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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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[Abbildung] Fig 19.

Eierstocksei des
Kaninchens.
a Dotter haut (bei den
Säugethieren ausnahms-
weise sehr dick); b Dotter;
c Keimbläschen; d Keim-
fleck.

in sich schließt und welches man das Keimbläs-
chen
genannt hat. In dem Innern des Keim-
bläschens selbst findet sich bald ein körniger Fleck,
bald an dessen Statt, eins oder mehrere außeror-
dentliche kleine Bläschen, die Keimflecke. Das
primitive Ei aller Thiere ist aus diesen verschie-
denen ineinander geschachtelten Gebilden, dem
Keimfleck, dem Keimbläschen und dem Dotter zu-
sammengesetzt und hat stets eine nur mikroskopische
Größe. Die Eier werden in besonderen, manch-
mal sich periodisch entwickelnden Organen, in den
Eierstöcken gebildet. Ihre in die Augen fallende
Größe erhalten sie meistens durch Vermehrung des
Dotters, oder durch spätere Umbildung verschiedenartiger Hüllen und
Schalen und des Eiweißes. Zur Bildung dieser Letzteren entwickeln
sich eigene Hilfsorgane und Drüsen, so daß bei vielen Thieren die
weiblichen Geschlechtstheile einen äußerst complicirten Bau besitzen.

Das männliche Zeugungsprodukt, der Same, wird ebenfalls in
eigenen drüsenartigen Organen ausgebildet und zeigt eine nicht minder
charakteristische Zusammensetzung. Mit nur wenigen Ausnahmen enthält
er bei allen Thieren zur Zeit der Zeugungsfähigkeit lebendig bewegte
Körperchen, die man mit dem Namen der Samenthierchen oder

[Abbildung] Fig. 20.

Saamenthierchen rerschiedener Thiere.
a. Von einem Polypen (Actinia).
b. Von einer Qualle (Rhizostoma).
c. Von einem Säugethier (Bär).
d. Von einem Vogel (Sperling).
e. Von einem Krebse (Hummer).

Samenfäden belegte.
Früher hielt man sie,
ihrer lebhaften Be-
wegungen wegen, all-
gemein für Thiere,
die man bald den In-
fusionsthierchen, bald
den Eingeweidewür-
mern zuzählte. Allein
alle Versuche eine in-
nere Organisation an
ihnen zu entdecken, wa-
ren durchaus frucht-
los. Durch genauere
Untersuchung ihrer Entstehungsweise an ihrer Bildungsstätte, dem
Hoden, überzeugte man sich, daß sie nicht selbstständige Thiere, son-
dern nur Formelemente des männlichen Organismus seien, welche
eine ähnliche Beweglichkeit besitzen wie die Flimmer- und Wimperhaare.


[Abbildung] Fig 19.

Eierſtocksei des
Kaninchens.
a Dotter haut (bei den
Säugethieren ausnahms-
weiſe ſehr dick); b Dotter;
c Keimbläschen; d Keim-
fleck.

in ſich ſchließt und welches man das Keimbläs-
chen
genannt hat. In dem Innern des Keim-
bläschens ſelbſt findet ſich bald ein körniger Fleck,
bald an deſſen Statt, eins oder mehrere außeror-
dentliche kleine Bläschen, die Keimflecke. Das
primitive Ei aller Thiere iſt aus dieſen verſchie-
denen ineinander geſchachtelten Gebilden, dem
Keimfleck, dem Keimbläschen und dem Dotter zu-
ſammengeſetzt und hat ſtets eine nur mikroſkopiſche
Größe. Die Eier werden in beſonderen, manch-
mal ſich periodiſch entwickelnden Organen, in den
Eierſtöcken gebildet. Ihre in die Augen fallende
Größe erhalten ſie meiſtens durch Vermehrung des
Dotters, oder durch ſpätere Umbildung verſchiedenartiger Hüllen und
Schalen und des Eiweißes. Zur Bildung dieſer Letzteren entwickeln
ſich eigene Hilfsorgane und Drüſen, ſo daß bei vielen Thieren die
weiblichen Geſchlechtstheile einen äußerſt complicirten Bau beſitzen.

