Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

Magen und Darm sind bei denjenigen Hautflüglern, welche lange leben,
vielfach gewunden, bei den anderen fast gerade; die Harngefäße sind sehr
zahlreich und meistens vielfach gewunden, die Speicheldrüsen meist ziem-
lich verästelt, traubenförmig und oft gänzlich in dem Kopfe verborgen.
Die Luftröhren vereinigen sich in zwei seitlichen Hauptstämmen,
aus welchen die Aeste an die Körperorgane ausgehen, zeichnen sich
aber durch vielfache blasige Anschwellungen aus, die besonders oft in
dem Hinterleibe eine ungemeine Größe erreichen. Die Zahl der Eier-
röhren
wechselt von einer einzigen bis zu hundert und mehr auf
einer Seite, und stets sind diese Eierröhren mehrkammerig, so daß
manche Weibchen eine ungemeine Fruchtbarkeit entwickeln können. Die
Samentasche ist stets vorhanden und bei denjenigen Weibchen, welche
nach einer einmaligen Begattung zuweilen selbst ein Jahr hindurch
befruchtete Eier legen, ziemlich groß. Die Samenthierchen erhalten
sich lange Zeit in der Samentasche unverändert am Leben. Durch
diese Einrichtung wird der Fortbestand und die Erneuerung der jähr-
lichen Gesellschaften, welche bei vielen Hautflüglern vorkommen, einzig
ermöglicht, indem die Weibchen sich im Herbste begatten, dann in irgend
einem Schlupfwinkel überwintern, und dennoch durch die in ihrer Sa-
mentasche aufgespeicherte Samenmasse fähig sind, im Beginn des Früh-
jahres befruchtete Eier und damit den Grund einer neuen Gesellschaft
zu legen. In der nächsten Beziehung zu den weiblichen Geschlechts-
theilen steht bei den stacheltragenden Hautflüglern eine meist aus ge-
wundenen Schläuchen bestehende Drüse, welche wasserfreie Ameisensäure
absondert, die sich in einer eigenen Giftblase sammelt, und durch
die Halbrinne des Stachels beim Stechen in die Wunde ergossen wird.
Die männlichen Geschlechtstheile bestehen aus zwei, meist trau-
benförmigen Hoden, in deren Ausführungsgänge noch zwei Nebendrü-
sen einmünden. Die röhrenförmige Ruthe wird von zwei Paar Horn-
klappen, die den Scheiden der Legeröhre analog sind, eingeschlossen.
Giftdrüse und Stachel fehlen allen männlichen Hautflüglern durchaus.

Mit Ausnahme der Blatt- und Holzwespen, deren Larven durch
den Besitz von sechs ächten und vielen falschen Füßen den Raupen
ähnlich sehen, haben alle Hautflügler fußlose Larven mit einem wurm-
förmigen Körper und hornigem oder selbst weichem Kopfe, an dessen
Ende meist zwei starke, gekrümmte Kiefer und kurze Kinnladen mit
Tastern hervorstehen. Die Larven puppen sich alle nach kurzer Zeit
ihres Lebens ein und spinnen sich zu diesem Ende eine gewöhnlich un-
regelmäßige Hülle von Seidenfaden. Da sie alle fußlos sind, so sor-

Magen und Darm ſind bei denjenigen Hautflüglern, welche lange leben,
vielfach gewunden, bei den anderen faſt gerade; die Harngefäße ſind ſehr
zahlreich und meiſtens vielfach gewunden, die Speicheldrüſen meiſt ziem-
lich veräſtelt, traubenförmig und oft gänzlich in dem Kopfe verborgen.
Die Luftröhren vereinigen ſich in zwei ſeitlichen Hauptſtämmen,
aus welchen die Aeſte an die Körperorgane ausgehen, zeichnen ſich
aber durch vielfache blaſige Anſchwellungen aus, die beſonders oft in
dem Hinterleibe eine ungemeine Größe erreichen. Die Zahl der Eier-
röhren
wechſelt von einer einzigen bis zu hundert und mehr auf
einer Seite, und ſtets ſind dieſe Eierröhren mehrkammerig, ſo daß
manche Weibchen eine ungemeine Fruchtbarkeit entwickeln können. Die
Samentaſche iſt ſtets vorhanden und bei denjenigen Weibchen, welche
nach einer einmaligen Begattung zuweilen ſelbſt ein Jahr hindurch
befruchtete Eier legen, ziemlich groß. Die Samenthierchen erhalten
ſich lange Zeit in der Samentaſche unverändert am Leben. Durch
dieſe Einrichtung wird der Fortbeſtand und die Erneuerung der jähr-
lichen Geſellſchaften, welche bei vielen Hautflüglern vorkommen, einzig
ermöglicht, indem die Weibchen ſich im Herbſte begatten, dann in irgend
einem Schlupfwinkel überwintern, und dennoch durch die in ihrer Sa-
mentaſche aufgeſpeicherte Samenmaſſe fähig ſind, im Beginn des Früh-
jahres befruchtete Eier und damit den Grund einer neuen Geſellſchaft
zu legen. In der nächſten Beziehung zu den weiblichen Geſchlechts-
theilen ſteht bei den ſtacheltragenden Hautflüglern eine meiſt aus ge-
wundenen Schläuchen beſtehende Drüſe, welche waſſerfreie Ameiſenſäure
abſondert, die ſich in einer eigenen Giftblaſe ſammelt, und durch
die Halbrinne des Stachels beim Stechen in die Wunde ergoſſen wird.
