Zum Trankopfer. Er wird doch auch die Unsterblichen gerne Anflehn; denn es bedürfen ja alle Menschen der Götter. Aber er ist der Jüngste, mit mir von einerlei Alter; Darum bring' ich dir zuerst den goldenen Becher.50
Also sprach er, und reicht' ihr den Becher voll duftendes Weines. Und Athänä ward froh des gerechten verständigen Mannes, Weil er ihr zuerst den goldenen Becher gereichet; Und sie betete viel zum Meerbeherscher Poseidon:
Höre mich, Poseidaon, du Erdumgürter! Verwirf nicht 55 Unser frommes Gebet; erfülle, was wir begehren! Nestorn kröne vor allen und Nestors Söhne mit Ehre; Und erfreue dann auch andern Männer von Pülos Für ihr herliches Opfer mit reicher Wiedervergeltung! Mich und Tälemachos laß heimkehren als frohe Vollender 60 Deßen, warum wir hieher im schnellen Schiffe gekommen!
Also betete sie, und erfüllte selber die Bitte, Reichte Tälemachos drauf den schönen doppelten Becher. Eben so betete jezt der geliebte Sohn von Odüßeus. Als sie das Fleisch nun gebraten, und von den Spießen gezogen, 65 Theilten sies allen umher, und feirten das prächtige Gastmahl. Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speise gestillt war; Sprach der geränische Greis, der Roßebändiger Nestor: V. 68.
Jezo ziemt es sich besser, die fremden Gäste zu fragen, Wer sie sein, nachdem sie ihr Herz mit Speise gesättigt. 70 Fremdlinge, sagt, wer seid ihr? Von wannen trägt euch die Woge?
V. 68. Geränia war eine Stadt im Peloponnes, wo Nestor war erzog[en] worden.
Oduͤßee.
Zum Trankopfer. Er wird doch auch die Unſterblichen gerne Anflehn; denn es beduͤrfen ja alle Menſchen der Goͤtter. Aber er iſt der Juͤngſte, mit mir von einerlei Alter; Darum bring' ich dir zuerſt den goldenen Becher.50
Alſo ſprach er, und reicht' ihr den Becher voll duftendes Weines. Und Athaͤnaͤ ward froh des gerechten verſtaͤndigen Mannes, Weil er ihr zuerſt den goldenen Becher gereichet; Und ſie betete viel zum Meerbeherſcher Poſeidon:
Hoͤre mich, Poſeidaon, du Erdumguͤrter! Verwirf nicht 55 Unſer frommes Gebet; erfuͤlle, was wir begehren! Neſtorn kroͤne vor allen und Neſtors Soͤhne mit Ehre; Und erfreue dann auch andern Maͤnner von Puͤlos Fuͤr ihr herliches Opfer mit reicher Wiedervergeltung! Mich und Taͤlemachos laß heimkehren als frohe Vollender 60 Deßen, warum wir hieher im ſchnellen Schiffe gekommen!
Alſo betete ſie, und erfuͤllte ſelber die Bitte, Reichte Taͤlemachos drauf den ſchoͤnen doppelten Becher. Eben ſo betete jezt der geliebte Sohn von Oduͤßeus. Als ſie das Fleiſch nun gebraten, und von den Spießen gezogen, 65 Theilten ſies allen umher, und feirten das praͤchtige Gaſtmahl. Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speiſe geſtillt war; Sprach der geraͤniſche Greis, der Roßebaͤndiger Neſtor: V. 68.
Jezo ziemt es ſich beſſer, die fremden Gaͤſte zu fragen, Wer ſie ſein, nachdem ſie ihr Herz mit Speiſe geſaͤttigt. 70 Fremdlinge, ſagt, wer ſeid ihr? Von wannen traͤgt euch die Woge?
