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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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Sinnesorgane finden sich bei vielen Blattkiemern und zwar
sowohl Gehörorgane als Augen. Die Gehörorgane bestehen aus
runden durchsichtigen, aber ziemlich festen Kapseln, die eine Flüssigkeit
einschließen, in welcher ein durchsichtiger, krystallinischer Kern von
kohlensaurem Kalk, durch die Wirkung von Flimmerhaaren, hin und
her getrieben wird. Es liegen diese beide Gehörkapseln unmittelbar
vor den Nervenknoten des Fußes, mit denen sie meist nur durch einen
sehr kurzen Gehörnerven verbunden sind, und sie kommen wohl allen
Muschelthieren ohne Ausnahme zu.

Weniger verbreitet sind die Augen, welche man besonders bei
den Kammmuscheln als runde, wie Edelsteine glänzende Punkte an
den Mantelränden erkannte. Bei genauerer Untersuchung erscheinen
diese braun, grün oder roth gefärbten kugelförmigen Augen, welche
meistens auf kurzen Stielen stehen, deutlich aus einer durchsichtigen
Hornhaut, einer Pigmenthaut, die zuweilen selbst eine Iris bildet, aus
einem lichtbrechenden Körper zusammengesetzt. Viele Bedeutung für
das Thier mögen diese Augen wohl nicht haben, da sie den meisten
übrigen Blattkiemern abgehen, wenigstens konnten die Augen, welche
ein höchst genau sein wollender Beobachter bei Austern und ähnlichen
Muscheln beobachtet haben wollte, von späteren Forschern durchaus
nicht gefunden werden.

Die Verdauungsorgane der Blattkiemer sind äußerst ein-
fach. Zu beiden Seiten des Mundes befinden sich fast immer zwei,
nur selten ein Paar, meist dreieckiger Läppchen, die sogenannten Mund-
lappen
, welche in ihrer Structur den Kiemen gleichen, und mit einem
äußerst lebhaften Wimperüberzuge versehen sind. Diese Mundlappen,
welche nur bei sehr wenigen Gattungen verkümmert erscheinen, oft aber
sehr lang, riemenförmig oder spiralig gewunden sind, vereinigen sich
zu einer Rinne, die zu dem Munde hinführt und in welche durch die
Wimperbewegung die fein zertheilten Futterstoffe zusammen getrieben
werden. Außerdem dienen diese Lappen wohl noch ohne Zweifel als
Tastorgane in ähnlicher Weise wie die Mantelränder.

Die Mundöffnung der Blattkiemer ist stets unbewaffnet und
zeigt namentlich nie eine Spur von Kiefern, Zähnen oder einer Zunge;
sie führt entweder unmittelbar oder mittelst einer kurzen Speiseröhre
in einen geräumigen Magen, der ebenso wie der schlauchförmige, bald
mehr bald minder gewundene Darmkanal in der Masse der Leber,
theilweise selbst des Eierstockes, vergraben liegt. Der Mastdarm wen-
det sich bei allen Muschelthieren mehr nach oben gegen das Schloß der
Schale hin, durchbohrt meistens das Herz und öffnet sich in dem hin-

Sinnesorgane finden ſich bei vielen Blattkiemern und zwar
ſowohl Gehörorgane als Augen. Die Gehörorgane beſtehen aus
runden durchſichtigen, aber ziemlich feſten Kapſeln, die eine Flüſſigkeit
einſchließen, in welcher ein durchſichtiger, kryſtalliniſcher Kern von
kohlenſaurem Kalk, durch die Wirkung von Flimmerhaaren, hin und
her getrieben wird. Es liegen dieſe beide Gehörkapſeln unmittelbar
vor den Nervenknoten des Fußes, mit denen ſie meiſt nur durch einen
ſehr kurzen Gehörnerven verbunden ſind, und ſie kommen wohl allen
Muſchelthieren ohne Ausnahme zu.

Weniger verbreitet ſind die Augen, welche man beſonders bei
den Kammmuſcheln als runde, wie Edelſteine glänzende Punkte an
den Mantelränden erkannte. Bei genauerer Unterſuchung erſcheinen
dieſe braun, grün oder roth gefärbten kugelförmigen Augen, welche
meiſtens auf kurzen Stielen ſtehen, deutlich aus einer durchſichtigen
Hornhaut, einer Pigmenthaut, die zuweilen ſelbſt eine Iris bildet, aus
einem lichtbrechenden Körper zuſammengeſetzt. Viele Bedeutung für
das Thier mögen dieſe Augen wohl nicht haben, da ſie den meiſten
übrigen Blattkiemern abgehen, wenigſtens konnten die Augen, welche
ein höchſt genau ſein wollender Beobachter bei Auſtern und ähnlichen
Muſcheln beobachtet haben wollte, von ſpäteren Forſchern durchaus
nicht gefunden werden.