Die männlichen Geſchlechtstheile beſtehen aus zwei, meiſt trau-
benförmigen Hoden, in deren Ausführungsgänge noch zwei Nebendrü-
ſen einmünden. Die röhrenförmige Ruthe wird von zwei Paar Horn-
klappen, die den Scheiden der Legeröhre analog ſind, eingeſchloſſen.
Giftdrüſe und Stachel fehlen allen männlichen Hautflüglern durchaus.

Mit Ausnahme der Blatt- und Holzwespen, deren Larven durch
den Beſitz von ſechs ächten und vielen falſchen Füßen den Raupen
ähnlich ſehen, haben alle Hautflügler fußloſe Larven mit einem wurm-
förmigen Körper und hornigem oder ſelbſt weichem Kopfe, an deſſen
Ende meiſt zwei ſtarke, gekrümmte Kiefer und kurze Kinnladen mit
Taſtern hervorſtehen. Die Larven puppen ſich alle nach kurzer Zeit
ihres Lebens ein und ſpinnen ſich zu dieſem Ende eine gewöhnlich un-
regelmäßige Hülle von Seidenfaden. Da ſie alle fußlos ſind, ſo ſor-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0686" n="680"/>
Magen und Darm &#x017F;ind bei denjenigen Hautflüglern, welche lange leben,<lb/>
vielfach gewunden, bei den anderen fa&#x017F;t gerade; die Harngefäße &#x017F;ind &#x017F;ehr<lb/>
zahlreich und mei&#x017F;tens vielfach gewunden, die Speicheldrü&#x017F;en mei&#x017F;t ziem-<lb/>
lich verä&#x017F;telt, traubenförmig und oft gänzlich in dem Kopfe verborgen.<lb/>
Die <hi rendition="#g">Luftröhren</hi> vereinigen &#x017F;ich in zwei &#x017F;eitlichen Haupt&#x017F;tämmen,<lb/>
aus welchen die Ae&#x017F;te an die Körperorgane ausgehen, zeichnen &#x017F;ich<lb/>
aber durch vielfache bla&#x017F;ige An&#x017F;chwellungen aus, die be&#x017F;onders oft in<lb/>
dem Hinterleibe eine ungemeine Größe erreichen. Die Zahl der <hi rendition="#g">Eier-<lb/>
röhren</hi> wech&#x017F;elt von einer einzigen bis zu hundert und mehr auf<lb/>
einer Seite, und &#x017F;tets &#x017F;ind die&#x017F;e Eierröhren mehrkammerig, &#x017F;o daß<lb/>
manche Weibchen eine ungemeine Fruchtbarkeit entwickeln können. Die<lb/>
Samenta&#x017F;che i&#x017F;t &#x017F;tets vorhanden und bei denjenigen Weibchen, welche<lb/>
nach einer einmaligen Begattung zuweilen &#x017F;elb&#x017F;t ein Jahr hindurch<lb/>
befruchtete Eier legen, ziemlich groß. Die Samenthierchen erhalten<lb/>
&#x017F;ich lange Zeit in der Samenta&#x017F;che unverändert am Leben. Durch<lb/>
die&#x017F;e Einrichtung wird der Fortbe&#x017F;tand und die Erneuerung der jähr-<lb/>
lichen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften, welche bei vielen Hautflüglern vorkommen, einzig<lb/>
ermöglicht, indem die Weibchen &#x017F;ich im Herb&#x017F;te begatten, dann in irgend<lb/>
einem Schlupfwinkel überwintern, und dennoch durch die in ihrer Sa-<lb/>
menta&#x017F;che aufge&#x017F;peicherte Samenma&#x017F;&#x017F;e fähig &#x017F;ind, im Beginn des Früh-<lb/>
jahres befruchtete Eier und damit den Grund einer neuen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
zu legen. In der näch&#x017F;ten Beziehung zu den weiblichen Ge&#x017F;chlechts-<lb/>
theilen &#x017F;teht bei den &#x017F;tacheltragenden Hautflüglern eine mei&#x017F;t aus ge-<lb/>
wundenen Schläuchen be&#x017F;tehende Drü&#x017F;e, welche wa&#x017F;&#x017F;erfreie Amei&#x017F;en&#x017F;äure<lb/>
ab&#x017F;ondert, die &#x017F;ich in einer eigenen <hi rendition="#g">Giftbla&#x017F;e</hi> &#x017F;ammelt, und durch<lb/>
die Halbrinne des Stachels beim Stechen in die Wunde ergo&#x017F;&#x017F;en wird.<lb/>
Die <hi rendition="#g">männlichen Ge&#x017F;chlechtstheile</hi> be&#x017F;tehen aus zwei, mei&#x017F;t trau-<lb/>
benförmigen Hoden, in deren Ausführungsgänge noch zwei Nebendrü-<lb/>
&#x017F;en einmünden. Die röhrenförmige Ruthe wird von zwei Paar Horn-<lb/>
klappen, die den Scheiden der Legeröhre analog &#x017F;ind, einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Giftdrü&#x017F;e und Stachel fehlen allen männlichen Hautflüglern durchaus.</p><lb/>
