gen die Mütter für das Emporkommen der hilflosen Würmchen ent- weder durch Verproviantirung ihres Nestes, wonach sie das Ei seinem vorgeschriebenen Entwickelungsgange überlassen, oder sie füttern auch die Larven täglich mit Nahrung, die sie für die Nachkommenschaft sammeln. Gewöhnlich werden die Larven der in Gesellschaft lebenden Hautflügler gefüttert, während die Einsamen ihre Larven ein für alle Mal mit Nahrung versehen. Der eingetragene Proviant besteht theils aus Honig und Blumenstaub, theils aus lebenden, durch einen Stich gelähmten Insekten. Wir werden weiter unten die merkwürdigen Er- scheinungen näher in das Auge fassen, welche bei dieser Sorge für die Jungen beobachtet wurden.
Die Gesellschaften, deren wir so eben erwähnten, bestehen wesent- lich nur zu dem Zwecke der gemeinschaftlichen Auferziehung der Jun- gen. Ihre Einrichtungen, die man oft mit den staatlichen Einrich- tungen der Menschen verglichen hat, sind verschiedener Art. Die jährlichen Gesellschaften werden in unserem Klima von den eigentlichen Wespen und den Hummeln gebildet und jedes- mal im Beginne des Frühjahres neu von einem einzigen im Herbste befruchteten Weibchen begründet, welches an irgend einem geschütz- ten Orte überwintert hat. Diese Gesellschaften bestehen stets nur aus Männchen und Weibchen, die aber merkwürdiger Weise zwei Racen bilden, indem man stets kleinere und größere Individuen beider Geschlechter darin vereinigt findet. Die kleinen Weibchen sollen nach der Behauptung einiger Beobachter nur solche Eier legen, aus denen Männchen hervorkommen, und nur die großen Weibchen sollen fähig sein, zu überwintern und neue Kolonien zu gründen. Die Hummeln bauen die unregelmäßigsten Nester. Das befruchtete Weibchen gräbt eine Vertiefung in die Erde, die breit und wenig tief ist, und überwölbt diese Höhlung mit einer Moos- decke, welche sie innen mit einer dünnen Wachsschicht auskleidet. So- bald dies Nest einige Ausdehnung erlangt hat, so trägt die Hummel Honig und Blumenstaub ein, den sie zu einem Teige verarbeitet und zu unregelmäßigen Kugeln ballt; -- in diese Masse legt sie die Eier, und während die bald ausgeschlüpften Larven innen fressen, fügt das Weibchen von außen stets neue Massen von Futter hinzu, so daß der unregelmäßige Haufen einer Trüffel nicht unähnlich sieht. Die Lar- ven verpuppen sich nun, indem sie sich Zellen spinnen, welche einem Fingerhute nicht unähnlich sehen; aus den Puppen kommen kleine Weibchen hervor, welche ihrer Mutter sogleich in den Arbeiten helfen,
gen die Mütter für das Emporkommen der hilfloſen Würmchen ent- weder durch Verproviantirung ihres Neſtes, wonach ſie das Ei ſeinem vorgeſchriebenen Entwickelungsgange überlaſſen, oder ſie füttern auch die Larven täglich mit Nahrung, die ſie für die Nachkommenſchaft ſammeln. Gewöhnlich werden die Larven der in Geſellſchaft lebenden Hautflügler gefüttert, während die Einſamen ihre Larven ein für alle Mal mit Nahrung verſehen. Der eingetragene Proviant beſteht theils aus Honig und Blumenſtaub, theils aus lebenden, durch einen Stich gelähmten Inſekten. Wir werden weiter unten die merkwürdigen Er- ſcheinungen näher in das Auge faſſen, welche bei dieſer Sorge für die Jungen beobachtet wurden.
