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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Siebzehnter Gesang.

Und der verständige Jüngling Tälemachos sagte dagegen:
Freund, wir wißen ja nicht, welch Ende die Sache gewinne!
Wenn mich in meinem Hause die übermütigen Freier
Heimlich ermorden, und dann mein väterlich Erbe sich theilen; 80
Will ich doch lieber, daß du, als ein anderer, jenes besize.
Wenn es mir aber gelingt, sie mit blutigem Tode zu strafen;
Siehe dann magst du es fröhlich zum Hause des Fröhlichen bringen.

Sprachs, und führte zu Hause den unglückseligen Fremdling.
Als sie jezo erreichten die schöngebauete Wohnung 85
Legten sie ihre Mäntel auf prächtige Seßel und Throne,
Gingen und badeten sich in schöngeglätteten Wannen.
Als die Mägde sie jezo gebadet, mit Oele gesalbet,
Und mit wollichten Mantel und Leibrock hatten bekleidet;
Stiegen sie aus dem Bad', und sezten sich nieder auf Seßel. 90
Eine Dienerin trug in der schönen goldenen Kanne
Ueber dem silbernen Becken das Waßer, beströmte zum Waschen
Ihnen die Händ', und stellte vor sie die geglättete Tafel.
Und die ehrbare Schaffnerin kam, und tischte das Brot auf,
Und der Gerichte viel aus ihrem gesammelten Vorrat. 95
Gegenüber saß auf dem Ruheseßel die Mutter
An der Schwelle des Saals, und drehte die zierliche Spindel.
Und sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle.
Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speise gestillt war,
Da begann das Gespräch die kluge Pänelopeia: 100

Sohn, ich muß wohl wieder in meine Kammer hinaufgehn,
Auf dem Lager zu ruhn, dem jammervollen, das immer
Meine Thränen benezen, seitdem der edle Odüßeus
Mit den Atreiden gen Ilion zog; denn du findest Bedenken,

Siebzehnter Geſang.

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen:
Freund, wir wißen ja nicht, welch Ende die Sache gewinne!
Wenn mich in meinem Hauſe die uͤbermuͤtigen Freier
Heimlich ermorden, und dann mein vaͤterlich Erbe ſich theilen; 80
Will ich doch lieber, daß du, als ein anderer, jenes beſize.
Wenn es mir aber gelingt, ſie mit blutigem Tode zu ſtrafen;
Siehe dann magſt du es froͤhlich zum Hauſe des Froͤhlichen bringen.

Sprachs, und fuͤhrte zu Hauſe den ungluͤckſeligen Fremdling.
Als ſie jezo erreichten die ſchoͤngebauete Wohnung 85
Legten ſie ihre Maͤntel auf praͤchtige Seßel und Throne,
Gingen und badeten ſich in ſchoͤngeglaͤtteten Wannen.
Als die Maͤgde ſie jezo gebadet, mit Oele geſalbet,
Und mit wollichten Mantel und Leibrock hatten bekleidet;
Stiegen ſie aus dem Bad', und ſezten ſich nieder auf Seßel. 90
Eine Dienerin trug in der ſchoͤnen goldenen Kanne
Ueber dem ſilbernen Becken das Waßer, beſtroͤmte zum Waſchen
Ihnen die Haͤnd', und ſtellte vor ſie die geglaͤttete Tafel.
Und die ehrbare Schaffnerin kam, und tiſchte das Brot auf,
Und der Gerichte viel aus ihrem geſammelten Vorrat. 95
Gegenuͤber ſaß auf dem Ruheſeßel die Mutter
An der Schwelle des Saals, und drehte die zierliche Spindel.
Und ſie erhoben die Haͤnde zum leckerbereiteten Mahle.
Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speiſe geſtillt war,
Da begann das Geſpraͤch die kluge Paͤnelopeia: 100

Sohn, ich muß wohl wieder in meine Kammer hinaufgehn,
Auf dem Lager zu ruhn, dem jammervollen, das immer
Meine Thraͤnen benezen, ſeitdem der edle Oduͤßeus
Mit den Atreiden gen Ilion zog; denn du findeſt Bedenken,

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[325/0331] Siebzehnter Geſang. Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Freund, wir wißen ja nicht, welch Ende die Sache gewinne! Wenn mich in meinem Hauſe die uͤbermuͤtigen Freier Heimlich ermorden, und dann mein vaͤterlich Erbe ſich theilen; Will ich doch lieber, daß du, als ein anderer, jenes beſize. Wenn es mir aber gelingt, ſie mit blutigem Tode zu ſtrafen; Siehe dann magſt du es froͤhlich zum Hauſe des Froͤhlichen bringen. 80 Sprachs, und fuͤhrte zu Hauſe den ungluͤckſeligen Fremdling. Als ſie jezo erreichten die ſchoͤngebauete Wohnung Legten ſie ihre Maͤntel auf praͤchtige Seßel und Throne, Gingen und badeten ſich in ſchoͤngeglaͤtteten Wannen. Als die Maͤgde ſie jezo gebadet, mit Oele geſalbet, Und mit wollichten Mantel und Leibrock hatten bekleidet; Stiegen ſie aus dem Bad', und ſezten ſich nieder auf Seßel. Eine Dienerin trug in der ſchoͤnen goldenen Kanne Ueber dem ſilbernen Becken das Waßer, beſtroͤmte zum Waſchen Ihnen die Haͤnd', und ſtellte vor ſie die geglaͤttete Tafel. Und die ehrbare Schaffnerin kam, und tiſchte das Brot auf, Und der Gerichte viel aus ihrem geſammelten Vorrat. Gegenuͤber ſaß auf dem Ruheſeßel die Mutter An der Schwelle des Saals, und drehte die zierliche Spindel. Und ſie erhoben die Haͤnde zum leckerbereiteten Mahle. Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speiſe geſtillt war, Da begann das Geſpraͤch die kluge Paͤnelopeia: 85 90 95 100 Sohn, ich muß wohl wieder in meine Kammer hinaufgehn, Auf dem Lager zu ruhn, dem jammervollen, das immer Meine Thraͤnen benezen, ſeitdem der edle Oduͤßeus Mit den Atreiden gen Ilion zog; denn du findeſt Bedenken,

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/331>, abgerufen am 24.11.2024.