Die Verdauungsorgane der Blattkiemer ſind äußerſt ein-
fach. Zu beiden Seiten des Mundes befinden ſich faſt immer zwei,
nur ſelten ein Paar, meiſt dreieckiger Läppchen, die ſogenannten Mund-
lappen
, welche in ihrer Structur den Kiemen gleichen, und mit einem
äußerſt lebhaften Wimperüberzuge verſehen ſind. Dieſe Mundlappen,
welche nur bei ſehr wenigen Gattungen verkümmert erſcheinen, oft aber
ſehr lang, riemenförmig oder ſpiralig gewunden ſind, vereinigen ſich
zu einer Rinne, die zu dem Munde hinführt und in welche durch die
Wimperbewegung die fein zertheilten Futterſtoffe zuſammen getrieben
werden. Außerdem dienen dieſe Lappen wohl noch ohne Zweifel als
Taſtorgane in ähnlicher Weiſe wie die Mantelränder.

Die Mundöffnung der Blattkiemer iſt ſtets unbewaffnet und
zeigt namentlich nie eine Spur von Kiefern, Zähnen oder einer Zunge;
ſie führt entweder unmittelbar oder mittelſt einer kurzen Speiſeröhre
in einen geräumigen Magen, der ebenſo wie der ſchlauchförmige, bald
mehr bald minder gewundene Darmkanal in der Maſſe der Leber,
theilweiſe ſelbſt des Eierſtockes, vergraben liegt. Der Maſtdarm wen-
det ſich bei allen Muſchelthieren mehr nach oben gegen das Schloß der
Schale hin, durchbohrt meiſtens das Herz und öffnet ſich in dem hin-

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[298/0304] Sinnesorgane finden ſich bei vielen Blattkiemern und zwar ſowohl Gehörorgane als Augen. Die Gehörorgane beſtehen aus runden durchſichtigen, aber ziemlich feſten Kapſeln, die eine Flüſſigkeit einſchließen, in welcher ein durchſichtiger, kryſtalliniſcher Kern von kohlenſaurem Kalk, durch die Wirkung von Flimmerhaaren, hin und her getrieben wird. Es liegen dieſe beide Gehörkapſeln unmittelbar vor den Nervenknoten des Fußes, mit denen ſie meiſt nur durch einen ſehr kurzen Gehörnerven verbunden ſind, und ſie kommen wohl allen Muſchelthieren ohne Ausnahme zu. Weniger verbreitet ſind die Augen, welche man beſonders bei den Kammmuſcheln als runde, wie Edelſteine glänzende Punkte an den Mantelränden erkannte. Bei genauerer Unterſuchung erſcheinen dieſe braun, grün oder roth gefärbten kugelförmigen Augen, welche meiſtens auf kurzen Stielen ſtehen, deutlich aus einer durchſichtigen Hornhaut, einer Pigmenthaut, die zuweilen ſelbſt eine Iris bildet, aus einem lichtbrechenden Körper zuſammengeſetzt. Viele Bedeutung für das Thier mögen dieſe Augen wohl nicht haben, da ſie den meiſten übrigen Blattkiemern abgehen, wenigſtens konnten die Augen, welche ein höchſt genau ſein wollender Beobachter bei Auſtern und ähnlichen Muſcheln beobachtet haben wollte, von ſpäteren Forſchern durchaus nicht gefunden werden. Die Verdauungsorgane der Blattkiemer ſind äußerſt ein- fach. Zu beiden Seiten des Mundes befinden ſich faſt immer zwei, nur ſelten ein Paar, meiſt dreieckiger Läppchen, die ſogenannten Mund- lappen, welche in ihrer Structur den Kiemen gleichen, und mit einem äußerſt lebhaften Wimperüberzuge verſehen ſind. Dieſe Mundlappen, welche nur bei ſehr wenigen Gattungen verkümmert erſcheinen, oft aber ſehr lang, riemenförmig oder ſpiralig gewunden ſind, vereinigen ſich zu einer Rinne, die zu dem Munde hinführt und in welche durch die Wimperbewegung die fein zertheilten Futterſtoffe zuſammen getrieben werden. Außerdem dienen dieſe Lappen wohl noch ohne Zweifel als Taſtorgane in ähnlicher Weiſe wie die Mantelränder. Die Mundöffnung der Blattkiemer iſt ſtets unbewaffnet und zeigt namentlich nie eine Spur von Kiefern, Zähnen oder einer Zunge; ſie führt entweder unmittelbar oder mittelſt einer kurzen Speiſeröhre in einen geräumigen Magen, der ebenſo wie der ſchlauchförmige, bald mehr bald minder gewundene Darmkanal in der Maſſe der Leber, theilweiſe ſelbſt des Eierſtockes, vergraben liegt. Der Maſtdarm wen- det ſich bei allen Muſchelthieren mehr nach oben gegen das Schloß der Schale hin, durchbohrt meiſtens das Herz und öffnet ſich in dem hin-

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/304>, abgerufen am 18.05.2024.