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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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ander in direkte, unmittelbare Berührung kommen. Bei den einen
wird dies dadurch erreicht, daß die Eier, von dem mütterlichen Orga-
nismus ausgestoßen, außerhalb desselben durch den von dem männ-
lichen Individuum ausgestoßenen Samen befruchtet werden, und zwar
geschieht dieses ebensowohl bei solchen Arten, welche an dem Boden
festsitzen, als bei solchen, die sich frei im Raume bewegen können.
Selbst unter den Thieren, welche gemeinschaftliche Colonieen oder Stöcke
bilden, kommt es nicht nur vor, daß männliche und weibliche Indi-
viduen auf demselben Stocke sich finden, sondern auch, daß sämmt-
liche Individuen eines Stockes nur einem einzigen Geschlechte angehören,
also entweder männlich oder weiblich sind, und daß demnach die Zeu-
gungsstoffe auf's Geradewohl dem Wasser überlassen werden müssen,
in der Hoffnung, daß der Strom des flüssigen Elementes sie den
Stöcken des andern Geschlechtes zuführen werde. Es findet hier das
ähnliche Verhältniß statt, wie bei denjenigen Pflanzen, bei welchen
ebenfalls männliche und weibliche Blüthen auf verschiedenen Stämme
vertheilt sind, und wo der Wind den Blüthenstaub den weiblichen
Blumen zuführen muß.

Bei den höhern Thieren findet die Befruchtung des Eies noch
innerhalb des mütterlichen Organismus statt, in welchen die männ-
lichen Zeugungsstoffe durch die Begattung eingeführt werden. Wie
bei denjenigen Thieren, deren Eier außerhalb der Mutter befruchtet
werden, so löst sich auch hier zu gewissen, periodisch wiederkehrenden
Zeiten, das Ei aus seiner Geburtsstätte, dem Eierstocke los und wird
nach Außen geführt. Auf seinem Wege trifft es die männlichen Zeu-
gungsstoffe, die entweder durch unmittelbare Begattung dem weiblichen
Organismus einverleibt wurden, oder aber schon seit längerer Zeit
dort verweilten. Bei vielen Thieren nämlich und besonders bei den
Insekten existirt als besonderer Anhang der innern weiblichen Ge-
schlechtsorgane eine Tasche oder ein Behälter, in welchem der männ-
liche Same selbst Jahrelang unverändert sich erhält, so daß eine einzige
Begattung für vielfache Perioden des Eierlegens zur Befruchtung
genügend ist. Meist wird das Ei nach erfolgter Befruchtung von dem
mütterlichen Organismus ausgestoßen, zuweilen aber auch entwickelt
sich das junge Thier im Innern des mütterlichen Organismus an
einer besonderen zu den Geschlechtsorganen gehörigen Brutstätte, dem
Uterus oder der Gebärmutter, und verlässt dann erst denselben als
mehr oder minder ausgebildeter Fötus. Bei den höchsten Typen des
Thierreiches tritt sogar das Junge in einen engen Zusammenhang

ander in direkte, unmittelbare Berührung kommen. Bei den einen
wird dies dadurch erreicht, daß die Eier, von dem mütterlichen Orga-
nismus ausgeſtoßen, außerhalb deſſelben durch den von dem männ-
lichen Individuum ausgeſtoßenen Samen befruchtet werden, und zwar
geſchieht dieſes ebenſowohl bei ſolchen Arten, welche an dem Boden
feſtſitzen, als bei ſolchen, die ſich frei im Raume bewegen können.
Selbſt unter den Thieren, welche gemeinſchaftliche Colonieen oder Stöcke
bilden, kommt es nicht nur vor, daß männliche und weibliche Indi-
viduen auf demſelben Stocke ſich finden, ſondern auch, daß ſämmt-
liche Individuen eines Stockes nur einem einzigen Geſchlechte angehören,
alſo entweder männlich oder weiblich ſind, und daß demnach die Zeu-
gungsſtoffe auf’s Geradewohl dem Waſſer überlaſſen werden müſſen,
in der Hoffnung, daß der Strom des flüſſigen Elementes ſie den
Stöcken des andern Geſchlechtes zuführen werde. Es findet hier das
ähnliche Verhältniß ſtatt, wie bei denjenigen Pflanzen, bei welchen
ebenfalls männliche und weibliche Blüthen auf verſchiedenen Stämme
vertheilt ſind, und wo der Wind den Blüthenſtaub den weiblichen
Blumen zuführen muß.

