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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Odüßee.
Pappelweiden und Erlen und wolkenberührender Tannen.
Viele waren von Alter verdorrt, und leichter zur Schiffahrt. 240
Als sie den Ort ihm gezeigt, voll hoher schattender Bäume;
Kehrte sie heim zur Grotte, die hehre Göttin Kalüpso.

Und er fällte die Bäum', und vollendete hurtig die Arbeit.
Zwanzig stürzt' er in allem, umhaute mit eherner Axt sie,
Schlichtete sie mit dem Beil, und nach dem Maaße der Richtschnur. 245
Jezo brachte sie Bohrer, die hehre Göttin Kalüpso.
Und er bohrte die Balken, und fügte sie wohl an einander,
Und verband nun den Floß mit ehernen Nägeln und Klammern.
Von der Größe, wie etwa ein kluger Meister im Schiffbau
Zimmern würde den Boden des breiten geräumigen Lastschiffs, 250
Baute den breiten Floß der erfindungsreiche Odüßeus.
Nun umstellt' er ihn dicht mit Pfälen, heftete Bohlen
Ringsherum, und schloß das Verdeck mit langen Brettern.
Drinnen erhob er den Mast, von der Segelstange durchkreuzet.
Endlich zimmert' er sich ein Steuer, die Fahrt zu lenken. 255
Beide Seiten des Floßes beschirmt' er mit weidenen Flechten
Gegen die rollende Flut; und füllte den Boden mit Ballast.
Jezo brachte sie Tücher, die hehre Göttin Kalüpso,
Segel davon zu schneiden; auch diese bereitet' er künstlich;
Band die Taue des Mastes und segelwendenden Seile; 260
Wälzte darauf mit Hebeln den Floß in die heilige Meersflut.

Jezt war der vierte Tag, an dem ward alles vollendet.
Und am fünften entließ ihn die hehre Göttin Kalüpso,
Frischgebadet, und angethan mit duftenden Kleidern.
Und sie legt' in den Floß zween Schläuche, voll schwärzliches Weines 265
Einen, und einen großen voll Waßer; und gab ihm zur Zehrung

Oduͤßee.
Pappelweiden und Erlen und wolkenberuͤhrender Tannen.
Viele waren von Alter verdorrt, und leichter zur Schiffahrt. 240
Als ſie den Ort ihm gezeigt, voll hoher ſchattender Baͤume;
Kehrte ſie heim zur Grotte, die hehre Goͤttin Kaluͤpſo.

Und er faͤllte die Baͤum', und vollendete hurtig die Arbeit.
Zwanzig ſtuͤrzt' er in allem, umhaute mit eherner Axt ſie,
Schlichtete ſie mit dem Beil, und nach dem Maaße der Richtſchnur. 245
Jezo brachte ſie Bohrer, die hehre Goͤttin Kaluͤpſo.
Und er bohrte die Balken, und fuͤgte ſie wohl an einander,
Und verband nun den Floß mit ehernen Naͤgeln und Klammern.
Von der Groͤße, wie etwa ein kluger Meiſter im Schiffbau
Zimmern wuͤrde den Boden des breiten geraͤumigen Laſtſchiffs, 250
Baute den breiten Floß der erfindungsreiche Oduͤßeus.
Nun umſtellt' er ihn dicht mit Pfaͤlen, heftete Bohlen
Ringsherum, und ſchloß das Verdeck mit langen Brettern.
Drinnen erhob er den Maſt, von der Segelſtange durchkreuzet.
Endlich zimmert' er ſich ein Steuer, die Fahrt zu lenken. 255
Beide Seiten des Floßes beſchirmt' er mit weidenen Flechten
Gegen die rollende Flut; und fuͤllte den Boden mit Ballaſt.
Jezo brachte ſie Tuͤcher, die hehre Goͤttin Kaluͤpſo,
Segel davon zu ſchneiden; auch dieſe bereitet' er kuͤnſtlich;
Band die Taue des Maſtes und ſegelwendenden Seile; 260
Waͤlzte darauf mit Hebeln den Floß in die heilige Meersflut.

Jezt war der vierte Tag, an dem ward alles vollendet.
Und am fuͤnften entließ ihn die hehre Goͤttin Kaluͤpſo,
Friſchgebadet, und angethan mit duftenden Kleidern.
Und ſie legt' in den Floß zween Schlaͤuche, voll ſchwaͤrzliches Weines 265
Einen, und einen großen voll Waßer; und gab ihm zur Zehrung

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[104/0110] Oduͤßee. Pappelweiden und Erlen und wolkenberuͤhrender Tannen. Viele waren von Alter verdorrt, und leichter zur Schiffahrt. Als ſie den Ort ihm gezeigt, voll hoher ſchattender Baͤume; Kehrte ſie heim zur Grotte, die hehre Goͤttin Kaluͤpſo. 240 Und er faͤllte die Baͤum', und vollendete hurtig die Arbeit. Zwanzig ſtuͤrzt' er in allem, umhaute mit eherner Axt ſie, Schlichtete ſie mit dem Beil, und nach dem Maaße der Richtſchnur. Jezo brachte ſie Bohrer, die hehre Goͤttin Kaluͤpſo. Und er bohrte die Balken, und fuͤgte ſie wohl an einander, Und verband nun den Floß mit ehernen Naͤgeln und Klammern. Von der Groͤße, wie etwa ein kluger Meiſter im Schiffbau Zimmern wuͤrde den Boden des breiten geraͤumigen Laſtſchiffs, Baute den breiten Floß der erfindungsreiche Oduͤßeus. Nun umſtellt' er ihn dicht mit Pfaͤlen, heftete Bohlen Ringsherum, und ſchloß das Verdeck mit langen Brettern. Drinnen erhob er den Maſt, von der Segelſtange durchkreuzet. Endlich zimmert' er ſich ein Steuer, die Fahrt zu lenken. Beide Seiten des Floßes beſchirmt' er mit weidenen Flechten Gegen die rollende Flut; und fuͤllte den Boden mit Ballaſt. Jezo brachte ſie Tuͤcher, die hehre Goͤttin Kaluͤpſo, Segel davon zu ſchneiden; auch dieſe bereitet' er kuͤnſtlich; Band die Taue des Maſtes und ſegelwendenden Seile; Waͤlzte darauf mit Hebeln den Floß in die heilige Meersflut. 245 250 255 260 Jezt war der vierte Tag, an dem ward alles vollendet. Und am fuͤnften entließ ihn die hehre Goͤttin Kaluͤpſo, Friſchgebadet, und angethan mit duftenden Kleidern. Und ſie legt' in den Floß zween Schlaͤuche, voll ſchwaͤrzliches Weines Einen, und einen großen voll Waßer; und gab ihm zur Zehrung 265

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/110>, abgerufen am 21.11.2024.