Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Odüßee.
Freudigkeit fühlt der Gast und höheren Mut und Erquickung,
Der, mit Speise gestärkt, in ferne Länder verreiset.
Hast du auch Lust, umher durch Hellas und Argos zu reisen;
Warte, bis ich die Roß' anspanne, dich selber begleite, 80
Und zu jeglicher Stadt hinführe. Keines der Völker
Sendet uns leer hinweg; man schenkt uns wenigstens Ein Stück:
Ein dreifüßig Geschirr von Kupfer, oder ein Becken,
Oder ein Joch Maulthiere, auch wohl einen goldenen Becher.

Und der verständige Jüngling Tälemachos sagte dagegen; 85
Atreus göttlicher Sohn Menelaos, Führer der Völker,
Jezo eil' ich zurück zu dem Unsrigen; (denn da ich abfuhr,
Ließ ich Niemand im Hause, mein Eigenthum zu bewahren:)
Daß ich, den Vater suchend, nicht selber das Leben verliere,
Oder ein köstliches Gut aus meinem Hause verschwinde. 90

Als er solches vernommen, der Rufer im Streit Menelaos,
Rief er schnell der Gemahlin und ihren Mägden, im Saale
Hurtig ein Mahl zu bereiten vom reichlichgesammelten Vorrat.
Jezo nahte sich auch Boäthos Sohn Eteoneus,
Seinem Lager entstiegen; er wohnte nicht ferne vom König. 95
Diesem befahl der Held Menelaos, Feuer zu machen,
Und des Fleisches zu braten; und schnell gehorcht' er dem Worte.
Hierauf stieg er hinab ins duftende hohe Gewölbe:
Nicht er allein; mit ihm ging Helena und Megapenthäs.
Als sie die Kammer erreicht, wo seine Kleinode lagen, 100
Nahm Menelaos Atreidäs sich einen doppelten Becher,
Reichte dann seines Sohns Megapenthäs Händen zu tragen
Einen silbernen Kelch; und Helena trat zu den Kisten,
Wo sie die schönen Gewande verwahrt, die sie selber gewirket.

Oduͤßee.
Freudigkeit fuͤhlt der Gaſt und hoͤheren Mut und Erquickung,
Der, mit Speiſe geſtaͤrkt, in ferne Laͤnder verreiſet.
Haſt du auch Luſt, umher durch Hellas und Argos zu reiſen;
Warte, bis ich die Roß' anſpanne, dich ſelber begleite, 80
Und zu jeglicher Stadt hinfuͤhre. Keines der Voͤlker
Sendet uns leer hinweg; man ſchenkt uns wenigſtens Ein Stuͤck:
Ein dreifuͤßig Geſchirr von Kupfer, oder ein Becken,
Oder ein Joch Maulthiere, auch wohl einen goldenen Becher.

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen; 85
Atreus goͤttlicher Sohn Menelaos, Fuͤhrer der Voͤlker,
Jezo eil' ich zuruͤck zu dem Unſrigen; (denn da ich abfuhr,
Ließ ich Niemand im Hauſe, mein Eigenthum zu bewahren:)
Daß ich, den Vater ſuchend, nicht ſelber das Leben verliere,
Oder ein koͤſtliches Gut aus meinem Hauſe verſchwinde. 90

