Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.Odüßee. War an dem künstlichen Bett'; und ich selber baut' es, kein Andrer!Innerhalb des Gehegs war ein weitumschattender Oelbaum, 190 Stark und blühendes Wuchses; der Stamm glich Seulen an Dicke. Rings um diesen erbaut' ich von dichtgeordneten Steinen Unser Ehegemach, und wölbte die obere Decke, Und verschloß die Pforte mit festeinfugenden Flügeln. Hierauf kappt' ich die Aeste des weitumschattenden Oelbaums, 195 Und behaute den Stamm an der Wurzel, glättet' ihn ringsum Künstlich und schön mit dem Erz, und nach dem Maße der Richtschnur; Schnizt' ihn zum Fuße des Bettes, und bort' ihn rings mit dem Borer, Fügete Bohlen daran, und baute das zierliche Bette, Welches mit Gold und Silber und Elfenbeine geschmückt war; 200 Und durchzog es mit Riemen von purpurfarbener Stierhaut. Dies Wahrzeichen sag' ich dir also. Aber ich weiß nicht, Frau, ob es noch so ist, wie vormals; oder ob Jemand Schon den Fuß von der Wurzel gehaun, und das Bette versezt hat. Also sprach er. Der Fürstin erzitterten Herz und Kniee, 205 Sei mir nicht bös', Odüßeus! Du warst ja immer ein guter Oduͤßee. War an dem kuͤnſtlichen Bett'; und ich ſelber baut' es, kein Andrer!Innerhalb des Gehegs war ein weitumſchattender Oelbaum, 190 Stark und bluͤhendes Wuchſes; der Stamm glich Seulen an Dicke. Rings um dieſen erbaut' ich von dichtgeordneten Steinen Unſer Ehegemach, und woͤlbte die obere Decke, Und verſchloß die Pforte mit feſteinfugenden Fluͤgeln. Hierauf kappt' ich die Aeſte des weitumſchattenden Oelbaums, 195 Und behaute den Stamm an der Wurzel, glaͤttet' ihn ringsum Kuͤnſtlich und ſchoͤn mit dem Erz, und nach dem Maße der Richtſchnur; Schnizt' ihn zum Fuße des Bettes, und bort' ihn rings mit dem Borer, Fuͤgete Bohlen daran, und baute das zierliche Bette, Welches mit Gold und Silber und Elfenbeine geſchmuͤckt war; 200 Und durchzog es mit Riemen von purpurfarbener Stierhaut. Dies Wahrzeichen ſag' ich dir alſo. Aber ich weiß nicht, Frau, ob es noch ſo iſt, wie vormals; oder ob Jemand Schon den Fuß von der Wurzel gehaun, und das Bette verſezt hat. Alſo ſprach er. Der Fuͤrſtin erzitterten Herz und Kniee, 205 Sei mir nicht boͤſ', Oduͤßeus! Du warſt ja immer ein guter <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0448" n="442"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Oduͤßee.</hi></fw><lb/> War an dem kuͤnſtlichen Bett'; und ich ſelber baut' es, kein Andrer!<lb/> Innerhalb des Gehegs war ein weitumſchattender Oelbaum, <note place="right">190</note><lb/> Stark und bluͤhendes Wuchſes; der Stamm glich Seulen an Dicke.<lb/> Rings um dieſen erbaut' ich von dichtgeordneten Steinen<lb/> Unſer Ehegemach, und woͤlbte die obere Decke,<lb/> Und verſchloß die Pforte mit feſteinfugenden Fluͤgeln.<lb/> Hierauf kappt' ich die Aeſte des weitumſchattenden Oelbaums, <note place="right">195</note><lb/> Und behaute den Stamm an der Wurzel, glaͤttet' ihn ringsum<lb/> Kuͤnſtlich und ſchoͤn mit dem Erz, und nach dem Maße der Richtſchnur;<lb/> Schnizt' ihn zum Fuße des Bettes, und bort' ihn rings mit dem Borer,<lb/> Fuͤgete Bohlen daran, und baute das zierliche Bette,<lb/> Welches mit Gold und Silber und Elfenbeine geſchmuͤckt war; <note place="right">200</note><lb/> Und durchzog es mit Riemen von purpurfarbener Stierhaut.