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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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teren Winkel der Schale, entweder auf einer kurzen Warze oder in
die Afterröhre des Mantels. Die Leber ist bedeutend groß und
läßt sich meist nur schwierig von den Windungen des Darmes
trennen.

Das Herz aller Blattkiemer ist einfach und stets in der Rücken-
gegend in der Nähe des einfachen oder, wenn zwei Schließmuskeln
vorhanden, in der Nähe des hinteren Schließmuskels gelegen; es ist
deutlich von einem Herzbeutel umschlossen, der eine schleimige Flüssig-
keit enthält, und besteht aus einer Kammer und zwei seitlichen Vor-
höfen, die weit dünnere Wände haben. Die Herzkammer wird fast
bei allen Muschelthieren ihrer ganzen Länge nach von dem Mast-
darme durchbohrt; -- ein Verhalten, von welchem hauptsächlich nur
die Archenmuscheln eine Ausnahme machen. Von der Herzkammer
aus gehen fast überall zwei große Blutgefäßstämme, von denen der
eine nach hinten, der andere nach vorn sich erstreckt und hauptsächlich
in den Mantel und die Eingeweide sich vertheilt. Von hier aus kehrt
das Blut durch wandungslose Gefäße zurück, indem zugleich der ganze
Eingeweidesack als Behälter für das rückkehrende Blut dient. Auch
in den Kiemen strömt das Blut, welches vollkommen farblos ist, in
durchaus wandungslosen Kanälen und es erhalten die Kiemen haupt-
sächlich ihre Zufuhr aus einem meist schwärzlichen mit drüsigen Wan-
dungen versehenen Sack, welcher hinter dem Herzen liegt und offen-
bar das erste Rudiment einer Niere darstellt.

Die Athemorgane sind bei allen Muschelthieren ohne Aus-
nahme aus blättrigen Kiemen gebildet, welche unmittelbar unter dem
Mantel, zu beiden Seiten des Eingeweidesackes sich befinden. Fast
überall finden sich auf jeder Seite zwei Kiemenblätter, von denen das
äußere, welches dem Mantel anliegt, meist etwas kleiner ist als das
innere. Nur in höchst seltenen Ausnahmen (Lucina) ist ein Paar
dieser Kiemenblätter verkümmert und auf jeder Seite nur ein Blatt
vorhanden. Nach unten hin sind die Kiemenblätter überall frei, ver-
wachsen aber zuweilen an ihrem hintern Ende; -- nach oben sind sie
an dem Eingeweidesacke befestigt. Die Structur dieser Kiemenblätter ist
äußerst merkwürdig; durch knorpliche Fäden sind sie in Längsfelder ge-
schieden, die wieder durch Querbalken in einzelne schmale Fächer ge-
theilt sind. Da nun jedes Kiemenblatt aus einer doppelten Lamelle
besteht, so entstehen eben so viele Taschen mit Querfalten, welche alle
in die Mantelhöhle ausmünden. Die Ränder der Falten und Taschen
sind mit außerordentlich großen und äußerst lebhaft schwingenden
Wimperhaaren besetzt, welche beständig den Zustrom des Wassers er-

teren Winkel der Schale, entweder auf einer kurzen Warze oder in
die Afterröhre des Mantels. Die Leber iſt bedeutend groß und
läßt ſich meiſt nur ſchwierig von den Windungen des Darmes
trennen.

Das Herz aller Blattkiemer iſt einfach und ſtets in der Rücken-
gegend in der Nähe des einfachen oder, wenn zwei Schließmuskeln
vorhanden, in der Nähe des hinteren Schließmuskels gelegen; es iſt
deutlich von einem Herzbeutel umſchloſſen, der eine ſchleimige Flüſſig-
keit enthält, und beſteht aus einer Kammer und zwei ſeitlichen Vor-
höfen, die weit dünnere Wände haben. Die Herzkammer wird faſt
bei allen Muſchelthieren ihrer ganzen Länge nach von dem Maſt-
darme durchbohrt; — ein Verhalten, von welchem hauptſächlich nur
die Archenmuſcheln eine Ausnahme machen. Von der Herzkammer
aus gehen faſt überall zwei große Blutgefäßſtämme, von denen der
eine nach hinten, der andere nach vorn ſich erſtreckt und hauptſächlich
in den Mantel und die Eingeweide ſich vertheilt. Von hier aus kehrt
das Blut durch wandungsloſe Gefäße zurück, indem zugleich der ganze
Eingeweideſack als Behälter für das rückkehrende Blut dient. Auch
in den Kiemen ſtrömt das Blut, welches vollkommen farblos iſt, in
durchaus wandungsloſen Kanälen und es erhalten die Kiemen haupt-
ſächlich ihre Zufuhr aus einem meiſt ſchwärzlichen mit drüſigen Wan-
dungen verſehenen Sack, welcher hinter dem Herzen liegt und offen-
bar das erſte Rudiment einer Niere darſtellt.

