Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechster Gesang.
Und Nausikaa trug die köstlichen feinen Gewande
Aus der Kammer, und legte sie auf den zierlichen Wagen. 75
Aber die Mutter legt' ihr allerlei süßes Gebacknes
Und Gemüs' in ein Körbchen, und gab ihr des edelsten Weines
Im geißledernen Schlauch; (und die Jungfrau stieg auf den Wagen;)
Gab ihr auch geschmeidiges Oel in goldener Flasche,
Daß sie sich nach dem Bade mit ihren Gehülfinnen salbte. 80
Und Nausikaa nahm die Geißel und purpurnen Zügel;
Treibend schwang sie die Geißel: und hurtig mit lautem Gepolter
Trabten die Mäuler dahin, und zogen die Wäsch' und die Jungfrau,
Nicht sie allein, sie wurde von ihren Mägden begleitet.

Als sie nun das Gestade des herlichen Stromes erreichten, 85
Wo sich in rinnende Spülen die nimmerversiegende Fülle
Schöner Gewäßer ergoß, die schmuzigsten Flecken zu säubern;
Spannten die Jungfraun schnell von des Wagens Deichsel die Mäuler,
Ließen sie an dem Gestade des silberwirbelnden Stromes
Weiden im süßen Klee, und nahmen vom Wagen die Kleidung, 90
Trugen sie Stück vor Stück in der Gruben dunkles Gewäßer,
Stampften sie drein mit den Füßen, und eiferten unter einander.
Als sie ihr Zeug nun gewaschen und alle Flecken gereinigt,
Breiteten sies in Reihen am warmen Ufer des Meeres,
Wo die Woge den Strand mit glatten Kieseln bespület. 95
Und nachdem sie gebadet und sich mit Oele gesalbet,
Sezten sie sich zum Mahl am grünen Gestade des Stromes,
Harrend, bis ihre Gewand' am Strale der Sonne getrocknet.
Als sich Nausikaa jezt und die Dirnen mit Speise gesättigt,
Spieleten sie mit dem Ball, und nahmen die Schleier vom Haupte. 100
Unter den Fröhlichen hub die schöne Fürstin ein Lied an.

Sechſter Geſang.
Und Nauſikaa trug die koͤſtlichen feinen Gewande
Aus der Kammer, und legte ſie auf den zierlichen Wagen. 75
Aber die Mutter legt' ihr allerlei ſuͤßes Gebacknes
Und Gemuͤſ' in ein Koͤrbchen, und gab ihr des edelſten Weines
Im geißledernen Schlauch; (und die Jungfrau ſtieg auf den Wagen;)
Gab ihr auch geſchmeidiges Oel in goldener Flaſche,
Daß ſie ſich nach dem Bade mit ihren Gehuͤlfinnen ſalbte. 80
Und Nauſikaa nahm die Geißel und purpurnen Zuͤgel;
Treibend ſchwang ſie die Geißel: und hurtig mit lautem Gepolter
Trabten die Maͤuler dahin, und zogen die Waͤſch' und die Jungfrau,
Nicht ſie allein, ſie wurde von ihren Maͤgden begleitet.