Als er ſolches vernommen, der Rufer im Streit Menelaos,
Rief er ſchnell der Gemahlin und ihren Maͤgden, im Saale
Hurtig ein Mahl zu bereiten vom reichlichgeſammelten Vorrat.
Jezo nahte ſich auch Boaͤthos Sohn Eteoneus,
Seinem Lager entſtiegen; er wohnte nicht ferne vom Koͤnig. 95
Dieſem befahl der Held Menelaos, Feuer zu machen,
Und des Fleiſches zu braten; und ſchnell gehorcht' er dem Worte.
Hierauf ſtieg er hinab ins duftende hohe Gewoͤlbe:
Nicht er allein; mit ihm ging Helena und Megapenthaͤs.
Als ſie die Kammer erreicht, wo ſeine Kleinode lagen, 100
Nahm Menelaos Atreidaͤs ſich einen doppelten Becher,
Reichte dann ſeines Sohns Megapenthaͤs Haͤnden zu tragen
Einen ſilbernen Kelch; und Helena trat zu den Kiſten,
Wo ſie die ſchoͤnen Gewande verwahrt, die ſie ſelber gewirket.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0292" n="286"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Odu&#x0364;ßee.</hi></fw><lb/>
Freudigkeit fu&#x0364;hlt der Ga&#x017F;t und ho&#x0364;heren Mut und Erquickung,<lb/>
Der, mit Spei&#x017F;e ge&#x017F;ta&#x0364;rkt, in ferne La&#x0364;nder verrei&#x017F;et.<lb/>
Ha&#x017F;t du auch Lu&#x017F;t, umher durch Hellas und Argos zu rei&#x017F;en;<lb/>
Warte, bis ich die Roß' an&#x017F;panne, dich &#x017F;elber begleite, <note place="right">80</note><lb/>
Und zu jeglicher Stadt hinfu&#x0364;hre. Keines der Vo&#x0364;lker<lb/>
Sendet uns leer hinweg; man &#x017F;chenkt uns wenig&#x017F;tens Ein Stu&#x0364;ck:<lb/>
Ein dreifu&#x0364;ßig Ge&#x017F;chirr von Kupfer, oder ein Becken,<lb/>
Oder ein Joch Maulthiere, auch wohl einen goldenen Becher.</p><lb/>
        <p>Und der ver&#x017F;ta&#x0364;ndige Ju&#x0364;ngling Ta&#x0364;lemachos &#x017F;agte dagegen; <note place="right">85</note><lb/>
Atreus go&#x0364;ttlicher Sohn Menelaos, Fu&#x0364;hrer der Vo&#x0364;lker,<lb/>
Jezo eil' ich zuru&#x0364;ck zu dem Un&#x017F;rigen; (denn da ich abfuhr,<lb/>
Ließ ich Niemand im Hau&#x017F;e, mein Eigenthum zu bewahren:)<lb/>
Daß ich, den Vater &#x017F;uchend, nicht &#x017F;elber das Leben verliere,<lb/>
Oder ein ko&#x0364;&#x017F;tliches Gut aus meinem Hau&#x017F;e ver&#x017F;chwinde. <note place="right">90</note></p><lb/>
        <p>Als er &#x017F;olches vernommen, der Rufer im Streit Menelaos,<lb/>
Rief er &#x017F;chnell der Gemahlin und ihren Ma&#x0364;gden, im Saale<lb/>
Hurtig ein Mahl zu bereiten vom reichlichge&#x017F;ammelten Vorrat.<lb/>
Jezo nahte &#x017F;ich auch Boa&#x0364;thos Sohn Eteoneus,<lb/>
Seinem Lager ent&#x017F;tiegen; er wohnte nicht ferne vom Ko&#x0364;nig. <note place="right">95</note><lb/>
Die&#x017F;em befahl der Held Menelaos, Feuer zu machen,<lb/>
Und des Flei&#x017F;ches zu braten; und &#x017F;chnell gehorcht' er dem Worte.<lb/>
Hierauf &#x017F;tieg er hinab ins duftende hohe Gewo&#x0364;lbe:<lb/>
Nicht er allein; mit ihm ging Helena und Megapentha&#x0364;s.<lb/>
Als &#x017F;ie die Kammer erreicht, wo &#x017F;eine Kleinode lagen, <note place="right">100</note><lb/>
Nahm Menelaos Atreida&#x0364;s &#x017F;ich einen doppelten Becher,<lb/>
Reichte dann &#x017F;eines Sohns Megapentha&#x0364;s Ha&#x0364;nden zu tragen<lb/>
Einen &#x017F;ilbernen Kelch; und Helena trat zu den Ki&#x017F;ten,<lb/>
Wo &#x017F;ie die &#x017F;cho&#x0364;nen Gewande verwahrt, die &#x017F;ie &#x017F;elber gewirket.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[286/0292] Oduͤßee. Freudigkeit fuͤhlt der Gaſt und hoͤheren Mut und Erquickung, Der, mit Speiſe geſtaͤrkt, in ferne Laͤnder verreiſet. Haſt du auch Luſt, umher durch Hellas und Argos zu reiſen; Warte, bis ich die Roß' anſpanne, dich ſelber begleite, Und zu jeglicher Stadt hinfuͤhre. Keines der Voͤlker Sendet uns leer hinweg; man ſchenkt uns wenigſtens Ein Stuͤck: Ein dreifuͤßig Geſchirr von Kupfer, oder ein Becken, Oder ein Joch Maulthiere, auch wohl einen goldenen Becher. 80 Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen; Atreus goͤttlicher Sohn Menelaos, Fuͤhrer der Voͤlker, Jezo eil' ich zuruͤck zu dem Unſrigen; (denn da ich abfuhr, Ließ ich Niemand im Hauſe, mein Eigenthum zu bewahren:) Daß ich, den Vater ſuchend, nicht ſelber das Leben verliere, Oder ein koͤſtliches Gut aus meinem Hauſe verſchwinde. 85 90 Als er ſolches vernommen, der Rufer im Streit Menelaos, Rief er ſchnell der Gemahlin und ihren Maͤgden, im Saale Hurtig ein Mahl zu bereiten vom reichlichgeſammelten Vorrat. Jezo nahte ſich auch Boaͤthos Sohn Eteoneus, Seinem Lager entſtiegen; er wohnte nicht ferne vom Koͤnig. Dieſem befahl der Held Menelaos, Feuer zu machen, Und des Fleiſches zu braten; und ſchnell gehorcht' er dem Worte. Hierauf ſtieg er hinab ins duftende hohe Gewoͤlbe: Nicht er allein; mit ihm ging Helena und Megapenthaͤs. Als ſie die Kammer erreicht, wo ſeine Kleinode lagen, Nahm Menelaos Atreidaͤs ſich einen doppelten Becher, Reichte dann ſeines Sohns Megapenthaͤs Haͤnden zu tragen Einen ſilbernen Kelch; und Helena trat zu den Kiſten, Wo ſie die ſchoͤnen Gewande verwahrt, die ſie ſelber gewirket. 95 100

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/292
Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/292>, abgerufen am 21.05.2024.