Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Odüßee.
Aber bist du im Schiffe den Ozean jezo durchsegelt, V. 508.
Und an dem niedern Gestad' und den Hainen Persefoneiens,
Voll unfruchtbarer Weiden und hoher Erlen und Pappeln; 510
Lande dort mit dem Schiff' an des Ozeans tiefem Gestrudel,
Und dann gehe du selber zu Aidäs dumpfer Behausung.
Wo in den Acheron sich der Püriflegethon stürzet,
Und der Strom Kokütos, ein Arm der stügischen Waßer,
An dem Fels, wo die zween lautbrausenden Ströme sich mischen; 515
Nahe bei diesem Orte gebiet' ich dir, edler Odüßeus,
Eine Grube zu graben, von einer Ell' ins Gevierte.
Rings um die Grube geuß Sühnopfer für alle Todten:
Erst von Honig und Milch, von süßem Weine das zweite,
Und das dritte von Waßer, mit weißem Mehle bestreuet. 520
Dann gelobe flehend den Luftgebilden der Todten:
Wenn du gen Ithaka kommst, eine Kuh, unfruchtbar und fehllos,
In dem Palaste zu opfern, und köstliches Gut zu verbrennen,
Und für Teiresias noch besonders den statlichsten Widder
Eurer ganzen Heerde, von schwarzer Farbe, zu schlachten. 525
Hast du den herlichen Schaaren der Todten geflehet, dann opfre
Einen Bock und ein Schaf von ungezeichneter Schwärze,
Ihre Häupter gekehrt zum Erebos; aber du selber
Wende dein Antliz zurück nach den Fluten des Stromes. Dann werden
Viele Seelen kommen der abgeschiedenen Todten. 530

V. 508. Der Ozean ist hier der Ozeanfluß, oder die Meerenge zwischen Eu-
ropa und Afrika, die sich Homer so nahe hinter Sizilien dachte. Sobald man [an]
das Ozeanmeer kömmt, das sich nordwärts bis nach dem kaspischen Meere erstre[ckt]
findet man eine Lücke in dem hohen Felsengestade, ein niedriges Ufer, welches der
Eingang zum Schattenreiche ist.

Oduͤßee.
Aber biſt du im Schiffe den Ozean jezo durchſegelt, V. 508.
Und an dem niedern Geſtad' und den Hainen Perſefoneiens,
Voll unfruchtbarer Weiden und hoher Erlen und Pappeln; 510
Lande dort mit dem Schiff' an des Ozeans tiefem Geſtrudel,
Und dann gehe du ſelber zu Aïdaͤs dumpfer Behauſung.
Wo in den Acheron ſich der Puͤriflegethon ſtuͤrzet,
Und der Strom Kokuͤtos, ein Arm der ſtuͤgiſchen Waßer,
An dem Fels, wo die zween lautbrauſenden Stroͤme ſich miſchen; 515
Nahe bei dieſem Orte gebiet' ich dir, edler Oduͤßeus,
Eine Grube zu graben, von einer Ell' ins Gevierte.
Rings um die Grube geuß Suͤhnopfer fuͤr alle Todten:
Erſt von Honig und Milch, von ſuͤßem Weine das zweite,
Und das dritte von Waßer, mit weißem Mehle beſtreuet. 520
Dann gelobe flehend den Luftgebilden der Todten:
Wenn du gen Ithaka kommſt, eine Kuh, unfruchtbar und fehllos,
In dem Palaſte zu opfern, und koͤſtliches Gut zu verbrennen,
Und fuͤr Teireſias noch beſonders den ſtatlichſten Widder
Eurer ganzen Heerde, von ſchwarzer Farbe, zu ſchlachten. 525
Haſt du den herlichen Schaaren der Todten geflehet, dann opfre
Einen Bock und ein Schaf von ungezeichneter Schwaͤrze,
Ihre Haͤupter gekehrt zum Erebos; aber du ſelber
Wende dein Antliz zuruͤck nach den Fluten des Stromes. Dann werden
Viele Seelen kommen der abgeſchiedenen Todten. 530

