Brust, dagegen hatte ihn Inis Reinheit ver¬ wahrt.
Man begab sich nun in die Kunststätte des berühmtesten unter den Malern, so reich an Schildereien als jene in Werken aus Marmor, Pophir und Elfenbein. Voll hingen alle Wände, und die lebendigen, farbigen Gestalten, zogen des Jünglings Blicke noch mehr an. Gefällig erklärte ihm der Vorsteher Bedeutung und Werth. Die Malerei, hub er an, stieg vor mehr als einem halben Jahrtausend auf eine bedeutende Höhe, von welcher sie aber späterhin, aus man¬ nichfachen Ursachen, wieder herabsank. Im sieb¬ zehnten, achzehnten, neunzehnten Jahrhundert gab es durchaus weder einen Raphael, noch Ru¬ bens, noch Titian. Doch wenn die Ausführung krankte, rettete sich das Urtheil durch die un¬ fruchtbare Zeit, und bereitete vollkommenere Schöpfungen vor. Ein tiefdenkender Kunstrich¬ ter zu Ende des siebzehnten Jahrhunderts, maaß das Verdienst der ruhmvollen Maler, nach einer höchst sinnig entworfenen Tabelle ab, wo Zeich¬ nung, Zusammenstellung, Farbe und Ausdruck, unter gewiße Staffeln gebracht waren. Zwanzig Grade enthielt die Tabelle, den achzehnten nahm
Bruſt, dagegen hatte ihn Inis Reinheit ver¬ wahrt.
Man begab ſich nun in die Kunſtſtaͤtte des beruͤhmteſten unter den Malern, ſo reich an Schildereien als jene in Werken aus Marmor, Pophir und Elfenbein. Voll hingen alle Waͤnde, und die lebendigen, farbigen Geſtalten, zogen des Juͤnglings Blicke noch mehr an. Gefaͤllig erklaͤrte ihm der Vorſteher Bedeutung und Werth. Die Malerei, hub er an, ſtieg vor mehr als einem halben Jahrtauſend auf eine bedeutende Hoͤhe, von welcher ſie aber ſpaͤterhin, aus man¬ nichfachen Urſachen, wieder herabſank. Im ſieb¬ zehnten, achzehnten, neunzehnten Jahrhundert gab es durchaus weder einen Raphael, noch Ru¬ bens, noch Titian. Doch wenn die Ausfuͤhrung krankte, rettete ſich das Urtheil durch die un¬ fruchtbare Zeit, und bereitete vollkommenere Schoͤpfungen vor. Ein tiefdenkender Kunſtrich¬ ter zu Ende des ſiebzehnten Jahrhunderts, maaß das Verdienſt der ruhmvollen Maler, nach einer hoͤchſt ſinnig entworfenen Tabelle ab, wo Zeich¬ nung, Zuſammenſtellung, Farbe und Ausdruck, unter gewiße Staffeln gebracht waren. Zwanzig Grade enthielt die Tabelle, den achzehnten nahm
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0075"n="63"/>
Bruſt, dagegen hatte ihn Inis Reinheit ver¬<lb/>
wahrt.</p><lb/><p>Man begab ſich nun in die Kunſtſtaͤtte des<lb/>
beruͤhmteſten unter den Malern, ſo reich an<lb/>
Schildereien als jene in Werken aus Marmor,<lb/>
Pophir und Elfenbein. Voll hingen alle Waͤnde,<lb/>
und die lebendigen, farbigen Geſtalten, zogen<lb/>
des Juͤnglings Blicke noch mehr an. Gefaͤllig<lb/>
erklaͤrte ihm der Vorſteher Bedeutung und Werth.<lb/>
Die Malerei, hub er an, ſtieg vor mehr als<lb/>
einem halben Jahrtauſend auf eine bedeutende<lb/>
Hoͤhe, von welcher ſie aber ſpaͤterhin, aus man¬<lb/>
nichfachen Urſachen, wieder herabſank. Im ſieb¬<lb/>
zehnten, achzehnten, neunzehnten Jahrhundert<lb/>
gab es durchaus weder einen Raphael, noch Ru¬<lb/>
bens, noch Titian. Doch wenn die Ausfuͤhrung<lb/>
krankte, rettete ſich das Urtheil durch die un¬<lb/>
fruchtbare Zeit, und bereitete vollkommenere<lb/>
Schoͤpfungen vor. Ein tiefdenkender Kunſtrich¬<lb/>
ter zu Ende des ſiebzehnten Jahrhunderts, maaß<lb/>
das Verdienſt der ruhmvollen Maler, nach einer<lb/>
hoͤchſt ſinnig entworfenen Tabelle ab, wo Zeich¬<lb/>
nung, Zuſammenſtellung, Farbe und Ausdruck,<lb/>
unter gewiße Staffeln gebracht waren. Zwanzig<lb/>
Grade enthielt die Tabelle, den achzehnten nahm<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[63/0075]
Bruſt, dagegen hatte ihn Inis Reinheit ver¬
wahrt.
Man begab ſich nun in die Kunſtſtaͤtte des
beruͤhmteſten unter den Malern, ſo reich an
Schildereien als jene in Werken aus Marmor,
Pophir und Elfenbein. Voll hingen alle Waͤnde,
und die lebendigen, farbigen Geſtalten, zogen
des Juͤnglings Blicke noch mehr an. Gefaͤllig
erklaͤrte ihm der Vorſteher Bedeutung und Werth.
Die Malerei, hub er an, ſtieg vor mehr als
einem halben Jahrtauſend auf eine bedeutende
Hoͤhe, von welcher ſie aber ſpaͤterhin, aus man¬
nichfachen Urſachen, wieder herabſank. Im ſieb¬
zehnten, achzehnten, neunzehnten Jahrhundert
gab es durchaus weder einen Raphael, noch Ru¬
bens, noch Titian. Doch wenn die Ausfuͤhrung
krankte, rettete ſich das Urtheil durch die un¬
fruchtbare Zeit, und bereitete vollkommenere
Schoͤpfungen vor. Ein tiefdenkender Kunſtrich¬
ter zu Ende des ſiebzehnten Jahrhunderts, maaß
das Verdienſt der ruhmvollen Maler, nach einer
hoͤchſt ſinnig entworfenen Tabelle ab, wo Zeich¬
nung, Zuſammenſtellung, Farbe und Ausdruck,
unter gewiße Staffeln gebracht waren. Zwanzig
Grade enthielt die Tabelle, den achzehnten nahm
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/75>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.