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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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ab, als die Masse des Embryo wächst und wird allmälig ganz oder
theilweise von den Bauchwänden eingeschlossen, so daß sich das Ver-
hältniß zwischen diesen beiden entgegengesetzten Theilen gerade umkehrt
und der Dotter in der letzten Periode der Entwickelung nur als ein
unbedeutender Anhang des Embryo's erscheint, während er früher die
Hauptmasse ausmachte und der junge Körper nur als ein geringer
Schmarotzer auf seiner Fläche erschien. Bei dem Ausschlüpfen aus
dem Eie besitzt der junge Fisch meistens noch einen Rest des Dotters,
der bald wie ein Bruchsack an der unteren Fläche des Bauches her-
vortritt, bald auch gänzlich in dem Bauche eingeschlossen ist und nach
und nach aufgezehrt wird. Die Entwickelung der einzelnen Haupt-
organsysteme berühren wir hier um deßwillen ausführlicher, weil sie
die Grundlage für die Entfaltung derselben Systeme bei den übrigen
Wirbelthierklassen bildet, so daß, wer die Entfaltung der einfacheren
Organe bei dem Fische kennen gelernt hat, auch leichter die verwickel-
teren Bildungen der höheren Wirbelthiere sich veranschaulichen kann.

Das Centralnervensystem besitzt, wie schon bemerkt, das
erste Rudiment seiner Substanz, wie seiner Hülle, in der Rückenfurche,
welche sich nach oben hin allmälig zu einem vollständigen Rohre
schließt. Wir bemerkten, daß an dem Kopfende der Raum dieser

[Abbildung] Fig. 1005.

Der Embryo im Ei von der Seite.
Seine seitlichen Ausbreitungen sind von
überall her so um den Dotter herumge-
wachsen, daß nur eine nabelartige Stelle,
wo die Dottermasse hervortritt (c) dem
Mittelpunkte des Embryo's gegenüber,
noch uneingeschlossen ist. Herz und
Brustflosse zeigen sich in ihren ersten
Anlagen, ersteres vor letzterem hinter
dem Ohrbläschen auf der Dotterfläche.
a Dotter. b Eischale. c Dotter-
loch. d Mittelhirn. f Nachhirn. g Ohr-
bläschen. h Auge. i Chorda. k Stelle
des Afters. n Schwanz. p Brustflosse.

Furche weiter wird und so schon
in seiner ersten Anlage die größere
Anschwellung eines Gehirnes an-
deutet. Die Rückenfurche selbst und
das aus ihr hervorgehende Rohr
sind mit einer hellen Flüssigkeit er-
füllt, aus der sich nach und nach
die Nervensubstanz in der Weise
ablagert, daß diese Ablagerung zu-
erst auf dem Boden beginnt und
dann längs der Innenfläche des
Rohres nach oben hin fortschreitet,
so daß nach und nach das Rohr
innen aufs Neue überwölbt wird
und die Nervensubstanz eine zweite
Röhre mit vorderer Blasenerweite-
rung darstellt. Wo auch irgend
ein Theil des Centralnervensystemes
sich hervorbildet, stets kann man

ab, als die Maſſe des Embryo wächſt und wird allmälig ganz oder
theilweiſe von den Bauchwänden eingeſchloſſen, ſo daß ſich das Ver-
hältniß zwiſchen dieſen beiden entgegengeſetzten Theilen gerade umkehrt
und der Dotter in der letzten Periode der Entwickelung nur als ein
unbedeutender Anhang des Embryo’s erſcheint, während er früher die
Hauptmaſſe ausmachte und der junge Körper nur als ein geringer
Schmarotzer auf ſeiner Fläche erſchien. Bei dem Ausſchlüpfen aus
dem Eie beſitzt der junge Fiſch meiſtens noch einen Reſt des Dotters,
der bald wie ein Bruchſack an der unteren Fläche des Bauches her-
vortritt, bald auch gänzlich in dem Bauche eingeſchloſſen iſt und nach
und nach aufgezehrt wird. Die Entwickelung der einzelnen Haupt-
organſyſteme berühren wir hier um deßwillen ausführlicher, weil ſie
die Grundlage für die Entfaltung derſelben Syſteme bei den übrigen
Wirbelthierklaſſen bildet, ſo daß, wer die Entfaltung der einfacheren
Organe bei dem Fiſche kennen gelernt hat, auch leichter die verwickel-
teren Bildungen der höheren Wirbelthiere ſich veranſchaulichen kann.

Das Centralnervenſyſtem beſitzt, wie ſchon bemerkt, das
erſte Rudiment ſeiner Subſtanz, wie ſeiner Hülle, in der Rückenfurche,
welche ſich nach oben hin allmälig zu einem vollſtändigen Rohre
ſchließt. Wir bemerkten, daß an dem Kopfende der Raum dieſer

[Abbildung] Fig. 1005.