V. 508. Der Ozean iſt hier der Ozeanfluß, oder die Meerenge zwiſchen Eu-
ropa und Afrika, die ſich Homer ſo nahe hinter Sizilien dachte. Sobald man [an]
das Ozeanmeer koͤmmt, das ſich nordwaͤrts bis nach dem kaspiſchen Meere erſtre[ckt]
findet man eine Luͤcke in dem hohen Felſengeſtade, ein niedriges Ufer, welches der
Eingang zum Schattenreiche iſt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0208" n="202"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Odu&#x0364;ßee.</hi></fw><lb/>
Aber bi&#x017F;t du im Schiffe den Ozean jezo durch&#x017F;egelt, <note place="foot" n="V. 508.">Der Ozean i&#x017F;t hier der Ozeanfluß, oder die Meerenge zwi&#x017F;chen Eu-<lb/>
ropa und Afrika, die &#x017F;ich Homer &#x017F;o nahe hinter Sizilien dachte. Sobald man <supplied>an</supplied><lb/>
das Ozeanmeer ko&#x0364;mmt, das &#x017F;ich nordwa&#x0364;rts bis nach dem kaspi&#x017F;chen Meere er&#x017F;tre<supplied>ckt</supplied><lb/>
findet man eine Lu&#x0364;cke in dem hohen Fel&#x017F;enge&#x017F;tade, ein niedriges Ufer, welches der<lb/>
Eingang zum Schattenreiche i&#x017F;t.</note><lb/>
Und an dem niedern Ge&#x017F;tad' und den Hainen Per&#x017F;efoneiens,<lb/>
Voll unfruchtbarer Weiden und hoher Erlen und Pappeln; <note place="right">510</note><lb/>
Lande dort mit dem Schiff' an des Ozeans tiefem Ge&#x017F;trudel,<lb/>
Und dann gehe du &#x017F;elber zu Aïda&#x0364;s dumpfer Behau&#x017F;ung.<lb/>
Wo in den Acheron &#x017F;ich der Pu&#x0364;riflegethon &#x017F;tu&#x0364;rzet,<lb/>
Und der Strom Koku&#x0364;tos, ein Arm der &#x017F;tu&#x0364;gi&#x017F;chen Waßer,<lb/>
An dem Fels, wo die zween lautbrau&#x017F;enden Stro&#x0364;me &#x017F;ich mi&#x017F;chen; <note place="right">515</note><lb/>
Nahe bei die&#x017F;em Orte gebiet' ich dir, edler Odu&#x0364;ßeus,<lb/>
Eine Grube zu graben, von einer Ell' ins Gevierte.<lb/>
Rings um die Grube geuß Su&#x0364;hnopfer fu&#x0364;r alle Todten:<lb/>
Er&#x017F;t von Honig und Milch, von &#x017F;u&#x0364;ßem Weine das zweite,<lb/>
Und das dritte von Waßer, mit weißem Mehle be&#x017F;treuet. <note place="right">520</note><lb/>
Dann gelobe flehend den Luftgebilden der Todten:<lb/>
Wenn du gen Ithaka komm&#x017F;t, eine Kuh, unfruchtbar und fehllos,<lb/>
In dem Pala&#x017F;te zu opfern, und ko&#x0364;&#x017F;tliches Gut zu verbrennen,<lb/>
Und fu&#x0364;r Teire&#x017F;ias noch be&#x017F;onders den &#x017F;tatlich&#x017F;ten Widder<lb/>
Eurer ganzen Heerde, von &#x017F;chwarzer Farbe, zu &#x017F;chlachten. <note place="right">525</note><lb/>
Ha&#x017F;t du den herlichen Schaaren der Todten geflehet, dann opfre<lb/>
Einen Bock und ein Schaf von ungezeichneter Schwa&#x0364;rze,<lb/>
Ihre Ha&#x0364;upter gekehrt zum Erebos; aber du &#x017F;elber<lb/>
Wende dein Antliz zuru&#x0364;ck nach den Fluten des Stromes. Dann werden<lb/>
Viele Seelen kommen der abge&#x017F;chiedenen Todten. <note place="right">530</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0208] Oduͤßee. Aber biſt du im Schiffe den Ozean jezo durchſegelt, V. 508. Und an dem niedern Geſtad' und den Hainen Perſefoneiens, Voll unfruchtbarer Weiden und hoher Erlen und Pappeln; Lande dort mit dem Schiff' an des Ozeans tiefem Geſtrudel, Und dann gehe du ſelber zu Aïdaͤs dumpfer Behauſung. Wo in den Acheron ſich der Puͤriflegethon ſtuͤrzet, Und der Strom Kokuͤtos, ein Arm der ſtuͤgiſchen Waßer, An dem Fels, wo die zween lautbrauſenden Stroͤme ſich miſchen; Nahe bei dieſem Orte gebiet' ich dir, edler Oduͤßeus, Eine Grube zu graben, von einer Ell' ins Gevierte. Rings um die Grube geuß Suͤhnopfer fuͤr alle Todten: Erſt von Honig und Milch, von ſuͤßem Weine das zweite, Und das dritte von Waßer, mit weißem Mehle beſtreuet. Dann gelobe flehend den Luftgebilden der Todten: Wenn du gen Ithaka kommſt, eine Kuh, unfruchtbar und fehllos, In dem Palaſte zu opfern, und koͤſtliches Gut zu verbrennen, Und fuͤr Teireſias noch beſonders den ſtatlichſten Widder Eurer ganzen Heerde, von ſchwarzer Farbe, zu ſchlachten. Haſt du den herlichen Schaaren der Todten geflehet, dann opfre Einen Bock und ein Schaf von ungezeichneter Schwaͤrze, Ihre Haͤupter gekehrt zum Erebos; aber du ſelber Wende dein Antliz zuruͤck nach den Fluten des Stromes. Dann werden Viele Seelen kommen der abgeſchiedenen Todten. 510 515 520 525 530 V. 508. Der Ozean iſt hier der Ozeanfluß, oder die Meerenge zwiſchen Eu- ropa und Afrika, die ſich Homer ſo nahe hinter Sizilien dachte. Sobald man an das Ozeanmeer koͤmmt, das ſich nordwaͤrts bis nach dem kaspiſchen Meere erſtreckt findet man eine Luͤcke in dem hohen Felſengeſtade, ein niedriges Ufer, welches der Eingang zum Schattenreiche iſt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/208
Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/208>, abgerufen am 21.11.2024.