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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Elfter Gesang.
Und befestigten sie; denn unbefestiget konnten
Beide, wie stark sie auch waren, die große Thäbai nicht schüzen. 265

Hierauf kam Alkmänä, Amfütrions Ehegenoßin,
Welche den Allbesieger, den löwenbeherzten Härakläs
Hatte geboren, aus Zeus, des großen Kroniden, Umarmung.
Auch Megarä, die Tochter des übermütigen Kreions,
Und des nimmerbezwungnen Amfitrüoniden Gemahlin. 270

Hierauf kam Epikastä, die schöne, Oedipus Mutter,
Welche die schrecklichste That mit geblendeter Seele verübet.
Ihren leiblichen Sohn, der seinen Vater ermordet,
Nahm sie zum Mann! Allein bald rügten die Götter die Schandthat.
Oedipus herschte, mit Kummer behäuft, in der lieblichen Thäbai, 275
Ueber Kadmos Geschlecht, durch der Götter verderblichen Rathschluß.
Aber sie fuhr hinab zu den festen Thoren des Todes,
Denn sie knüpft' an das hohe Gebälk, in der Wut der Verzweiflung,
Selbst das erdroßelnde Seil, und ließ unnennbares Elend
Jenem zurück, den Fluch der blutgeschändeten Mutter. 280

Jezo nahte sich Chloris, die schöne Gemahlin von Näleus.
Mit unzähligen Gaben gewann er die schönste der Jungfraun,
Sie, die jüngste Tochter des Jasiden Amsions,
Welcher der Minüer Stadt Orchomenos mächtig beherschte.
Pülos Fürstin gebar dem Näleus herliche Söhne, 285
Nestor gebar sie ihm, und Chromios, und den berühmten
Periklümenos; drauf die weitbewunderte Päro.
Diese liebeten alle benachbarten Fürsten; doch Näleus
Gab sie keinem, der nicht des mächtigen Königs Ifikläs
Breitgestirnete Rinder aus Fülakä's Auen entführte. 290
Schwer war die That, und nur der trefliche Seher Melampus

Elfter Geſang.
Und befeſtigten ſie; denn unbefeſtiget konnten
Beide, wie ſtark ſie auch waren, die große Thaͤbai nicht ſchuͤzen. 265

Hierauf kam Alkmaͤnaͤ, Amfuͤtrions Ehegenoßin,
Welche den Allbeſieger, den loͤwenbeherzten Haͤraklaͤs
Hatte geboren, aus Zeus, des großen Kroniden, Umarmung.
Auch Megaraͤ, die Tochter des uͤbermuͤtigen Kreions,
Und des nimmerbezwungnen Amfitruͤoniden Gemahlin. 270

Hierauf kam Epikaſtaͤ, die ſchoͤne, Oedipus Mutter,
Welche die ſchrecklichſte That mit geblendeter Seele veruͤbet.
Ihren leiblichen Sohn, der ſeinen Vater ermordet,
Nahm ſie zum Mann! Allein bald ruͤgten die Goͤtter die Schandthat.
Oedipus herſchte, mit Kummer behaͤuft, in der lieblichen Thaͤbai, 275
Ueber Kadmos Geſchlecht, durch der Goͤtter verderblichen Rathſchluß.
Aber ſie fuhr hinab zu den feſten Thoren des Todes,
Denn ſie knuͤpft' an das hohe Gebaͤlk, in der Wut der Verzweiflung,
Selbſt das erdroßelnde Seil, und ließ unnennbares Elend
Jenem zuruͤck, den Fluch der blutgeſchaͤndeten Mutter. 280

Jezo nahte ſich Chloris, die ſchoͤne Gemahlin von Naͤleus.
Mit unzaͤhligen Gaben gewann er die ſchoͤnſte der Jungfraun,
Sie, die juͤngſte Tochter des Jaſiden Amſions,
Welcher der Minuͤer Stadt Orchomenos maͤchtig beherſchte.
Puͤlos Fuͤrſtin gebar dem Naͤleus herliche Soͤhne, 285
Neſtor gebar ſie ihm, und Chromios, und den beruͤhmten
Perikluͤmenos; drauf die weitbewunderte Paͤro.
Dieſe liebeten alle benachbarten Fuͤrſten; doch Naͤleus
Gab ſie keinem, der nicht des maͤchtigen Koͤnigs Ifiklaͤs
Breitgeſtirnete Rinder aus Fuͤlakaͤ's Auen entfuͤhrte. 290
Schwer war die That, und nur der trefliche Seher Melampus

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[215/0221] Elfter Geſang. Und befeſtigten ſie; denn unbefeſtiget konnten Beide, wie ſtark ſie auch waren, die große Thaͤbai nicht ſchuͤzen. 265 Hierauf kam Alkmaͤnaͤ, Amfuͤtrions Ehegenoßin, Welche den Allbeſieger, den loͤwenbeherzten Haͤraklaͤs Hatte geboren, aus Zeus, des großen Kroniden, Umarmung. Auch Megaraͤ, die Tochter des uͤbermuͤtigen Kreions, Und des nimmerbezwungnen Amfitruͤoniden Gemahlin. 270 Hierauf kam Epikaſtaͤ, die ſchoͤne, Oedipus Mutter, Welche die ſchrecklichſte That mit geblendeter Seele veruͤbet. Ihren leiblichen Sohn, der ſeinen Vater ermordet, Nahm ſie zum Mann! Allein bald ruͤgten die Goͤtter die Schandthat. Oedipus herſchte, mit Kummer behaͤuft, in der lieblichen Thaͤbai, Ueber Kadmos Geſchlecht, durch der Goͤtter verderblichen Rathſchluß. Aber ſie fuhr hinab zu den feſten Thoren des Todes, Denn ſie knuͤpft' an das hohe Gebaͤlk, in der Wut der Verzweiflung, Selbſt das erdroßelnde Seil, und ließ unnennbares Elend Jenem zuruͤck, den Fluch der blutgeſchaͤndeten Mutter. 275 280 Jezo nahte ſich Chloris, die ſchoͤne Gemahlin von Naͤleus. Mit unzaͤhligen Gaben gewann er die ſchoͤnſte der Jungfraun, Sie, die juͤngſte Tochter des Jaſiden Amſions, Welcher der Minuͤer Stadt Orchomenos maͤchtig beherſchte. Puͤlos Fuͤrſtin gebar dem Naͤleus herliche Soͤhne, Neſtor gebar ſie ihm, und Chromios, und den beruͤhmten Perikluͤmenos; drauf die weitbewunderte Paͤro. Dieſe liebeten alle benachbarten Fuͤrſten; doch Naͤleus Gab ſie keinem, der nicht des maͤchtigen Koͤnigs Ifiklaͤs Breitgeſtirnete Rinder aus Fuͤlakaͤ's Auen entfuͤhrte. Schwer war die That, und nur der trefliche Seher Melampus 285 290

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/221>, abgerufen am 04.05.2024.