Bei den höhern Thieren findet die Befruchtung des Eies noch
innerhalb des mütterlichen Organismus ſtatt, in welchen die männ-
lichen Zeugungsſtoffe durch die Begattung eingeführt werden. Wie
bei denjenigen Thieren, deren Eier außerhalb der Mutter befruchtet
werden, ſo löſt ſich auch hier zu gewiſſen, periodiſch wiederkehrenden
Zeiten, das Ei aus ſeiner Geburtsſtätte, dem Eierſtocke los und wird
nach Außen geführt. Auf ſeinem Wege trifft es die männlichen Zeu-
gungsſtoffe, die entweder durch unmittelbare Begattung dem weiblichen
Organismus einverleibt wurden, oder aber ſchon ſeit längerer Zeit
dort verweilten. Bei vielen Thieren nämlich und beſonders bei den
Inſekten exiſtirt als beſonderer Anhang der innern weiblichen Ge-
ſchlechtsorgane eine Taſche oder ein Behälter, in welchem der männ-
liche Same ſelbſt Jahrelang unverändert ſich erhält, ſo daß eine einzige
Begattung für vielfache Perioden des Eierlegens zur Befruchtung
genügend iſt. Meiſt wird das Ei nach erfolgter Befruchtung von dem
mütterlichen Organismus ausgeſtoßen, zuweilen aber auch entwickelt
ſich das junge Thier im Innern des mütterlichen Organismus an
einer beſonderen zu den Geſchlechtsorganen gehörigen Brutſtätte, dem
Uterus oder der Gebärmutter, und verläſſt dann erſt denſelben als
mehr oder minder ausgebildeter Fötus. Bei den höchſten Typen des
Thierreiches tritt ſogar das Junge in einen engen Zuſammenhang

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[59/0065] ander in direkte, unmittelbare Berührung kommen. Bei den einen wird dies dadurch erreicht, daß die Eier, von dem mütterlichen Orga- nismus ausgeſtoßen, außerhalb deſſelben durch den von dem männ- lichen Individuum ausgeſtoßenen Samen befruchtet werden, und zwar geſchieht dieſes ebenſowohl bei ſolchen Arten, welche an dem Boden feſtſitzen, als bei ſolchen, die ſich frei im Raume bewegen können. Selbſt unter den Thieren, welche gemeinſchaftliche Colonieen oder Stöcke bilden, kommt es nicht nur vor, daß männliche und weibliche Indi- viduen auf demſelben Stocke ſich finden, ſondern auch, daß ſämmt- liche Individuen eines Stockes nur einem einzigen Geſchlechte angehören, alſo entweder männlich oder weiblich ſind, und daß demnach die Zeu- gungsſtoffe auf’s Geradewohl dem Waſſer überlaſſen werden müſſen, in der Hoffnung, daß der Strom des flüſſigen Elementes ſie den Stöcken des andern Geſchlechtes zuführen werde. Es findet hier das ähnliche Verhältniß ſtatt, wie bei denjenigen Pflanzen, bei welchen ebenfalls männliche und weibliche Blüthen auf verſchiedenen Stämme vertheilt ſind, und wo der Wind den Blüthenſtaub den weiblichen Blumen zuführen muß. Bei den höhern Thieren findet die Befruchtung des Eies noch innerhalb des mütterlichen Organismus ſtatt, in welchen die männ- lichen Zeugungsſtoffe durch die Begattung eingeführt werden. Wie bei denjenigen Thieren, deren Eier außerhalb der Mutter befruchtet werden, ſo löſt ſich auch hier zu gewiſſen, periodiſch wiederkehrenden Zeiten, das Ei aus ſeiner Geburtsſtätte, dem Eierſtocke los und wird nach Außen geführt. Auf ſeinem Wege trifft es die männlichen Zeu- gungsſtoffe, die entweder durch unmittelbare Begattung dem weiblichen Organismus einverleibt wurden, oder aber ſchon ſeit längerer Zeit dort verweilten. Bei vielen Thieren nämlich und beſonders bei den Inſekten exiſtirt als beſonderer Anhang der innern weiblichen Ge- ſchlechtsorgane eine Taſche oder ein Behälter, in welchem der männ- liche Same ſelbſt Jahrelang unverändert ſich erhält, ſo daß eine einzige Begattung für vielfache Perioden des Eierlegens zur Befruchtung genügend iſt. Meiſt wird das Ei nach erfolgter Befruchtung von dem mütterlichen Organismus ausgeſtoßen, zuweilen aber auch entwickelt ſich das junge Thier im Innern des mütterlichen Organismus an einer beſonderen zu den Geſchlechtsorganen gehörigen Brutſtätte, dem Uterus oder der Gebärmutter, und verläſſt dann erſt denſelben als mehr oder minder ausgebildeter Fötus. Bei den höchſten Typen des Thierreiches tritt ſogar das Junge in einen engen Zuſammenhang

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/65>, abgerufen am 04.12.2024.