erember,
Libüa selbst, wo schon den Lämmern Hörner entkeimen.85
Denn es gebären dreimal im Laufe des Jahres die Schafe.
Nimmer gebricht es dort dem Eigner, und nimmer dem Hirten,
Weder an Käse noch Fleisch noch süßer Milch von der Heerde,
Welche das ganze Jahr mit vollen Eutern einhergeht.
Also durchirrt' ich die Länder, und sammelte großes Vermögen.90
Aber indessen erschlug mir meinen Bruder ein Andrer
Heimlich, mit Meuchelmord, durch die List des heillosen Weibes:
Daß ich gewiß nicht froh dies große Vermögen behersche!
Doch dies habt ihr ja wohl von euren Vätern gehöret,
Wer sie auch sein. Denn viel, sehr vieles hab' ich erlitten,95

V. 73. Ambra, Bernstein.
V. 83. Küpros, Cypern. Fönikä, Phönicien; Sidon war ein eigener
Staat darin. Erember, wahrscheinlich die nördlichen Araber. Libüa, die Küste
von Afrika, die an Aigüptos grenzte.

Oduͤßee.
Und des Goldes und Ambra's und Elfenbeines und Silbers! V. 73.
Alſo glaͤnzt wohl von innen der Hof des oluͤmpiſchen Gottes!
Welch ein unendlicher Schaz! Mit Staunen erfuͤllt mich der Anblick!75

Seine Rede vernahm Menelaos der braͤunlichgelockte,
Wandte ſich gegen die Fremden, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Liebe Soͤhne, mit Zeus wetteifre der Sterblichen keiner;
Ewig beſteht des Unendlichen Burg und alles, was ſein iſt!
Doch von den Menſchen mag einer mit mir ſich meßen an Reichthum,80
Oder auch nicht! Denn traun! nach vielen Leiden und Irren
Bracht' ich ihn in den Schiffen am achten Jahre zur Heimat;
Ward nach Kuͤpros vorher, nach Foͤnikaͤ geſtuͤrmt und Aiguͤptos, V. 83.
Sahe die Aithiopen, Sidonier dann und Erember,
Libuͤa ſelbſt, wo ſchon den Laͤmmern Hoͤrner entkeimen.85
Denn es gebaͤren dreimal im Laufe des Jahres die Schafe.
Nimmer gebricht es dort dem Eigner, und nimmer dem Hirten,
Weder an Kaͤſe noch Fleiſch noch ſuͤßer Milch von der Heerde,
Welche das ganze Jahr mit vollen Eutern einhergeht.
Alſo durchirrt' ich die Laͤnder, und ſammelte großes Vermoͤgen.90
Aber indeſſen erſchlug mir meinen Bruder ein Andrer
Heimlich, mit Meuchelmord, durch die Liſt des heilloſen Weibes:
Daß ich gewiß nicht froh dies große Vermoͤgen beherſche!
Doch dies habt ihr ja wohl von euren Vaͤtern gehoͤret,
Wer ſie auch ſein. Denn viel, ſehr vieles hab' ich erlitten,95

