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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Funfzehnter Gesang.
Durch Hermeias Gnade, des Göttergesandten, der alles,
Was die Menschen beginnen, mit Ehre schmücket und Anmut,
Kann der Sterblichen keiner mit mir wetteifern im Dienste: 320
Feuer geschickt zu legen, und trockene Klöze zu spalten,
Wein zu schenken, und Fleisch zu vertheilen oder zu braten:
Was vornehme Leute vom Dienste Geringerer fodern.

Zürnend erwiedertest du, Eumaios, Hüter der Schweine:
Wehe mir, Fremdling, wie kann in dein Herz ein solcher Gedanke 325
Kommen? Wahrlich du eilst, dich dort ins Verderben zu stürzen,
Ist es dein ernstlicher Wille, zu gehn in der Freier Gesellschaft,
Deren Troz und Gewalt den eisernen Himmel erreichet. V. 328.
Wahrlich solche Leute sind ihre Diener mitnichten;
Jünglinge sinds, mit Mantel und Leibrock zierlich gekleidet, 330
Und stets duftet von Salben ihr Haar und blühendes Antliz:
Diese dienen dort; und die schöngeglätteten Tische
Sind mit Brot und Fleisch und Weine stets belastet.
Aber bleibe; du bist hier keinem Menschen beschwerlich,
Weder mir, noch einem der Freunde, welche mir helfen. 335
Kehrt einst wieder zurück der geliebte Sohn von Odüßeus,
Gerne wird dich dieser mit Rock' und Mantel bekleiden,
Und dich senden wohin es deinem Herzen gelüstet.

Ihm antwortete drauf der herliche Dulder Odüßeus:
Liebe dich Vater Zeus, wie ich dich liebe, Eumaios, 340
Weil du nach schrecklicher Noth mir Irrenden Ruhe gewährest!
Nichts ist kummervoller, als unstät leben und flüchtig!
Oft zur Verzweifelung bringt der unversöhnliche Hunger

V. 328. Die Alten dachten sich den Himmel als ein metallenes Gewölbe, das
auf Bergen ruhte.

Funfzehnter Geſang.
Durch Hermeias Gnade, des Goͤttergeſandten, der alles,
Was die Menſchen beginnen, mit Ehre ſchmuͤcket und Anmut,
Kann der Sterblichen keiner mit mir wetteifern im Dienſte: 320
Feuer geſchickt zu legen, und trockene Kloͤze zu ſpalten,
Wein zu ſchenken, und Fleiſch zu vertheilen oder zu braten:
Was vornehme Leute vom Dienſte Geringerer fodern.

Zuͤrnend erwiederteſt du, Eumaios, Huͤter der Schweine:
Wehe mir, Fremdling, wie kann in dein Herz ein ſolcher Gedanke 325
Kommen? Wahrlich du eilſt, dich dort ins Verderben zu ſtuͤrzen,
Iſt es dein ernſtlicher Wille, zu gehn in der Freier Geſellſchaft,
Deren Troz und Gewalt den eiſernen Himmel erreichet. V. 328.
Wahrlich ſolche Leute ſind ihre Diener mitnichten;
Juͤnglinge ſinds, mit Mantel und Leibrock zierlich gekleidet, 330
Und ſtets duftet von Salben ihr Haar und bluͤhendes Antliz:
Dieſe dienen dort; und die ſchoͤngeglaͤtteten Tiſche
Sind mit Brot und Fleiſch und Weine ſtets belaſtet.
Aber bleibe; du biſt hier keinem Menſchen beſchwerlich,
Weder mir, noch einem der Freunde, welche mir helfen. 335
Kehrt einſt wieder zuruͤck der geliebte Sohn von Oduͤßeus,
Gerne wird dich dieſer mit Rock' und Mantel bekleiden,
Und dich ſenden wohin es deinem Herzen geluͤſtet.

Ihm antwortete drauf der herliche Dulder Oduͤßeus:
Liebe dich Vater Zeus, wie ich dich liebe, Eumaios, 340
Weil du nach ſchrecklicher Noth mir Irrenden Ruhe gewaͤhreſt!
Nichts iſt kummervoller, als unſtaͤt leben und fluͤchtig!
Oft zur Verzweifelung bringt der unverſoͤhnliche Hunger

V. 328. Die Alten dachten ſich den Himmel als ein metallenes Gewoͤlbe, das
auf Bergen ruhte.
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[295/0301] Funfzehnter Geſang. Durch Hermeias Gnade, des Goͤttergeſandten, der alles, Was die Menſchen beginnen, mit Ehre ſchmuͤcket und Anmut, Kann der Sterblichen keiner mit mir wetteifern im Dienſte: Feuer geſchickt zu legen, und trockene Kloͤze zu ſpalten, Wein zu ſchenken, und Fleiſch zu vertheilen oder zu braten: Was vornehme Leute vom Dienſte Geringerer fodern. 320 Zuͤrnend erwiederteſt du, Eumaios, Huͤter der Schweine: Wehe mir, Fremdling, wie kann in dein Herz ein ſolcher Gedanke Kommen? Wahrlich du eilſt, dich dort ins Verderben zu ſtuͤrzen, Iſt es dein ernſtlicher Wille, zu gehn in der Freier Geſellſchaft, Deren Troz und Gewalt den eiſernen Himmel erreichet. V. 328. Wahrlich ſolche Leute ſind ihre Diener mitnichten; Juͤnglinge ſinds, mit Mantel und Leibrock zierlich gekleidet, Und ſtets duftet von Salben ihr Haar und bluͤhendes Antliz: Dieſe dienen dort; und die ſchoͤngeglaͤtteten Tiſche Sind mit Brot und Fleiſch und Weine ſtets belaſtet. Aber bleibe; du biſt hier keinem Menſchen beſchwerlich, Weder mir, noch einem der Freunde, welche mir helfen. Kehrt einſt wieder zuruͤck der geliebte Sohn von Oduͤßeus, Gerne wird dich dieſer mit Rock' und Mantel bekleiden, Und dich ſenden wohin es deinem Herzen geluͤſtet. 325 330 335 Ihm antwortete drauf der herliche Dulder Oduͤßeus: Liebe dich Vater Zeus, wie ich dich liebe, Eumaios, Weil du nach ſchrecklicher Noth mir Irrenden Ruhe gewaͤhreſt! Nichts iſt kummervoller, als unſtaͤt leben und fluͤchtig! Oft zur Verzweifelung bringt der unverſoͤhnliche Hunger 340 V. 328. Die Alten dachten ſich den Himmel als ein metallenes Gewoͤlbe, das auf Bergen ruhte.

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/301>, abgerufen am 22.11.2024.