Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.Fünfter Gesang. Unermeßliche Flut? Ringsum ist keine der Städte,Wo man die Götter mit Opfern und Hekatomben begrüßet! Aber kein Himmlischer mag dem wetterleuchtenden Gotte Zeus entgegen sich stellen, noch seinen Willen vereiteln. Dieser sagt, es weile der Unglückseligste aller 105 Männer bei dir, die Priamos Stadt neun Jahre bekämpften, Und am zehnten darauf mit Ilions Beute zur Heimat Kehreten, aber Athänä durch Mißethaten erzürnten, Daß sie die Göttin mit Sturm und hohen Fluten verfolgte. Alle tapfern Gefährten versanken ihm dort in den Abgrund; 110 Aber er selbst kam hier, von Sturm und Woge geschleudert. Jezo gebeut dir der Gott, daß du ihn eilig entlaßest. Denn ihm ward nicht bestimmt, hier fern von den Seinen zu sterben; Sondern sein Schicksal ist, die Freunde wiederzuschauen, Und sein prächtiges Haus, und seiner Väter Gefilde. 115 Als er es sprach, da erschrak die hehre Göttin Kalüpso. Grausam seid ihr vor allen und neidisches Herzens, o Götter! V. 125. Dämätär, Ceres
Fuͤnfter Geſang. Unermeßliche Flut? Ringsum iſt keine der Staͤdte,Wo man die Goͤtter mit Opfern und Hekatomben begruͤßet! Aber kein Himmliſcher mag dem wetterleuchtenden Gotte Zeus entgegen ſich ſtellen, noch ſeinen Willen vereiteln. Dieſer ſagt, es weile der Ungluͤckſeligſte aller 105 Maͤnner bei dir, die Priamos Stadt neun Jahre bekaͤmpften, Und am zehnten darauf mit Ilions Beute zur Heimat Kehreten, aber Athaͤnaͤ durch Mißethaten erzuͤrnten, Daß ſie die Goͤttin mit Sturm und hohen Fluten verfolgte. Alle tapfern Gefaͤhrten verſanken ihm dort in den Abgrund; 110 Aber er ſelbſt kam hier, von Sturm und Woge geſchleudert. Jezo gebeut dir der Gott, daß du ihn eilig entlaßeſt. Denn ihm ward nicht beſtimmt, hier fern von den Seinen zu ſterben; Sondern ſein Schickſal iſt, die Freunde wiederzuſchauen, Und ſein praͤchtiges Haus, und ſeiner Vaͤter Gefilde. 115 Als er es ſprach, da erſchrak die hehre Goͤttin Kaluͤpſo. Grauſam ſeid ihr vor allen und neidiſches Herzens, o Goͤtter! V. 125. Daͤmaͤtaͤr, Ceres
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Fuͤnfter Geſang.
Unermeßliche Flut? Ringsum iſt keine der Staͤdte,
Wo man die Goͤtter mit Opfern und Hekatomben begruͤßet!
Aber kein Himmliſcher mag dem wetterleuchtenden Gotte
Zeus entgegen ſich ſtellen, noch ſeinen Willen vereiteln.
Dieſer ſagt, es weile der Ungluͤckſeligſte aller
Maͤnner bei dir, die Priamos Stadt neun Jahre bekaͤmpften,
Und am zehnten darauf mit Ilions Beute zur Heimat
Kehreten, aber Athaͤnaͤ durch Mißethaten erzuͤrnten,
Daß ſie die Goͤttin mit Sturm und hohen Fluten verfolgte.
Alle tapfern Gefaͤhrten verſanken ihm dort in den Abgrund;
Aber er ſelbſt kam hier, von Sturm und Woge geſchleudert.
Jezo gebeut dir der Gott, daß du ihn eilig entlaßeſt.
Denn ihm ward nicht beſtimmt, hier fern von den Seinen zu ſterben;
Sondern ſein Schickſal iſt, die Freunde wiederzuſchauen,
Und ſein praͤchtiges Haus, und ſeiner Vaͤter Gefilde.
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Als er es ſprach, da erſchrak die hehre Goͤttin Kaluͤpſo.
Und ſie redet' ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:
Grauſam ſeid ihr vor allen und neidiſches Herzens, o Goͤtter!
Jeglicher Goͤttin verargt ihr die oͤffentliche Vermaͤhlung
Mit dem ſterblichen Manne, den ſie zum Gatten erkohren.
Als den ſchoͤnen Orion die roſenarmige Aeos
Raubte, da zuͤrnetet ihr ſo lang', ihr ſeligen Goͤtter,
Bis in Ortuͤgia ihn die goldenthronende Jungfrau
Artemis ploͤzlich erlegte mit ihrem ſanften Geſchoße.
Als in Jaſions Arm die ſchoͤngelockte Daͤmaͤtaͤr, V. 125.
Ihrem Herzen gehorchend, auf dreimalgeackertem Saatfeld
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V. 125. Daͤmaͤtaͤr, Ceres
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