Als ſie nun das Geſtade des herlichen Stromes erreichten, 85
Wo ſich in rinnende Spuͤlen die nimmerverſiegende Fuͤlle
Schoͤner Gewaͤßer ergoß, die ſchmuzigſten Flecken zu ſaͤubern;
Spannten die Jungfraun ſchnell von des Wagens Deichſel die Maͤuler,
Ließen ſie an dem Geſtade des ſilberwirbelnden Stromes
Weiden im ſuͤßen Klee, und nahmen vom Wagen die Kleidung, 90
Trugen ſie Stuͤck vor Stuͤck in der Gruben dunkles Gewaͤßer,
Stampften ſie drein mit den Fuͤßen, und eiferten unter einander.
Als ſie ihr Zeug nun gewaſchen und alle Flecken gereinigt,
Breiteten ſies in Reihen am warmen Ufer des Meeres,
Wo die Woge den Strand mit glatten Kieſeln beſpuͤlet. 95
Und nachdem ſie gebadet und ſich mit Oele geſalbet,
Sezten ſie ſich zum Mahl am gruͤnen Geſtade des Stromes,
Harrend, bis ihre Gewand' am Strale der Sonne getrocknet.
Als ſich Nauſikaa jezt und die Dirnen mit Speiſe geſaͤttigt,
Spieleten ſie mit dem Ball, und nahmen die Schleier vom Haupte. 100
Unter den Froͤhlichen hub die ſchoͤne Fuͤrſtin ein Lied an.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0123" n="117"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sech&#x017F;ter Ge&#x017F;ang.</hi></fw><lb/>
Und Nau&#x017F;ikaa trug die ko&#x0364;&#x017F;tlichen feinen Gewande<lb/>
Aus der Kammer, und legte &#x017F;ie auf den zierlichen Wagen. <note place="right">75</note><lb/>
Aber die Mutter legt' ihr allerlei &#x017F;u&#x0364;ßes Gebacknes<lb/>
Und Gemu&#x0364;&#x017F;' in ein Ko&#x0364;rbchen, und gab ihr des edel&#x017F;ten Weines<lb/>
Im geißledernen Schlauch; (und die Jungfrau &#x017F;tieg auf den Wagen;)<lb/>
Gab ihr auch ge&#x017F;chmeidiges Oel in goldener Fla&#x017F;che,<lb/>
Daß &#x017F;ie &#x017F;ich nach dem Bade mit ihren Gehu&#x0364;lfinnen &#x017F;albte. <note place="right">80</note><lb/>
Und Nau&#x017F;ikaa nahm die Geißel und purpurnen Zu&#x0364;gel;<lb/>
Treibend &#x017F;chwang &#x017F;ie die Geißel: und hurtig mit lautem Gepolter<lb/>
Trabten die Ma&#x0364;uler dahin, und zogen die Wa&#x0364;&#x017F;ch' und die Jungfrau,<lb/>
Nicht &#x017F;ie allein, &#x017F;ie wurde von ihren Ma&#x0364;gden begleitet.</p><lb/>
        <p>Als &#x017F;ie nun das Ge&#x017F;tade des herlichen Stromes erreichten, <note place="right">85</note><lb/>
Wo &#x017F;ich in rinnende Spu&#x0364;len die nimmerver&#x017F;iegende Fu&#x0364;lle<lb/>
Scho&#x0364;ner Gewa&#x0364;ßer ergoß, die &#x017F;chmuzig&#x017F;ten Flecken zu &#x017F;a&#x0364;ubern;<lb/>
Spannten die Jungfraun &#x017F;chnell von des Wagens Deich&#x017F;el die Ma&#x0364;uler,<lb/>
Ließen &#x017F;ie an dem Ge&#x017F;tade des &#x017F;ilberwirbelnden Stromes<lb/>
Weiden im &#x017F;u&#x0364;ßen Klee, und nahmen vom Wagen die Kleidung, <note place="right">90</note><lb/>
Trugen &#x017F;ie Stu&#x0364;ck vor Stu&#x0364;ck in der Gruben dunkles Gewa&#x0364;ßer,<lb/>
Stampften &#x017F;ie drein mit den Fu&#x0364;ßen, und eiferten unter einander.<lb/>
Als &#x017F;ie ihr Zeug nun gewa&#x017F;chen und alle Flecken gereinigt,<lb/>
Breiteten &#x017F;ies in Reihen am warmen Ufer des Meeres,<lb/>
Wo die Woge den Strand mit glatten Kie&#x017F;eln be&#x017F;pu&#x0364;let. <note place="right">95</note><lb/>
Und nachdem &#x017F;ie gebadet und &#x017F;ich mit Oele ge&#x017F;albet,<lb/>
Sezten &#x017F;ie &#x017F;ich zum Mahl am gru&#x0364;nen Ge&#x017F;tade des Stromes,<lb/>
Harrend, bis ihre Gewand' am Strale der Sonne getrocknet.<lb/>
Als &#x017F;ich Nau&#x017F;ikaa jezt und die Dirnen mit Spei&#x017F;e ge&#x017F;a&#x0364;ttigt,<lb/>
Spieleten &#x017F;ie mit dem Ball, und nahmen die Schleier vom Haupte. <note place="right">100</note><lb/>
Unter den Fro&#x0364;hlichen hub die &#x017F;cho&#x0364;ne Fu&#x0364;r&#x017F;tin ein Lied an.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0123] Sechſter Geſang. Und Nauſikaa trug die koͤſtlichen feinen Gewande Aus der Kammer, und legte ſie auf den zierlichen Wagen. Aber die Mutter legt' ihr allerlei ſuͤßes Gebacknes Und Gemuͤſ' in ein Koͤrbchen, und gab ihr des edelſten Weines Im geißledernen Schlauch; (und die Jungfrau ſtieg auf den Wagen;) Gab ihr auch geſchmeidiges Oel in goldener Flaſche, Daß ſie ſich nach dem Bade mit ihren Gehuͤlfinnen ſalbte. Und Nauſikaa nahm die Geißel und purpurnen Zuͤgel; Treibend ſchwang ſie die Geißel: und hurtig mit lautem Gepolter Trabten die Maͤuler dahin, und zogen die Waͤſch' und die Jungfrau, Nicht ſie allein, ſie wurde von ihren Maͤgden begleitet. 75 80 Als ſie nun das Geſtade des herlichen Stromes erreichten, Wo ſich in rinnende Spuͤlen die nimmerverſiegende Fuͤlle Schoͤner Gewaͤßer ergoß, die ſchmuzigſten Flecken zu ſaͤubern; Spannten die Jungfraun ſchnell von des Wagens Deichſel die Maͤuler, Ließen ſie an dem Geſtade des ſilberwirbelnden Stromes Weiden im ſuͤßen Klee, und nahmen vom Wagen die Kleidung, Trugen ſie Stuͤck vor Stuͤck in der Gruben dunkles Gewaͤßer, Stampften ſie drein mit den Fuͤßen, und eiferten unter einander. Als ſie ihr Zeug nun gewaſchen und alle Flecken gereinigt, Breiteten ſies in Reihen am warmen Ufer des Meeres, Wo die Woge den Strand mit glatten Kieſeln beſpuͤlet. Und nachdem ſie gebadet und ſich mit Oele geſalbet, Sezten ſie ſich zum Mahl am gruͤnen Geſtade des Stromes, Harrend, bis ihre Gewand' am Strale der Sonne getrocknet. Als ſich Nauſikaa jezt und die Dirnen mit Speiſe geſaͤttigt, Spieleten ſie mit dem Ball, und nahmen die Schleier vom Haupte. Unter den Froͤhlichen hub die ſchoͤne Fuͤrſtin ein Lied an. 85 90 95 100

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/123
Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/123>, abgerufen am 05.05.2024.