Sage mir, Muse, die Thaten des vielgewanderten Mannes, V. 1. Welcher so weit geirrt, nach der heiligen Troja Zerstörung, Vieler Menschen Städte gesehn, und Sitte gelernt hat, Und auf dem Meere so viel' unnennbare Leiden erduldet, Seine Seele zu retten, und seiner Freunde Zurückkunft. 5 Aber die Freunde rettet' er nicht, wie eifrig er strebte; Denn sie bereiteten selbst durch Missethat ihr Verderben: Thoren! welche die Rinder des hohen Sonnenbeherschers V. 8. Schlachteten; siehe, der Gott nahm ihnen den Tag der Zurückkunft. Sage hievon auch uns ein weniges, Tochter Kronions. V. 10.10
Alle die andern, so viel dem verderbenden Schicksal entflohen, Waren jezo daheim, dem Krieg' entflohn und dem Meere: Ihn allein, der so herzlich zur Heimat und Gattin sich sehnte, Hielt die unsterbliche Nümfe, die hehre Göttin Kalüpso, In der gewölbeten Grotte, und wünschte sich ihn zum Gemahle. 15 Selbst da das Jahr nun kam im kreisenden Laufe der Zeiten,
V. 1. vielgewanderten. Die Gründe, warum ich hier und anderswo von den angenommenen Erklärungen abweiche, werde ich den Kennern der griechischen Sprache an einem schicklichern Orte vorlegen.
V. 8. Der Sonnengott hieß bei den alten Griechen Hälios, und nicht Föbos.
V. 10. Kronion hieß Zeus, ein Sohn des Kronos oder Saturnus.
Oduͤßee. Erſter Geſang.
Sage mir, Muſe, die Thaten des vielgewanderten Mannes, V. 1. Welcher ſo weit geirrt, nach der heiligen Troja Zerſtoͤrung, Vieler Menſchen Staͤdte geſehn, und Sitte gelernt hat, Und auf dem Meere ſo viel' unnennbare Leiden erduldet, Seine Seele zu retten, und ſeiner Freunde Zuruͤckkunft. 5 Aber die Freunde rettet' er nicht, wie eifrig er ſtrebte; Denn ſie bereiteten ſelbſt durch Miſſethat ihr Verderben: Thoren! welche die Rinder des hohen Sonnenbeherſchers V. 8. Schlachteten; ſiehe, der Gott nahm ihnen den Tag der Zuruͤckkunft. Sage hievon auch uns ein weniges, Tochter Kronions. V. 10.10
Alle die andern, ſo viel dem verderbenden Schickſal entflohen, Waren jezo daheim, dem Krieg' entflohn und dem Meere: Ihn allein, der ſo herzlich zur Heimat und Gattin ſich ſehnte, Hielt die unſterbliche Nuͤmfe, die hehre Goͤttin Kaluͤpſo, In der gewoͤlbeten Grotte, und wuͤnſchte ſich ihn zum Gemahle. 15 Selbſt da das Jahr nun kam im kreiſenden Laufe der Zeiten,
V. 1. vielgewanderten. Die Gruͤnde, warum ich hier und anderswo von den angenommenen Erklaͤrungen abweiche, werde ich den Kennern der griechiſchen Sprache an einem ſchicklichern Orte vorlegen.
V. 8. Der Sonnengott hieß bei den alten Griechen Haͤlios, und nicht Foͤbos.
V. 10. Kronion hieß Zeus, ein Sohn des Kronos oder Saturnus.
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Oduͤßee.
Erſter Geſang.
Sage mir, Muſe, die Thaten des vielgewanderten Mannes, V. 1.
Welcher ſo weit geirrt, nach der heiligen Troja Zerſtoͤrung,
Vieler Menſchen Staͤdte geſehn, und Sitte gelernt hat,
Und auf dem Meere ſo viel' unnennbare Leiden erduldet,
Seine Seele zu retten, und ſeiner Freunde Zuruͤckkunft.
Aber die Freunde rettet' er nicht, wie eifrig er ſtrebte;
Denn ſie bereiteten ſelbſt durch Miſſethat ihr Verderben:
Thoren! welche die Rinder des hohen Sonnenbeherſchers V. 8.
Schlachteten; ſiehe, der Gott nahm ihnen den Tag der Zuruͤckkunft.
Sage hievon auch uns ein weniges, Tochter Kronions. V. 10.
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Alle die andern, ſo viel dem verderbenden Schickſal entflohen,
Waren jezo daheim, dem Krieg' entflohn und dem Meere:
Ihn allein, der ſo herzlich zur Heimat und Gattin ſich ſehnte,
Hielt die unſterbliche Nuͤmfe, die hehre Goͤttin Kaluͤpſo,
In der gewoͤlbeten Grotte, und wuͤnſchte ſich ihn zum Gemahle.
Selbſt da das Jahr nun kam im kreiſenden Laufe der Zeiten,
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V. 1. vielgewanderten. Die Gruͤnde, warum ich hier und anderswo von
den angenommenen Erklaͤrungen abweiche, werde ich den Kennern der griechiſchen
Sprache an einem ſchicklichern Orte vorlegen.
V. 8. Der Sonnengott hieß bei den alten Griechen Haͤlios, und nicht Foͤbos.
V. 10. Kronion hieß Zeus, ein Sohn des Kronos oder Saturnus.
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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. [9]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/15>, abgerufen am 21.11.2024.
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