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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Dreiundzwanzigster Gesang.
Hintergehn; es giebt ja so viele schlaue Betrieger!
Nimmer hätte der Fremdling die schöne argeiische Fürstin
Helena, Tochter von Zeus, zur heimlichen Liebe verleitet;
Hätte sie vorbedacht, daß die kriegrischen Söhne Achaia's 220
Würden mit Feuer und Schwert sie zurück aus Ilion fodern.
Aber gereizt von der Göttin, erlag sie der schnöden Verführung, V. 222.
Und erwog nicht vorher in ihrem Herzen das nahe
Schreckengericht, das auch uns so vielen Jammer gebracht hat!
Jezo, da du, Geliebter, mir so umständlich die Zeichen 225
Unserer Kammer nennst, die doch kein Sterblicher sahe,
Sondern nur du und ich, und die einzige Kammerbediente
Aktoris, welche mein Vater mir mitgab, als ich hieher zog:
Jezo besiegst du mein Herz, und alle Zweifel verschwinden. 230

Also sprach sie. Da schwoll ihm sein Herz von inniger Wehmut:
Weinend hielt er sein treues geliebtes Weib in den Armen.
So erfreulich das Land den schwimmenden Männern erscheinet,
Deren rüstiges Schiff der Erdumgürter Poseidon
Mitten im Meere durch Sturm und geschwollene Fluten zerschmettert; 235
Wenige nur entflohn dem dunkelwogenden Abgrund,
Schwimmen ans Land, ringsum vom Schlamme des Meeres besudelt,
Und nun steigen sie freudig, dem Tod' entronnen, ans Ufer:
So erfreulich war ihr der Anblick ihres Gemahles;
Und fest hielt sie den Hals mit weißen Armen umschlungen. 240
Und sie hätten vielleicht bis zur Morgenröthe gejammert;
Aber ein Andres beschloß die heilige Pallas Athänä.

V. 222. Von Afroditä, die dem Paris für den goldenen Apfel das schönste
Weib versprochen hatte.

Dreiundzwanzigſter Geſang.
Hintergehn; es giebt ja ſo viele ſchlaue Betrieger!
Nimmer haͤtte der Fremdling die ſchoͤne argeiiſche Fuͤrſtin
Helena, Tochter von Zeus, zur heimlichen Liebe verleitet;
Haͤtte ſie vorbedacht, daß die kriegriſchen Soͤhne Achaia's 220
Wuͤrden mit Feuer und Schwert ſie zuruͤck aus Ilion fodern.
Aber gereizt von der Goͤttin, erlag ſie der ſchnoͤden Verfuͤhrung, V. 222.
Und erwog nicht vorher in ihrem Herzen das nahe
Schreckengericht, das auch uns ſo vielen Jammer gebracht hat!
Jezo, da du, Geliebter, mir ſo umſtaͤndlich die Zeichen 225
Unſerer Kammer nennſt, die doch kein Sterblicher ſahe,
Sondern nur du und ich, und die einzige Kammerbediente
Aktoris, welche mein Vater mir mitgab, als ich hieher zog:
Jezo beſiegſt du mein Herz, und alle Zweifel verſchwinden. 230

Alſo ſprach ſie. Da ſchwoll ihm ſein Herz von inniger Wehmut:
Weinend hielt er ſein treues geliebtes Weib in den Armen.
So erfreulich das Land den ſchwimmenden Maͤnnern erſcheinet,
Deren ruͤſtiges Schiff der Erdumguͤrter Poſeidon
Mitten im Meere durch Sturm und geſchwollene Fluten zerſchmettert; 235
Wenige nur entflohn dem dunkelwogenden Abgrund,
Schwimmen ans Land, ringsum vom Schlamme des Meeres beſudelt,
Und nun ſteigen ſie freudig, dem Tod' entronnen, ans Ufer:
So erfreulich war ihr der Anblick ihres Gemahles;
Und feſt hielt ſie den Hals mit weißen Armen umſchlungen. 240
Und ſie haͤtten vielleicht bis zur Morgenroͤthe gejammert;
Aber ein Andres beſchloß die heilige Pallas Athaͤnaͤ.

V. 222. Von Afroditaͤ, die dem Paris fuͤr den goldenen Apfel das ſchoͤnſte
Weib verſprochen hatte.
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[443/0449] Dreiundzwanzigſter Geſang. Hintergehn; es giebt ja ſo viele ſchlaue Betrieger! Nimmer haͤtte der Fremdling die ſchoͤne argeiiſche Fuͤrſtin Helena, Tochter von Zeus, zur heimlichen Liebe verleitet; Haͤtte ſie vorbedacht, daß die kriegriſchen Soͤhne Achaia's Wuͤrden mit Feuer und Schwert ſie zuruͤck aus Ilion fodern. Aber gereizt von der Goͤttin, erlag ſie der ſchnoͤden Verfuͤhrung, V. 222. Und erwog nicht vorher in ihrem Herzen das nahe Schreckengericht, das auch uns ſo vielen Jammer gebracht hat! Jezo, da du, Geliebter, mir ſo umſtaͤndlich die Zeichen Unſerer Kammer nennſt, die doch kein Sterblicher ſahe, Sondern nur du und ich, und die einzige Kammerbediente Aktoris, welche mein Vater mir mitgab, als ich hieher zog: Jezo beſiegſt du mein Herz, und alle Zweifel verſchwinden. 220 225 230 Alſo ſprach ſie. Da ſchwoll ihm ſein Herz von inniger Wehmut: Weinend hielt er ſein treues geliebtes Weib in den Armen. So erfreulich das Land den ſchwimmenden Maͤnnern erſcheinet, Deren ruͤſtiges Schiff der Erdumguͤrter Poſeidon Mitten im Meere durch Sturm und geſchwollene Fluten zerſchmettert; Wenige nur entflohn dem dunkelwogenden Abgrund, Schwimmen ans Land, ringsum vom Schlamme des Meeres beſudelt, Und nun ſteigen ſie freudig, dem Tod' entronnen, ans Ufer: So erfreulich war ihr der Anblick ihres Gemahles; Und feſt hielt ſie den Hals mit weißen Armen umſchlungen. Und ſie haͤtten vielleicht bis zur Morgenroͤthe gejammert; Aber ein Andres beſchloß die heilige Pallas Athaͤnaͤ. 235 240 V. 222. Von Afroditaͤ, die dem Paris fuͤr den goldenen Apfel das ſchoͤnſte Weib verſprochen hatte.

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/449>, abgerufen am 22.11.2024.