Die Geſellſchaften, deren wir ſo eben erwähnten, beſtehen weſent- lich nur zu dem Zwecke der gemeinſchaftlichen Auferziehung der Jun- gen. Ihre Einrichtungen, die man oft mit den ſtaatlichen Einrich- tungen der Menſchen verglichen hat, ſind verſchiedener Art. Die jährlichen Geſellſchaften werden in unſerem Klima von den eigentlichen Wespen und den Hummeln gebildet und jedes- mal im Beginne des Frühjahres neu von einem einzigen im Herbſte befruchteten Weibchen begründet, welches an irgend einem geſchütz- ten Orte überwintert hat. Dieſe Geſellſchaften beſtehen ſtets nur aus Männchen und Weibchen, die aber merkwürdiger Weiſe zwei Raçen bilden, indem man ſtets kleinere und größere Individuen beider Geſchlechter darin vereinigt findet. Die kleinen Weibchen ſollen nach der Behauptung einiger Beobachter nur ſolche Eier legen, aus denen Männchen hervorkommen, und nur die großen Weibchen ſollen fähig ſein, zu überwintern und neue Kolonien zu gründen. Die Hummeln bauen die unregelmäßigſten Neſter. Das befruchtete Weibchen gräbt eine Vertiefung in die Erde, die breit und wenig tief iſt, und überwölbt dieſe Höhlung mit einer Moos- decke, welche ſie innen mit einer dünnen Wachsſchicht auskleidet. So- bald dies Neſt einige Ausdehnung erlangt hat, ſo trägt die Hummel Honig und Blumenſtaub ein, den ſie zu einem Teige verarbeitet und zu unregelmäßigen Kugeln ballt; — in dieſe Maſſe legt ſie die Eier, und während die bald ausgeſchlüpften Larven innen freſſen, fügt das Weibchen von außen ſtets neue Maſſen von Futter hinzu, ſo daß der unregelmäßige Haufen einer Trüffel nicht unähnlich ſieht. Die Lar- ven verpuppen ſich nun, indem ſie ſich Zellen ſpinnen, welche einem Fingerhute nicht unähnlich ſehen; aus den Puppen kommen kleine Weibchen hervor, welche ihrer Mutter ſogleich in den Arbeiten helfen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0687"n="681"/>
gen die Mütter für das Emporkommen der hilfloſen Würmchen ent-<lb/>
weder durch Verproviantirung ihres Neſtes, wonach ſie das Ei ſeinem<lb/>
vorgeſchriebenen Entwickelungsgange überlaſſen, oder ſie füttern auch<lb/>
die Larven täglich mit Nahrung, die ſie für die Nachkommenſchaft<lb/>ſammeln. Gewöhnlich werden die Larven der in Geſellſchaft lebenden<lb/>
Hautflügler gefüttert, während die Einſamen ihre Larven ein für alle<lb/>
Mal mit Nahrung verſehen. Der eingetragene Proviant beſteht theils<lb/>
aus Honig und Blumenſtaub, theils aus lebenden, durch einen Stich<lb/>
gelähmten Inſekten. Wir werden weiter unten die merkwürdigen Er-<lb/>ſcheinungen näher in das Auge faſſen, welche bei dieſer Sorge für<lb/>
die Jungen beobachtet wurden.</p><lb/><p>Die Geſellſchaften, deren wir ſo eben erwähnten, beſtehen weſent-<lb/>
lich nur zu dem Zwecke der gemeinſchaftlichen Auferziehung der Jun-<lb/>
gen. Ihre Einrichtungen, die man oft mit den ſtaatlichen Einrich-<lb/>
tungen der Menſchen verglichen hat, ſind verſchiedener Art. Die<lb/><hirendition="#g">jährlichen Geſellſchaften</hi> werden in unſerem Klima von<lb/>
den eigentlichen Wespen und den Hummeln gebildet und jedes-<lb/>
mal im Beginne des Frühjahres neu von einem einzigen im Herbſte<lb/>
befruchteten Weibchen begründet, welches an irgend einem geſchütz-<lb/>
ten Orte überwintert hat. Dieſe Geſellſchaften beſtehen ſtets nur<lb/>
aus Männchen und Weibchen, die aber merkwürdiger Weiſe zwei<lb/>
Ra<hirendition="#aq">ç</hi>en bilden, indem man ſtets kleinere und größere Individuen<lb/>
beider Geſchlechter darin vereinigt findet. Die kleinen Weibchen<lb/>ſollen nach der Behauptung einiger Beobachter nur ſolche Eier<lb/>
legen, aus denen Männchen hervorkommen, und nur die großen<lb/>
Weibchen ſollen fähig ſein, zu überwintern und neue Kolonien<lb/>