Die Athemorgane ſind bei allen Muſchelthieren ohne Aus-
nahme aus blättrigen Kiemen gebildet, welche unmittelbar unter dem
Mantel, zu beiden Seiten des Eingeweideſackes ſich befinden. Faſt
überall finden ſich auf jeder Seite zwei Kiemenblätter, von denen das
äußere, welches dem Mantel anliegt, meiſt etwas kleiner iſt als das
innere. Nur in höchſt ſeltenen Ausnahmen (Lucina) iſt ein Paar
dieſer Kiemenblätter verkümmert und auf jeder Seite nur ein Blatt
vorhanden. Nach unten hin ſind die Kiemenblätter überall frei, ver-
wachſen aber zuweilen an ihrem hintern Ende; — nach oben ſind ſie
an dem Eingeweideſacke befeſtigt. Die Structur dieſer Kiemenblätter iſt
äußerſt merkwürdig; durch knorpliche Fäden ſind ſie in Längsfelder ge-
ſchieden, die wieder durch Querbalken in einzelne ſchmale Fächer ge-
theilt ſind. Da nun jedes Kiemenblatt aus einer doppelten Lamelle
beſteht, ſo entſtehen eben ſo viele Taſchen mit Querfalten, welche alle
in die Mantelhöhle ausmünden. Die Ränder der Falten und Taſchen
ſind mit außerordentlich großen und äußerſt lebhaft ſchwingenden
Wimperhaaren beſetzt, welche beſtändig den Zuſtrom des Waſſers er-

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[299/0305] teren Winkel der Schale, entweder auf einer kurzen Warze oder in die Afterröhre des Mantels. Die Leber iſt bedeutend groß und läßt ſich meiſt nur ſchwierig von den Windungen des Darmes trennen. Das Herz aller Blattkiemer iſt einfach und ſtets in der Rücken- gegend in der Nähe des einfachen oder, wenn zwei Schließmuskeln vorhanden, in der Nähe des hinteren Schließmuskels gelegen; es iſt deutlich von einem Herzbeutel umſchloſſen, der eine ſchleimige Flüſſig- keit enthält, und beſteht aus einer Kammer und zwei ſeitlichen Vor- höfen, die weit dünnere Wände haben. Die Herzkammer wird faſt bei allen Muſchelthieren ihrer ganzen Länge nach von dem Maſt- darme durchbohrt; — ein Verhalten, von welchem hauptſächlich nur die Archenmuſcheln eine Ausnahme machen. Von der Herzkammer aus gehen faſt überall zwei große Blutgefäßſtämme, von denen der eine nach hinten, der andere nach vorn ſich erſtreckt und hauptſächlich in den Mantel und die Eingeweide ſich vertheilt. Von hier aus kehrt das Blut durch wandungsloſe Gefäße zurück, indem zugleich der ganze Eingeweideſack als Behälter für das rückkehrende Blut dient. Auch in den Kiemen ſtrömt das Blut, welches vollkommen farblos iſt, in durchaus wandungsloſen Kanälen und es erhalten die Kiemen haupt- ſächlich ihre Zufuhr aus einem meiſt ſchwärzlichen mit drüſigen Wan- dungen verſehenen Sack, welcher hinter dem Herzen liegt und offen- bar das erſte Rudiment einer Niere darſtellt. Die Athemorgane ſind bei allen Muſchelthieren ohne Aus- nahme aus blättrigen Kiemen gebildet, welche unmittelbar unter dem Mantel, zu beiden Seiten des Eingeweideſackes ſich befinden. Faſt überall finden ſich auf jeder Seite zwei Kiemenblätter, von denen das äußere, welches dem Mantel anliegt, meiſt etwas kleiner iſt als das innere. Nur in höchſt ſeltenen Ausnahmen (Lucina) iſt ein Paar dieſer Kiemenblätter verkümmert und auf jeder Seite nur ein Blatt vorhanden. Nach unten hin ſind die Kiemenblätter überall frei, ver- wachſen aber zuweilen an ihrem hintern Ende; — nach oben ſind ſie an dem Eingeweideſacke befeſtigt. Die Structur dieſer Kiemenblätter iſt äußerſt merkwürdig; durch knorpliche Fäden ſind ſie in Längsfelder ge- ſchieden, die wieder durch Querbalken in einzelne ſchmale Fächer ge- theilt ſind. Da nun jedes Kiemenblatt aus einer doppelten Lamelle beſteht, ſo entſtehen eben ſo viele Taſchen mit Querfalten, welche alle in die Mantelhöhle ausmünden. Die Ränder der Falten und Taſchen ſind mit außerordentlich großen und äußerſt lebhaft ſchwingenden Wimperhaaren beſetzt, welche beſtändig den Zuſtrom des Waſſers er-

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/305>, abgerufen am 18.05.2024.