Der Embryo im Ei von der Seite.
Seine ſeitlichen Ausbreitungen ſind von
überall her ſo um den Dotter herumge-
wachſen, daß nur eine nabelartige Stelle,
wo die Dottermaſſe hervortritt (c) dem
Mittelpunkte des Embryo’s gegenüber,
noch uneingeſchloſſen iſt. Herz und
Bruſtfloſſe zeigen ſich in ihren erſten
Anlagen, erſteres vor letzterem hinter
dem Ohrbläschen auf der Dotterfläche.
a Dotter. b Eiſchale. c Dotter-
loch. d Mittelhirn. f Nachhirn. g Ohr-
bläschen. h Auge. i Chorda. k Stelle
des Afters. n Schwanz. p Bruſtfloſſe.

Furche weiter wird und ſo ſchon
in ſeiner erſten Anlage die größere
Anſchwellung eines Gehirnes an-
deutet. Die Rückenfurche ſelbſt und
das aus ihr hervorgehende Rohr
ſind mit einer hellen Flüſſigkeit er-
füllt, aus der ſich nach und nach
die Nervenſubſtanz in der Weiſe
ablagert, daß dieſe Ablagerung zu-
erſt auf dem Boden beginnt und
dann längs der Innenfläche des
Rohres nach oben hin fortſchreitet,
ſo daß nach und nach das Rohr
innen aufs Neue überwölbt wird
und die Nervenſubſtanz eine zweite
Röhre mit vorderer Blaſenerweite-
rung darſtellt. Wo auch irgend
ein Theil des Centralnervenſyſtemes
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[86/0092] ab, als die Maſſe des Embryo wächſt und wird allmälig ganz oder theilweiſe von den Bauchwänden eingeſchloſſen, ſo daß ſich das Ver- hältniß zwiſchen dieſen beiden entgegengeſetzten Theilen gerade umkehrt und der Dotter in der letzten Periode der Entwickelung nur als ein unbedeutender Anhang des Embryo’s erſcheint, während er früher die Hauptmaſſe ausmachte und der junge Körper nur als ein geringer Schmarotzer auf ſeiner Fläche erſchien. Bei dem Ausſchlüpfen aus dem Eie beſitzt der junge Fiſch meiſtens noch einen Reſt des Dotters, der bald wie ein Bruchſack an der unteren Fläche des Bauches her- vortritt, bald auch gänzlich in dem Bauche eingeſchloſſen iſt und nach und nach aufgezehrt wird. Die Entwickelung der einzelnen Haupt- organſyſteme berühren wir hier um deßwillen ausführlicher, weil ſie die Grundlage für die Entfaltung derſelben Syſteme bei den übrigen Wirbelthierklaſſen bildet, ſo daß, wer die Entfaltung der einfacheren Organe bei dem Fiſche kennen gelernt hat, auch leichter die verwickel- teren Bildungen der höheren Wirbelthiere ſich veranſchaulichen kann. Das Centralnervenſyſtem beſitzt, wie ſchon bemerkt, das erſte Rudiment ſeiner Subſtanz, wie ſeiner Hülle, in der Rückenfurche, welche ſich nach oben hin allmälig zu einem vollſtändigen Rohre ſchließt. Wir bemerkten, daß an dem Kopfende der Raum dieſer [Abbildung Fig. 1005. Der Embryo im Ei von der Seite. Seine ſeitlichen Ausbreitungen ſind von überall her ſo um den Dotter herumge- wachſen, daß nur eine nabelartige Stelle, wo die Dottermaſſe hervortritt (c) dem Mittelpunkte des Embryo’s gegenüber, noch uneingeſchloſſen iſt. Herz und Bruſtfloſſe zeigen ſich in ihren erſten Anlagen, erſteres vor letzterem hinter dem Ohrbläschen auf der Dotterfläche. a Dotter. b Eiſchale. c Dotter- loch. d Mittelhirn. f Nachhirn. g Ohr- bläschen. h Auge. i Chorda. k Stelle des Afters. n Schwanz. p Bruſtfloſſe.] Furche weiter wird und ſo ſchon in ſeiner erſten Anlage die größere Anſchwellung eines Gehirnes an- deutet. Die Rückenfurche ſelbſt und das aus ihr hervorgehende Rohr ſind mit einer hellen Flüſſigkeit er- füllt, aus der ſich nach und nach die Nervenſubſtanz in der Weiſe ablagert, daß dieſe Ablagerung zu- erſt auf dem Boden beginnt und dann längs der Innenfläche des Rohres nach oben hin fortſchreitet, ſo daß nach und nach das Rohr innen aufs Neue überwölbt wird und die Nervenſubſtanz eine zweite Röhre mit vorderer Blaſenerweite- rung darſtellt. Wo auch irgend ein Theil des Centralnervenſyſtemes ſich hervorbildet, ſtets kann man

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/92>, abgerufen am 28.04.2024.