Diese Samenfäden haben meist einen mehr oder minder eiförmigen, scheibenartigen Körper, der zuweilen auch cylindrisch oder korkzieher- artig gedreht ist und einen langen schwanzförmigen Anhang, der sich peitschenartig hin und her bewegt. Das Gewimmel von Tausenden dieser beweglichen Formelemente in einem einzigen Tropfen zeugungs- fähigen Samens ist eins der merkwürdigsten Schauspiele, welches man unter dem Mikroskope erblicken kann. Nur bei wenigen Thieren sind die Formelemente vollkommen starr und von äußerst abweichender Ge- stalt, bei manchen aber werden sie noch in eigenthümlichen Samen- schläuchen eingeschlossen, aus welchen sie später hervorgetrieben werden. Auch die männlichen Geschlechtsorgane erhalten oft eine äußerst com- plicirte Form, indem sich in ihrem Vereiche mannigfache Drüsen und absondernde Gebilde entwickeln, welche die Vermehrung der Samen- masse bezwecken. Außerdem kommen bei den höheren Thieren, sowohl bei dem männlichen wie weiblichen Geschlechte, äußere Organe vor, welche zur Vereinigung beider Geschlechter im Fortpflanzungsakte, zur Begattung dienen und oft von sehr sonderbaren Haft- und Haltwerk- zeugen begleitet sind.
Beide Geschlechter bedingen sich wechselseitig, kein Ei ohne Samen und kein Samen ohne Ei. Es gibt keine Art von Thieren, die nur männlich oder nur weiblich wären. Mannigfaltige Verhältnisse wech- seln aber in dieser Beziehung ab. Bei den Einen wird das Ei auf dem Wege seiner Ausstoßung aus dem Organismus nothwendig mit den männlichen Zeugungsstoffen in Berührung gebracht, die von dem- selben Individuum in männlichen Organen erzeugt werden; -- das Thier ist ein wirklicher Hermaphrodit, ein Zwitter, und genügt als ein einzelnes Individuum zur Fortpflanzung der Gattung. Vielleicht dürfte sich in späteren Zeiten herausstellen, daß diese Ansicht eine irrige sei, und daß die Geschlechter stets auf verschiedene Individuen derselben Art vertheilt seien; -- bis jetzt aber ist der sichere Beweis dieses Verhal- tens noch nicht geliefert, und wenn man auch versucht hat, das thatsächliche gemeinsame Vorkommen von Zeugungsstoffen beiderlei Art auf einem und demselben Individuum dadurch zu erklären, daß man behauptete, die männlichen Zeugungsstoffe seien erst durch Begattung eingeführt, so ist diese Behauptung dennoch weit entfernt, genügend unterstützt zu sein. Die meisten hermaphroditischen Thiere indessen pflanzen sich dennoch in der Weise fort, daß sie wechselseitig ihre Eier befruchten.
Die Befruchtung selbst geschieht indessen in mannigfach ver- schiedener Weise. Bedingung für sie ist, daß die specifischen Produkte der Fortpflanzungsorgane, die Samenthierchen und die Eier, mit ein-
Dieſe Samenfäden haben meiſt einen mehr oder minder eiförmigen, ſcheibenartigen Körper, der zuweilen auch cylindriſch oder korkzieher- artig gedreht iſt und einen langen ſchwanzförmigen Anhang, der ſich peitſchenartig hin und her bewegt. Das Gewimmel von Tauſenden dieſer beweglichen Formelemente in einem einzigen Tropfen zeugungs- fähigen Samens iſt eins der merkwürdigſten Schauſpiele, welches man unter dem Mikroskope erblicken kann. Nur bei wenigen Thieren ſind die Formelemente vollkommen ſtarr und von äußerſt abweichender Ge- ſtalt, bei manchen aber werden ſie noch in eigenthümlichen Samen- ſchläuchen eingeſchloſſen, aus welchen ſie ſpäter hervorgetrieben werden. Auch die männlichen Geſchlechtsorgane erhalten oft eine äußerſt com- plicirte Form, indem ſich in ihrem Vereiche mannigfache Drüſen und abſondernde Gebilde entwickeln, welche die Vermehrung der Samen- maſſe bezwecken. Außerdem kommen bei den höheren Thieren, ſowohl bei dem männlichen wie weiblichen Geſchlechte, äußere Organe vor, welche zur Vereinigung beider Geſchlechter im Fortpflanzungsakte, zur Begattung dienen und oft von ſehr ſonderbaren Haft- und Haltwerk- zeugen begleitet ſind.