V. 68. Geraͤnia war eine Stadt im Peloponnes, wo Neſtor war erzog[en] worden.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0052"n="46"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Oduͤßee.</hi></fw><lb/>
Zum Trankopfer. Er wird doch auch die Unſterblichen gerne<lb/>
Anflehn; denn es beduͤrfen ja alle Menſchen der Goͤtter.<lb/>
Aber er iſt der Juͤngſte, mit mir von einerlei Alter;<lb/>
Darum bring' ich dir zuerſt den goldenen Becher.<noteplace="right">50</note></p><lb/><p>Alſo ſprach er, und reicht' ihr den Becher voll duftendes Weines.<lb/>
Und Athaͤnaͤ ward froh des gerechten verſtaͤndigen Mannes,<lb/>
Weil er ihr zuerſt den goldenen Becher gereichet;<lb/>
Und ſie betete viel zum Meerbeherſcher Poſeidon:</p><lb/><p>Hoͤre mich, Poſeidaon, du Erdumguͤrter! Verwirf nicht <noteplace="right">55</note><lb/>
Unſer frommes Gebet; erfuͤlle, was wir begehren!<lb/>
Neſtorn kroͤne vor allen und Neſtors Soͤhne mit Ehre;<lb/>
Und erfreue dann auch andern Maͤnner von Puͤlos<lb/>
Fuͤr ihr herliches Opfer mit reicher Wiedervergeltung!<lb/>
Mich und Taͤlemachos laß heimkehren als frohe Vollender <noteplace="right">60</note><lb/>
Deßen, warum wir hieher im ſchnellen Schiffe gekommen!</p><lb/><p>Alſo betete ſie, und erfuͤllte ſelber die Bitte,<lb/>
Reichte Taͤlemachos drauf den ſchoͤnen doppelten Becher.<lb/>
Eben ſo betete jezt der geliebte Sohn von Oduͤßeus.<lb/>
Als ſie das Fleiſch nun gebraten, und von den Spießen gezogen, <noteplace="right">65</note><lb/>
Theilten ſies allen umher, und feirten das praͤchtige Gaſtmahl.<lb/>
Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speiſe geſtillt war;<lb/>
Sprach der geraͤniſche Greis, der Roßebaͤndiger Neſtor: <noteplace="foot"n="V. 68.">Geraͤnia war eine Stadt im Peloponnes, wo Neſtor war erzog<supplied>en</supplied><lb/>
worden.</note></p><lb/><p>Jezo ziemt es ſich beſſer, die fremden Gaͤſte zu fragen,<lb/>
Wer ſie ſein, nachdem ſie ihr Herz mit Speiſe geſaͤttigt. <noteplace="right">70</note><lb/>
Fremdlinge, ſagt, wer ſeid ihr? Von wannen traͤgt euch die Woge?<lb/></p></div></body></text></TEI>
[46/0052]
Oduͤßee.
Zum Trankopfer. Er wird doch auch die Unſterblichen gerne
Anflehn; denn es beduͤrfen ja alle Menſchen der Goͤtter.
Aber er iſt der Juͤngſte, mit mir von einerlei Alter;
Darum bring' ich dir zuerſt den goldenen Becher.
50
Alſo ſprach er, und reicht' ihr den Becher voll duftendes Weines.
Und Athaͤnaͤ ward froh des gerechten verſtaͤndigen Mannes,
Weil er ihr zuerſt den goldenen Becher gereichet;
Und ſie betete viel zum Meerbeherſcher Poſeidon:
Hoͤre mich, Poſeidaon, du Erdumguͤrter! Verwirf nicht
Unſer frommes Gebet; erfuͤlle, was wir begehren!
Neſtorn kroͤne vor allen und Neſtors Soͤhne mit Ehre;
Und erfreue dann auch andern Maͤnner von Puͤlos
Fuͤr ihr herliches Opfer mit reicher Wiedervergeltung!
Mich und Taͤlemachos laß heimkehren als frohe Vollender
Deßen, warum wir hieher im ſchnellen Schiffe gekommen!
55
60
Alſo betete ſie, und erfuͤllte ſelber die Bitte,
Reichte Taͤlemachos drauf den ſchoͤnen doppelten Becher.
Eben ſo betete jezt der geliebte Sohn von Oduͤßeus.
Als ſie das Fleiſch nun gebraten, und von den Spießen gezogen,
Theilten ſies allen umher, und feirten das praͤchtige Gaſtmahl.
Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speiſe geſtillt war;
Sprach der geraͤniſche Greis, der Roßebaͤndiger Neſtor: V. 68.
65
Jezo ziemt es ſich beſſer, die fremden Gaͤſte zu fragen,
Wer ſie ſein, nachdem ſie ihr Herz mit Speiſe geſaͤttigt.
Fremdlinge, ſagt, wer ſeid ihr? Von wannen traͤgt euch die Woge?
70
V. 68. Geraͤnia war eine Stadt im Peloponnes, wo Neſtor war erzogen
worden.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/52>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.