          <p>Mit Ausnahme der Blatt- und Holzwespen, deren Larven durch<lb/>
den Be&#x017F;itz von &#x017F;echs ächten und vielen fal&#x017F;chen Füßen den Raupen<lb/>
ähnlich &#x017F;ehen, haben alle Hautflügler fußlo&#x017F;e Larven mit einem wurm-<lb/>
förmigen Körper und hornigem oder &#x017F;elb&#x017F;t weichem Kopfe, an de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Ende mei&#x017F;t zwei &#x017F;tarke, gekrümmte Kiefer und kurze Kinnladen mit<lb/>
Ta&#x017F;tern hervor&#x017F;tehen. Die Larven puppen &#x017F;ich alle nach kurzer Zeit<lb/>
ihres Lebens ein und &#x017F;pinnen &#x017F;ich zu die&#x017F;em Ende eine gewöhnlich un-<lb/>
regelmäßige Hülle von Seidenfaden. Da &#x017F;ie alle fußlos &#x017F;ind, &#x017F;o &#x017F;or-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[680/0686] Magen und Darm ſind bei denjenigen Hautflüglern, welche lange leben, vielfach gewunden, bei den anderen faſt gerade; die Harngefäße ſind ſehr zahlreich und meiſtens vielfach gewunden, die Speicheldrüſen meiſt ziem- lich veräſtelt, traubenförmig und oft gänzlich in dem Kopfe verborgen. Die Luftröhren vereinigen ſich in zwei ſeitlichen Hauptſtämmen, aus welchen die Aeſte an die Körperorgane ausgehen, zeichnen ſich aber durch vielfache blaſige Anſchwellungen aus, die beſonders oft in dem Hinterleibe eine ungemeine Größe erreichen. Die Zahl der Eier- röhren wechſelt von einer einzigen bis zu hundert und mehr auf einer Seite, und ſtets ſind dieſe Eierröhren mehrkammerig, ſo daß manche Weibchen eine ungemeine Fruchtbarkeit entwickeln können. Die Samentaſche iſt ſtets vorhanden und bei denjenigen Weibchen, welche nach einer einmaligen Begattung zuweilen ſelbſt ein Jahr hindurch befruchtete Eier legen, ziemlich groß. Die Samenthierchen erhalten ſich lange Zeit in der Samentaſche unverändert am Leben. Durch dieſe Einrichtung wird der Fortbeſtand und die Erneuerung der jähr- lichen Geſellſchaften, welche bei vielen Hautflüglern vorkommen, einzig ermöglicht, indem die Weibchen ſich im Herbſte begatten, dann in irgend einem Schlupfwinkel überwintern, und dennoch durch die in ihrer Sa- mentaſche aufgeſpeicherte Samenmaſſe fähig ſind, im Beginn des Früh- jahres befruchtete Eier und damit den Grund einer neuen Geſellſchaft zu legen. In der nächſten Beziehung zu den weiblichen Geſchlechts- theilen ſteht bei den ſtacheltragenden Hautflüglern eine meiſt aus ge- wundenen Schläuchen beſtehende Drüſe, welche waſſerfreie Ameiſenſäure abſondert, die ſich in einer eigenen Giftblaſe ſammelt, und durch die Halbrinne des Stachels beim Stechen in die Wunde ergoſſen wird. Die männlichen Geſchlechtstheile beſtehen aus zwei, meiſt trau- benförmigen Hoden, in deren Ausführungsgänge noch zwei Nebendrü- ſen einmünden. Die röhrenförmige Ruthe wird von zwei Paar Horn- klappen, die den Scheiden der Legeröhre analog ſind, eingeſchloſſen. Giftdrüſe und Stachel fehlen allen männlichen Hautflüglern durchaus. Mit Ausnahme der Blatt- und Holzwespen, deren Larven durch den Beſitz von ſechs ächten und vielen falſchen Füßen den Raupen ähnlich ſehen, haben alle Hautflügler fußloſe Larven mit einem wurm- förmigen Körper und hornigem oder ſelbſt weichem Kopfe, an deſſen Ende meiſt zwei ſtarke, gekrümmte Kiefer und kurze Kinnladen mit Taſtern hervorſtehen. Die Larven puppen ſich alle nach kurzer Zeit ihres Lebens ein und ſpinnen ſich zu dieſem Ende eine gewöhnlich un- regelmäßige Hülle von Seidenfaden. Da ſie alle fußlos ſind, ſo ſor-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/686
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 680. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/686>, abgerufen am 05.12.2024.