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Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.

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Staates, mit der zunehmenden Komplikation seiner Bildung sprossen die Beamten hervor, die sich später so übermüthig geberden, als sei der Staat um ihretwegen, nicht aber sie um des Staates willen da. So besorgt also der junge Staat seine Geschäfte selbst, ohne Dazwischenkunft einer Kaste, welche sich in die Nähe des Staatsschatzes gruppirt; er befindet sich etwa in dem Stadium der direkten Selbstregierung in der Weise der schweizerischen Urkantone, wenn wir auch, ohne den letzteren wehe zu thun, behaupten dürfen, daß die Stufe der Civilisation, auf welcher sich der werdende Blasenträgerstaat befindet, unbedingt eine höhere sein müsse, als diejenige der verrotteten Stützen des Jesuitismus im Herzen Europa's.

Auch die Staatsgeschlechtstheile gehen den Blasenträgern in ihrer Jugend gänzlich ab. Der junge Staat ist durchaus atheistisch, irreligiös, ohne Spur von Kultus und darauf hindeutenden Gestalten; erst allmälig wird bei größerer Komplikation der Organisation die Nothwendigkeit empfunden, der Staatsmacht eine neue Stütze zu verleihen und zu diesem Endzwecke der offizielle Kultus und die Staatsreligion eingerichtet; - Zeichen der Altersschwäche und der abnehmenden sittlichen Kraft, die bis zur endlichen Auflösung des Staates mehr und mehr überhand nehmen.

Diese Auflösung ist traurig genug. Zuweilen erfolgt die Zerstörung rasch mit einem Schlage; - sie ist wie ein Gewittersturm, der mit rasender Schnelle über den Horizont heranjagt und in einem Nu seine vernichtenden Blitze schleudert. Diese Vernichtungsstürme gehen von den Proletariern aus, welche durch das stete Schweben zwischen Leben und Hungertod erbittert, plötzlich Schwimmblasen, Schluckmäuler, Deckplatten umschlingen und in rasender Wuth abreißen,

Staates, mit der zunehmenden Komplikation seiner Bildung sprossen die Beamten hervor, die sich später so übermüthig geberden, als sei der Staat um ihretwegen, nicht aber sie um des Staates willen da. So besorgt also der junge Staat seine Geschäfte selbst, ohne Dazwischenkunft einer Kaste, welche sich in die Nähe des Staatsschatzes gruppirt; er befindet sich etwa in dem Stadium der direkten Selbstregierung in der Weise der schweizerischen Urkantone, wenn wir auch, ohne den letzteren wehe zu thun, behaupten dürfen, daß die Stufe der Civilisation, auf welcher sich der werdende Blasenträgerstaat befindet, unbedingt eine höhere sein müsse, als diejenige der verrotteten Stützen des Jesuitismus im Herzen Europa’s.

Auch die Staatsgeschlechtstheile gehen den Blasenträgern in ihrer Jugend gänzlich ab. Der junge Staat ist durchaus atheistisch, irreligiös, ohne Spur von Kultus und darauf hindeutenden Gestalten; erst allmälig wird bei größerer Komplikation der Organisation die Nothwendigkeit empfunden, der Staatsmacht eine neue Stütze zu verleihen und zu diesem Endzwecke der offizielle Kultus und die Staatsreligion eingerichtet; – Zeichen der Altersschwäche und der abnehmenden sittlichen Kraft, die bis zur endlichen Auflösung des Staates mehr und mehr überhand nehmen.

Diese Auflösung ist traurig genug. Zuweilen erfolgt die Zerstörung rasch mit einem Schlage; – sie ist wie ein Gewittersturm, der mit rasender Schnelle über den Horizont heranjagt und in einem Nu seine vernichtenden Blitze schleudert. Diese Vernichtungsstürme gehen von den Proletariern aus, welche durch das stete Schweben zwischen Leben und Hungertod erbittert, plötzlich Schwimmblasen, Schluckmäuler, Deckplatten umschlingen und in rasender Wuth abreißen,

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Staates, mit der zunehmenden Komplikation seiner Bildung sprossen die Beamten hervor, die sich später so übermüthig geberden, als sei der Staat um ihretwegen, nicht aber sie um des Staates willen da. So besorgt also der junge Staat seine Geschäfte selbst, ohne Dazwischenkunft einer Kaste, welche sich in die Nähe des Staatsschatzes gruppirt; er befindet sich etwa in dem Stadium der direkten Selbstregierung in der Weise der schweizerischen Urkantone, wenn wir auch, ohne den letzteren wehe zu thun, behaupten dürfen, daß die Stufe der Civilisation, auf welcher sich der werdende Blasenträgerstaat befindet, unbedingt eine höhere sein müsse, als diejenige der verrotteten Stützen des Jesuitismus im Herzen Europa&#x2019;s.</p>
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[246/0276] Staates, mit der zunehmenden Komplikation seiner Bildung sprossen die Beamten hervor, die sich später so übermüthig geberden, als sei der Staat um ihretwegen, nicht aber sie um des Staates willen da. So besorgt also der junge Staat seine Geschäfte selbst, ohne Dazwischenkunft einer Kaste, welche sich in die Nähe des Staatsschatzes gruppirt; er befindet sich etwa in dem Stadium der direkten Selbstregierung in der Weise der schweizerischen Urkantone, wenn wir auch, ohne den letzteren wehe zu thun, behaupten dürfen, daß die Stufe der Civilisation, auf welcher sich der werdende Blasenträgerstaat befindet, unbedingt eine höhere sein müsse, als diejenige der verrotteten Stützen des Jesuitismus im Herzen Europa’s. Auch die Staatsgeschlechtstheile gehen den Blasenträgern in ihrer Jugend gänzlich ab. Der junge Staat ist durchaus atheistisch, irreligiös, ohne Spur von Kultus und darauf hindeutenden Gestalten; erst allmälig wird bei größerer Komplikation der Organisation die Nothwendigkeit empfunden, der Staatsmacht eine neue Stütze zu verleihen und zu diesem Endzwecke der offizielle Kultus und die Staatsreligion eingerichtet; – Zeichen der Altersschwäche und der abnehmenden sittlichen Kraft, die bis zur endlichen Auflösung des Staates mehr und mehr überhand nehmen. Diese Auflösung ist traurig genug. Zuweilen erfolgt die Zerstörung rasch mit einem Schlage; – sie ist wie ein Gewittersturm, der mit rasender Schnelle über den Horizont heranjagt und in einem Nu seine vernichtenden Blitze schleudert. Diese Vernichtungsstürme gehen von den Proletariern aus, welche durch das stete Schweben zwischen Leben und Hungertod erbittert, plötzlich Schwimmblasen, Schluckmäuler, Deckplatten umschlingen und in rasender Wuth abreißen,

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/276>, abgerufen am 05.05.2024.