Habt ihr wo ein Gewerb', oder schweift ihr ohne Bestimmung Hin und her auf der See: wie küstenumirrende Räuber, Die ihr Leben verachten, um fremden Völkern zu schaden?
Und der verständige Jüngling Tälemachos sagte dagegen, 75 Ohne Furcht; denn ihm goß Athänä Mut in die Seele, Daß er nach Kundschaft forschte vom langabwesenden Vater, Und sich selber ein gutes Gerücht bei den Menschen erwürbe:
Nestor, Näleus Sohn, du großer Ruhm der Achaier Fragst, von wannen wir sein; ich will dir alles erzählen. 80 Siehe von Ithaka her am Näion sind wir gekommen, Nicht in Geschäften des Volks, im eigenen; dieses vernim jezt. Meines edlen Vaters verbreiteten Ruhm zu erforschen, Reis' ich umher, Odüßeus des leidengeübten, der ehmals, Sagt man, streitend mit dir, die Stadt der Troer zerstört hat 85 Von den übrigen allen, die einst vor Ilion kämpften, Hörten wir doch, wie jeder dem grausamen Tode dahinsank; Aber von jenem verbarg sogar das Ende Kronion. Niemand weiß uns den Ort zu nennen, wo er gestorben: Ob er auf festem Lande von feindlichen Männern vertilgt sei, 90 Oder im stürmenden Meere von Amsitritens Gewäßern. V. 91. Darum fleh ich dir jezo, die Knie' umfaßend, du wollest Seinen traurigen Tod mir verkündigen; ob du ihn selber Ansahst, oder vielleicht von einem irrenden Wandrer Ihn erfuhrst: denn ach! zum Leiden gebar ihn die Mutter! 95 Aber schmeichle mir nicht, aus Schonung oder aus Mitleid; Sondern erzähle mir treulich, was deine Augen gesehen.
V. 91. Amsitritä, die Gemahlin Poseidons.
Dritter Geſang.
Habt ihr wo ein Gewerb', oder ſchweift ihr ohne Beſtimmung Hin und her auf der See: wie kuͤſtenumirrende Raͤuber, Die ihr Leben verachten, um fremden Voͤlkern zu ſchaden?
Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen, 75 Ohne Furcht; denn ihm goß Athaͤnaͤ Mut in die Seele, Daß er nach Kundſchaft forſchte vom langabweſenden Vater, Und ſich ſelber ein gutes Geruͤcht bei den Menſchen erwuͤrbe:
Neſtor, Naͤleus Sohn, du großer Ruhm der Achaier Fragſt, von wannen wir ſein; ich will dir alles erzaͤhlen. 80 Siehe von Ithaka her am Naͤion ſind wir gekommen, Nicht in Geſchaͤften des Volks, im eigenen; dieſes vernim jezt. Meines edlen Vaters verbreiteten Ruhm zu erforſchen, Reiſ' ich umher, Oduͤßeus des leidengeuͤbten, der ehmals, Sagt man, ſtreitend mit dir, die Stadt der Troer zerſtoͤrt hat 85 Von den uͤbrigen allen, die einſt vor Ilion kaͤmpften, Hoͤrten wir doch, wie jeder dem grauſamen Tode dahinſank; Aber von jenem verbarg ſogar das Ende Kronion. Niemand weiß uns den Ort zu nennen, wo er geſtorben: Ob er auf feſtem Lande von feindlichen Maͤnnern vertilgt ſei, 90 Oder im ſtuͤrmenden Meere von Amſitritens Gewaͤßern. V. 91. Darum fleh ich dir jezo, die Knie' umfaßend, du wolleſt Seinen traurigen Tod mir verkuͤndigen; ob du ihn ſelber Anſahſt, oder vielleicht von einem irrenden Wandrer Ihn erfuhrſt: denn ach! zum Leiden gebar ihn die Mutter! 95 Aber ſchmeichle mir nicht, aus Schonung oder aus Mitleid; Sondern erzaͤhle mir treulich, was deine Augen geſehen.
V. 91. Amſitritaͤ, die Gemahlin Poſeidons.
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Dritter Geſang.
Habt ihr wo ein Gewerb', oder ſchweift ihr ohne Beſtimmung
Hin und her auf der See: wie kuͤſtenumirrende Raͤuber,
Die ihr Leben verachten, um fremden Voͤlkern zu ſchaden?
Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen,
Ohne Furcht; denn ihm goß Athaͤnaͤ Mut in die Seele,
Daß er nach Kundſchaft forſchte vom langabweſenden Vater,
Und ſich ſelber ein gutes Geruͤcht bei den Menſchen erwuͤrbe:
75
Neſtor, Naͤleus Sohn, du großer Ruhm der Achaier
Fragſt, von wannen wir ſein; ich will dir alles erzaͤhlen.
Siehe von Ithaka her am Naͤion ſind wir gekommen,
Nicht in Geſchaͤften des Volks, im eigenen; dieſes vernim jezt.
Meines edlen Vaters verbreiteten Ruhm zu erforſchen,
Reiſ' ich umher, Oduͤßeus des leidengeuͤbten, der ehmals,
Sagt man, ſtreitend mit dir, die Stadt der Troer zerſtoͤrt hat
Von den uͤbrigen allen, die einſt vor Ilion kaͤmpften,
Hoͤrten wir doch, wie jeder dem grauſamen Tode dahinſank;
Aber von jenem verbarg ſogar das Ende Kronion.
Niemand weiß uns den Ort zu nennen, wo er geſtorben:
Ob er auf feſtem Lande von feindlichen Maͤnnern vertilgt ſei,
Oder im ſtuͤrmenden Meere von Amſitritens Gewaͤßern. V. 91.
Darum fleh ich dir jezo, die Knie' umfaßend, du wolleſt
Seinen traurigen Tod mir verkuͤndigen; ob du ihn ſelber
Anſahſt, oder vielleicht von einem irrenden Wandrer
Ihn erfuhrſt: denn ach! zum Leiden gebar ihn die Mutter!
Aber ſchmeichle mir nicht, aus Schonung oder aus Mitleid;
Sondern erzaͤhle mir treulich, was deine Augen geſehen.
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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/53>, abgerufen am 24.11.2024.
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