<lb/> Dies Wahrzeichen ſag' ich dir alſo. Aber ich weiß nicht,<lb/> Frau, ob es noch ſo iſt, wie vormals; oder ob Jemand<lb/> Schon den Fuß von der Wurzel gehaun, und das Bette verſezt hat.</p><lb/> <p>Alſo ſprach er. Der Fuͤrſtin erzitterten Herz und Kniee, <note place="right">205</note><lb/> Als ſie die Zeichen erkannte, die ihr Oduͤßeus verkuͤndet:<lb/> Weinend lief ſie hinzu, und fiel mit offenen Armen<lb/> Ihrem Gemahl um den Hals, und kuͤßte ſein Antliz, und ſagte:</p><lb/> <p>Sei mir nicht boͤſ', Oduͤßeus! Du warſt ja immer ein guter<lb/> Und verſtaͤndiger Mann! Die Goͤtter gaben uns Elend; <note place="right">210</note><lb/> Denn zu groß war das Gluͤck, daß wir beiſammen in Eintracht<lb/> Unſerer Jugend genoͤßen, und ſanft dem Alter uns nahten!<lb/> Aber du mußt mir jezo nicht darum zuͤrnen noch gram ſein,<lb/> Daß ich, Geliebter, dich nicht beim erſten Blicke bewillkommt!<lb/> Siehe mein armes Herz war immer in Sorgen, es moͤchte <note place="right">215</note><lb/> Irgend ein Sterblicher kommen, und mich mit teuſchenden Worten<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [442/0448]
Oduͤßee.
War an dem kuͤnſtlichen Bett'; und ich ſelber baut' es, kein Andrer!
Innerhalb des Gehegs war ein weitumſchattender Oelbaum,
Stark und bluͤhendes Wuchſes; der Stamm glich Seulen an Dicke.
Rings um dieſen erbaut' ich von dichtgeordneten Steinen
Unſer Ehegemach, und woͤlbte die obere Decke,
Und verſchloß die Pforte mit feſteinfugenden Fluͤgeln.
Hierauf kappt' ich die Aeſte des weitumſchattenden Oelbaums,
Und behaute den Stamm an der Wurzel, glaͤttet' ihn ringsum
Kuͤnſtlich und ſchoͤn mit dem Erz, und nach dem Maße der Richtſchnur;
Schnizt' ihn zum Fuße des Bettes, und bort' ihn rings mit dem Borer,
Fuͤgete Bohlen daran, und baute das zierliche Bette,
Welches mit Gold und Silber und Elfenbeine geſchmuͤckt war;
Und durchzog es mit Riemen von purpurfarbener Stierhaut.
Dies Wahrzeichen ſag' ich dir alſo. Aber ich weiß nicht,
Frau, ob es noch ſo iſt, wie vormals; oder ob Jemand
Schon den Fuß von der Wurzel gehaun, und das Bette verſezt hat.
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Alſo ſprach er. Der Fuͤrſtin erzitterten Herz und Kniee,
Als ſie die Zeichen erkannte, die ihr Oduͤßeus verkuͤndet:
Weinend lief ſie hinzu, und fiel mit offenen Armen
Ihrem Gemahl um den Hals, und kuͤßte ſein Antliz, und ſagte:
205
Sei mir nicht boͤſ', Oduͤßeus! Du warſt ja immer ein guter
Und verſtaͤndiger Mann! Die Goͤtter gaben uns Elend;
Denn zu groß war das Gluͤck, daß wir beiſammen in Eintracht
Unſerer Jugend genoͤßen, und ſanft dem Alter uns nahten!
Aber du mußt mir jezo nicht darum zuͤrnen noch gram ſein,
Daß ich, Geliebter, dich nicht beim erſten Blicke bewillkommt!
Siehe mein armes Herz war immer in Sorgen, es moͤchte
Irgend ein Sterblicher kommen, und mich mit teuſchenden Worten
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