Das männliche Zeugungsprodukt, der Same, wird ebenfalls in
eigenen drüſenartigen Organen ausgebildet und zeigt eine nicht minder
charakteriſtiſche Zuſammenſetzung. Mit nur wenigen Ausnahmen enthält
er bei allen Thieren zur Zeit der Zeugungsfähigkeit lebendig bewegte
Körperchen, die man mit dem Namen der Samenthierchen oder

[Abbildung] Fig. 20.

Saamenthierchen rerſchiedener Thiere.
a. Von einem Polypen (Actinia).
b. Von einer Qualle (Rhizostoma).
c. Von einem Säugethier (Bär).
d. Von einem Vogel (Sperling).
e. Von einem Krebſe (Hummer).

Samenfäden belegte.
Früher hielt man ſie,
ihrer lebhaften Be-
wegungen wegen, all-
gemein für Thiere,
die man bald den In-
fuſionsthierchen, bald
den Eingeweidewür-
mern zuzählte. Allein
alle Verſuche eine in-
nere Organiſation an
ihnen zu entdecken, wa-
ren durchaus frucht-
los. Durch genauere
Unterſuchung ihrer Entſtehungsweiſe an ihrer Bildungsſtätte, dem
Hoden, überzeugte man ſich, daß ſie nicht ſelbſtſtändige Thiere, ſon-
dern nur Formelemente des männlichen Organismus ſeien, welche
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[57/0063] [Abbildung Fig 19. Eierſtocksei des Kaninchens. a Dotter haut (bei den Säugethieren ausnahms- weiſe ſehr dick); b Dotter; c Keimbläschen; d Keim- fleck.] in ſich ſchließt und welches man das Keimbläs- chen genannt hat. In dem Innern des Keim- bläschens ſelbſt findet ſich bald ein körniger Fleck, bald an deſſen Statt, eins oder mehrere außeror- dentliche kleine Bläschen, die Keimflecke. Das primitive Ei aller Thiere iſt aus dieſen verſchie- denen ineinander geſchachtelten Gebilden, dem Keimfleck, dem Keimbläschen und dem Dotter zu- ſammengeſetzt und hat ſtets eine nur mikroſkopiſche Größe. Die Eier werden in beſonderen, manch- mal ſich periodiſch entwickelnden Organen, in den Eierſtöcken gebildet. Ihre in die Augen fallende Größe erhalten ſie meiſtens durch Vermehrung des Dotters, oder durch ſpätere Umbildung verſchiedenartiger Hüllen und Schalen und des Eiweißes. Zur Bildung dieſer Letzteren entwickeln ſich eigene Hilfsorgane und Drüſen, ſo daß bei vielen Thieren die weiblichen Geſchlechtstheile einen äußerſt complicirten Bau beſitzen. Das männliche Zeugungsprodukt, der Same, wird ebenfalls in eigenen drüſenartigen Organen ausgebildet und zeigt eine nicht minder charakteriſtiſche Zuſammenſetzung. Mit nur wenigen Ausnahmen enthält er bei allen Thieren zur Zeit der Zeugungsfähigkeit lebendig bewegte Körperchen, die man mit dem Namen der Samenthierchen oder [Abbildung Fig. 20. Saamenthierchen rerſchiedener Thiere. a. Von einem Polypen (Actinia). b. Von einer Qualle (Rhizostoma). c. Von einem Säugethier (Bär). d. Von einem Vogel (Sperling). e. Von einem Krebſe (Hummer).] Samenfäden belegte. Früher hielt man ſie, ihrer lebhaften Be- wegungen wegen, all- gemein für Thiere, die man bald den In- fuſionsthierchen, bald den Eingeweidewür- mern zuzählte. Allein alle Verſuche eine in- nere Organiſation an ihnen zu entdecken, wa- ren durchaus frucht- los. Durch genauere Unterſuchung ihrer Entſtehungsweiſe an ihrer Bildungsſtätte, dem Hoden, überzeugte man ſich, daß ſie nicht ſelbſtſtändige Thiere, ſon- dern nur Formelemente des männlichen Organismus ſeien, welche eine ähnliche Beweglichkeit beſitzen wie die Flimmer- und Wimperhaare.

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/63>, abgerufen am 30.04.2024.