V. 73. Ambra, Bernſtein.
V. 83. Kuͤpros, Cypern. Foͤnikaͤ, Phoͤnicien; Sidon war ein eigener
Staat darin. Erember, wahrſcheinlich die noͤrdlichen Araber. Libuͤa, die Kuͤſte
von Afrika, die an Aiguͤptos grenzte.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0072" n="66"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Odu&#x0364;ßee</hi>.</fw><lb/>
Und des Goldes und Ambra's und Elfenbeines und Silbers! <note place="foot" n="V. 73.">Ambra, Bern&#x017F;tein.</note><lb/>
Al&#x017F;o gla&#x0364;nzt wohl von innen der Hof des olu&#x0364;mpi&#x017F;chen Gottes!<lb/>
Welch ein unendlicher Schaz! Mit Staunen erfu&#x0364;llt mich der Anblick!<note place="right">75</note></p><lb/>
        <p>Seine Rede vernahm Menelaos der bra&#x0364;unlichgelockte,<lb/>
Wandte &#x017F;ich gegen die Fremden, und &#x017F;prach die geflu&#x0364;gelten Worte:</p><lb/>
        <p>Liebe So&#x0364;hne, mit Zeus wetteifre der Sterblichen keiner;<lb/>
Ewig be&#x017F;teht des Unendlichen Burg und alles, was &#x017F;ein i&#x017F;t!<lb/>
Doch von den Men&#x017F;chen mag einer mit mir &#x017F;ich meßen an Reichthum,<note place="right">80</note><lb/>
Oder auch nicht! Denn traun! nach vielen Leiden und Irren<lb/>
Bracht' ich ihn in den Schiffen am achten Jahre zur Heimat;<lb/>
Ward nach Ku&#x0364;pros vorher, nach Fo&#x0364;nika&#x0364; ge&#x017F;tu&#x0364;rmt und Aigu&#x0364;ptos, <note place="foot" n="V. 83.">Ku&#x0364;pros, Cypern. Fo&#x0364;nika&#x0364;, Pho&#x0364;nicien; Sidon war ein eigener<lb/>
Staat darin. Erember, wahr&#x017F;cheinlich die no&#x0364;rdlichen Araber. Libu&#x0364;a, die Ku&#x0364;&#x017F;te<lb/>
von Afrika, die an Aigu&#x0364;ptos grenzte.</note><lb/>
Sahe die Aithiopen, Sidonier dann und Erember,<lb/>
Libu&#x0364;a &#x017F;elb&#x017F;t, wo &#x017F;chon den La&#x0364;mmern Ho&#x0364;rner entkeimen.<note place="right">85</note><lb/>
Denn es geba&#x0364;ren dreimal im Laufe des Jahres die Schafe.<lb/>
Nimmer gebricht es dort dem Eigner, und nimmer dem Hirten,<lb/>
Weder an Ka&#x0364;&#x017F;e noch Flei&#x017F;ch noch &#x017F;u&#x0364;ßer Milch von der Heerde,<lb/>
Welche das ganze Jahr mit vollen Eutern einhergeht.<lb/>
Al&#x017F;o durchirrt' ich die La&#x0364;nder, und &#x017F;ammelte großes Vermo&#x0364;gen.<note place="right">90</note><lb/>
Aber inde&#x017F;&#x017F;en er&#x017F;chlug mir meinen Bruder ein Andrer<lb/>
Heimlich, mit Meuchelmord, durch die Li&#x017F;t des heillo&#x017F;en Weibes:<lb/>
Daß ich gewiß nicht froh dies große Vermo&#x0364;gen beher&#x017F;che!<lb/>
Doch dies habt ihr ja wohl von euren Va&#x0364;tern geho&#x0364;ret,<lb/>
Wer &#x017F;ie auch &#x017F;ein. Denn viel, &#x017F;ehr vieles hab' ich erlitten,<note place="right">95</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0072] Oduͤßee. Und des Goldes und Ambra's und Elfenbeines und Silbers! V. 73. Alſo glaͤnzt wohl von innen der Hof des oluͤmpiſchen Gottes! Welch ein unendlicher Schaz! Mit Staunen erfuͤllt mich der Anblick! 75 Seine Rede vernahm Menelaos der braͤunlichgelockte, Wandte ſich gegen die Fremden, und ſprach die gefluͤgelten Worte: Liebe Soͤhne, mit Zeus wetteifre der Sterblichen keiner; Ewig beſteht des Unendlichen Burg und alles, was ſein iſt! Doch von den Menſchen mag einer mit mir ſich meßen an Reichthum, Oder auch nicht! Denn traun! nach vielen Leiden und Irren Bracht' ich ihn in den Schiffen am achten Jahre zur Heimat; Ward nach Kuͤpros vorher, nach Foͤnikaͤ geſtuͤrmt und Aiguͤptos, V. 83. Sahe die Aithiopen, Sidonier dann und Erember, Libuͤa ſelbſt, wo ſchon den Laͤmmern Hoͤrner entkeimen. Denn es gebaͤren dreimal im Laufe des Jahres die Schafe. Nimmer gebricht es dort dem Eigner, und nimmer dem Hirten, Weder an Kaͤſe noch Fleiſch noch ſuͤßer Milch von der Heerde, Welche das ganze Jahr mit vollen Eutern einhergeht. Alſo durchirrt' ich die Laͤnder, und ſammelte großes Vermoͤgen. Aber indeſſen erſchlug mir meinen Bruder ein Andrer Heimlich, mit Meuchelmord, durch die Liſt des heilloſen Weibes: Daß ich gewiß nicht froh dies große Vermoͤgen beherſche! Doch dies habt ihr ja wohl von euren Vaͤtern gehoͤret, Wer ſie auch ſein. Denn viel, ſehr vieles hab' ich erlitten, 80 85 90 95 V. 73. Ambra, Bernſtein. V. 83. Kuͤpros, Cypern. Foͤnikaͤ, Phoͤnicien; Sidon war ein eigener Staat darin. Erember, wahrſcheinlich die noͤrdlichen Araber. Libuͤa, die Kuͤſte von Afrika, die an Aiguͤptos grenzte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/72
Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/72>, abgerufen am 07.05.2024.