zu gründen. Die <hirendition="#g">Hummeln</hi> bauen die unregelmäßigſten Neſter.<lb/>
Das befruchtete Weibchen gräbt eine Vertiefung in die Erde, die<lb/>
breit und wenig tief iſt, und überwölbt dieſe Höhlung mit einer Moos-<lb/>
decke, welche ſie innen mit einer dünnen Wachsſchicht auskleidet. So-<lb/>
bald dies Neſt einige Ausdehnung erlangt hat, ſo trägt die Hummel<lb/>
Honig und Blumenſtaub ein, den ſie zu einem Teige verarbeitet und<lb/>
zu unregelmäßigen Kugeln ballt; — in dieſe Maſſe legt ſie die Eier,<lb/>
und während die bald ausgeſchlüpften Larven innen freſſen, fügt das<lb/>
Weibchen von außen ſtets neue Maſſen von Futter hinzu, ſo daß der<lb/>
unregelmäßige Haufen einer Trüffel nicht unähnlich ſieht. Die Lar-<lb/>
ven verpuppen ſich nun, indem ſie ſich Zellen ſpinnen, welche einem<lb/>
Fingerhute nicht unähnlich ſehen; aus den Puppen kommen kleine<lb/>
Weibchen hervor, welche ihrer Mutter ſogleich in den Arbeiten helfen,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[681/0687]
gen die Mütter für das Emporkommen der hilfloſen Würmchen ent-
weder durch Verproviantirung ihres Neſtes, wonach ſie das Ei ſeinem
vorgeſchriebenen Entwickelungsgange überlaſſen, oder ſie füttern auch
die Larven täglich mit Nahrung, die ſie für die Nachkommenſchaft
ſammeln. Gewöhnlich werden die Larven der in Geſellſchaft lebenden
Hautflügler gefüttert, während die Einſamen ihre Larven ein für alle
Mal mit Nahrung verſehen. Der eingetragene Proviant beſteht theils
aus Honig und Blumenſtaub, theils aus lebenden, durch einen Stich
gelähmten Inſekten. Wir werden weiter unten die merkwürdigen Er-
ſcheinungen näher in das Auge faſſen, welche bei dieſer Sorge für
die Jungen beobachtet wurden.
Die Geſellſchaften, deren wir ſo eben erwähnten, beſtehen weſent-
lich nur zu dem Zwecke der gemeinſchaftlichen Auferziehung der Jun-
gen. Ihre Einrichtungen, die man oft mit den ſtaatlichen Einrich-
tungen der Menſchen verglichen hat, ſind verſchiedener Art. Die
jährlichen Geſellſchaften werden in unſerem Klima von
den eigentlichen Wespen und den Hummeln gebildet und jedes-
mal im Beginne des Frühjahres neu von einem einzigen im Herbſte
befruchteten Weibchen begründet, welches an irgend einem geſchütz-
ten Orte überwintert hat. Dieſe Geſellſchaften beſtehen ſtets nur
aus Männchen und Weibchen, die aber merkwürdiger Weiſe zwei
Raçen bilden, indem man ſtets kleinere und größere Individuen
beider Geſchlechter darin vereinigt findet. Die kleinen Weibchen
ſollen nach der Behauptung einiger Beobachter nur ſolche Eier
legen, aus denen Männchen hervorkommen, und nur die großen
Weibchen ſollen fähig ſein, zu überwintern und neue Kolonien
zu gründen. Die Hummeln bauen die unregelmäßigſten Neſter.
Das befruchtete Weibchen gräbt eine Vertiefung in die Erde, die
breit und wenig tief iſt, und überwölbt dieſe Höhlung mit einer Moos-
decke, welche ſie innen mit einer dünnen Wachsſchicht auskleidet. So-
bald dies Neſt einige Ausdehnung erlangt hat, ſo trägt die Hummel
Honig und Blumenſtaub ein, den ſie zu einem Teige verarbeitet und
zu unregelmäßigen Kugeln ballt; — in dieſe Maſſe legt ſie die Eier,
und während die bald ausgeſchlüpften Larven innen freſſen, fügt das
Weibchen von außen ſtets neue Maſſen von Futter hinzu, ſo daß der
unregelmäßige Haufen einer Trüffel nicht unähnlich ſieht. Die Lar-
ven verpuppen ſich nun, indem ſie ſich Zellen ſpinnen, welche einem
Fingerhute nicht unähnlich ſehen; aus den Puppen kommen kleine
Weibchen hervor, welche ihrer Mutter ſogleich in den Arbeiten helfen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 681. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/687>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.