Beide Geſchlechter bedingen ſich wechſelſeitig, kein Ei ohne Samen und kein Samen ohne Ei. Es gibt keine Art von Thieren, die nur männlich oder nur weiblich wären. Mannigfaltige Verhältniſſe wech- ſeln aber in dieſer Beziehung ab. Bei den Einen wird das Ei auf dem Wege ſeiner Ausſtoßung aus dem Organismus nothwendig mit den männlichen Zeugungsſtoffen in Berührung gebracht, die von dem- ſelben Individuum in männlichen Organen erzeugt werden; — das Thier iſt ein wirklicher Hermaphrodit, ein Zwitter, und genügt als ein einzelnes Individuum zur Fortpflanzung der Gattung. Vielleicht dürfte ſich in ſpäteren Zeiten herausſtellen, daß dieſe Anſicht eine irrige ſei, und daß die Geſchlechter ſtets auf verſchiedene Individuen derſelben Art vertheilt ſeien; — bis jetzt aber iſt der ſichere Beweis dieſes Verhal- tens noch nicht geliefert, und wenn man auch verſucht hat, das thatſächliche gemeinſame Vorkommen von Zeugungsſtoffen beiderlei Art auf einem und demſelben Individuum dadurch zu erklären, daß man behauptete, die männlichen Zeugungsſtoffe ſeien erſt durch Begattung eingeführt, ſo iſt dieſe Behauptung dennoch weit entfernt, genügend unterſtützt zu ſein. Die meiſten hermaphroditiſchen Thiere indeſſen pflanzen ſich dennoch in der Weiſe fort, daß ſie wechſelſeitig ihre Eier befruchten.
Die Befruchtung ſelbſt geſchieht indeſſen in mannigfach ver- ſchiedener Weiſe. Bedingung für ſie iſt, daß die ſpecifiſchen Produkte der Fortpflanzungsorgane, die Samenthierchen und die Eier, mit ein-
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Dieſe Samenfäden haben meiſt einen mehr oder minder eiförmigen,
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peitſchenartig hin und her bewegt. Das Gewimmel von Tauſenden
dieſer beweglichen Formelemente in einem einzigen Tropfen zeugungs-
fähigen Samens iſt eins der merkwürdigſten Schauſpiele, welches man
unter dem Mikroskope erblicken kann. Nur bei wenigen Thieren ſind
die Formelemente vollkommen ſtarr und von äußerſt abweichender Ge-
ſtalt, bei manchen aber werden ſie noch in eigenthümlichen Samen-
ſchläuchen eingeſchloſſen, aus welchen ſie ſpäter hervorgetrieben werden.
Auch die männlichen Geſchlechtsorgane erhalten oft eine äußerſt com-
plicirte Form, indem ſich in ihrem Vereiche mannigfache Drüſen und
abſondernde Gebilde entwickeln, welche die Vermehrung der Samen-
maſſe bezwecken. Außerdem kommen bei den höheren Thieren, ſowohl
bei dem männlichen wie weiblichen Geſchlechte, äußere Organe vor,
welche zur Vereinigung beider Geſchlechter im Fortpflanzungsakte, zur
Begattung dienen und oft von ſehr ſonderbaren Haft- und Haltwerk-
zeugen begleitet ſind.
Beide Geſchlechter bedingen ſich wechſelſeitig, kein Ei ohne Samen
und kein Samen ohne Ei. Es gibt keine Art von Thieren, die nur
männlich oder nur weiblich wären. Mannigfaltige Verhältniſſe wech-
ſeln aber in dieſer Beziehung ab. Bei den Einen wird das Ei auf
dem Wege ſeiner Ausſtoßung aus dem Organismus nothwendig mit
den männlichen Zeugungsſtoffen in Berührung gebracht, die von dem-
ſelben Individuum in männlichen Organen erzeugt werden; — das
Thier iſt ein wirklicher Hermaphrodit, ein Zwitter, und genügt als
ein einzelnes Individuum zur Fortpflanzung der Gattung. Vielleicht dürfte
ſich in ſpäteren Zeiten herausſtellen, daß dieſe Anſicht eine irrige ſei,
und daß die Geſchlechter ſtets auf verſchiedene Individuen derſelben
Art vertheilt ſeien; — bis jetzt aber iſt der ſichere Beweis dieſes Verhal-
tens noch nicht geliefert, und wenn man auch verſucht hat, das thatſächliche
gemeinſame Vorkommen von Zeugungsſtoffen beiderlei Art auf einem
und demſelben Individuum dadurch zu erklären, daß man behauptete,
die männlichen Zeugungsſtoffe ſeien erſt durch Begattung eingeführt,
ſo iſt dieſe Behauptung dennoch weit entfernt, genügend unterſtützt zu
ſein. Die meiſten hermaphroditiſchen Thiere indeſſen pflanzen ſich
dennoch in der Weiſe fort, daß ſie wechſelſeitig ihre Eier befruchten.
Die Befruchtung ſelbſt geſchieht indeſſen in mannigfach ver-
ſchiedener Weiſe. Bedingung für ſie iſt, daß die ſpecifiſchen Produkte
der Fortpflanzungsorgane, die Samenthierchen und die Eier, mit ein-
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/64>, abgerufen am 04.12.2024.
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