Sanguisuga medicinalis. Der medicinische Blutegel.
Die Ordnung der Egel (Hirudinea) begreift meist lange, schlanke, rundliche oder abgeplattete Würmer, die eine schlüpfrige aber derbe Haut besitzen und auf der Oberfläche sehr viele Querrunzeln zeigen, welche indeß den durch die inneren Organe angedeuteten Glie- derungen nur in Ausnahmsfällen entsprechen. Der Körper ist meist nach vorn verschmälert, nach hinten breiter und trägt an dem hintern Theile stets einen breiten, muskulösen Saugnapf, welcher zum Anheften dient. Das dünnere Kopfende ist niemals als eigentlicher Kopf abge- setzt, zeigt aber bei den meisten Gattungen ebenfalls einen runden oder aus zwei seitlichen Lippen gebildeten Saugnapf, in dessen Grunde sich der Mund befindet. Dem Körper fehlen alle sonstigen Bewegungs- organe, namentlich jede Spur von Fußstummeln oder Borsten; er be- wegt sich beim Kriechen nach Art der Spannraupen durch abwechseln- des Anheften der Saugnäpfe oder mittelst schlängelnder Windungen beim Schwimmen. Das Nervensystem ist sehr entwickelt; -- es finden sich stets zwei Stränge, welche die Knoten des Bauchmarkes mit einander verbinden. Bei der am niedrigsten stehenden Familie der Weichegel sieht man indessen das Nervensystem in ähnlicher Weise wie bei den Saugwürmern angeordnet, indem nur zwei seitliche Kno- ten existiren, die durch eine dünne unter dem Schlund herziehende Schlinge verbunden sind und zwei seitliche Aeste nach hinten schicken, die keine Knoten zu besitzen scheinen. Zum Tasten dient besonders das vordere Kopfende; Augen finden sich bei allen frei lebenden Egeln in der Zahl von zwei bis zehn, fehlen aber den schmarotzenden Gattungen.
Die Egel leben hauptsächlich von dem Blute anderer Thiere und besitzen zu diesen Endzwecke in der Mundhöhle meist hornige Waffen,
[Abbildung]
Fig. 230.
Sanguisuga medicinalis. Der mediciniſche Blutegel.
Die Ordnung der Egel (Hirudinea) begreift meiſt lange, ſchlanke, rundliche oder abgeplattete Würmer, die eine ſchlüpfrige aber derbe Haut beſitzen und auf der Oberfläche ſehr viele Querrunzeln zeigen, welche indeß den durch die inneren Organe angedeuteten Glie- derungen nur in Ausnahmsfällen entſprechen. Der Körper iſt meiſt nach vorn verſchmälert, nach hinten breiter und trägt an dem hintern Theile ſtets einen breiten, muskulöſen Saugnapf, welcher zum Anheften dient. Das dünnere Kopfende iſt niemals als eigentlicher Kopf abge- ſetzt, zeigt aber bei den meiſten Gattungen ebenfalls einen runden oder aus zwei ſeitlichen Lippen gebildeten Saugnapf, in deſſen Grunde ſich der Mund befindet. Dem Körper fehlen alle ſonſtigen Bewegungs- organe, namentlich jede Spur von Fußſtummeln oder Borſten; er be- wegt ſich beim Kriechen nach Art der Spannraupen durch abwechſeln- des Anheften der Saugnäpfe oder mittelſt ſchlängelnder Windungen beim Schwimmen. Das Nervenſyſtem iſt ſehr entwickelt; — es finden ſich ſtets zwei Stränge, welche die Knoten des Bauchmarkes mit einander verbinden. Bei der am niedrigſten ſtehenden Familie der Weichegel ſieht man indeſſen das Nervenſyſtem in ähnlicher Weiſe wie bei den Saugwürmern angeordnet, indem nur zwei ſeitliche Kno- ten exiſtiren, die durch eine dünne unter dem Schlund herziehende Schlinge verbunden ſind und zwei ſeitliche Aeſte nach hinten ſchicken, die keine Knoten zu beſitzen ſcheinen. Zum Taſten dient beſonders das vordere Kopfende; Augen finden ſich bei allen frei lebenden Egeln in der Zahl von zwei bis zehn, fehlen aber den ſchmarotzenden Gattungen.
Die Egel leben hauptſächlich von dem Blute anderer Thiere und beſitzen zu dieſen Endzwecke in der Mundhöhle meiſt hornige Waffen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0230"n="224"/><figure><head>Fig. 230. </head><p><hirendition="#aq">Sanguisuga medicinalis.</hi> Der mediciniſche Blutegel.</p></figure><lb/><p>Die Ordnung der <hirendition="#b">Egel (<hirendition="#aq">Hirudinea</hi>)</hi> begreift meiſt lange,<lb/>ſchlanke, rundliche oder abgeplattete Würmer, die eine ſchlüpfrige<lb/>
aber derbe Haut beſitzen und auf der Oberfläche ſehr viele Querrunzeln<lb/>
zeigen, welche indeß den durch die inneren Organe angedeuteten Glie-<lb/>
derungen nur in Ausnahmsfällen entſprechen. Der Körper iſt meiſt<lb/>
nach vorn verſchmälert, nach hinten breiter und trägt an dem hintern<lb/>
Theile ſtets einen breiten, muskulöſen Saugnapf, welcher zum Anheften<lb/>
dient. Das dünnere Kopfende iſt niemals als eigentlicher Kopf abge-<lb/>ſetzt, zeigt aber bei den meiſten Gattungen ebenfalls einen runden oder<lb/>
aus zwei ſeitlichen Lippen gebildeten Saugnapf, in deſſen Grunde ſich<lb/>
der Mund befindet. Dem Körper fehlen alle ſonſtigen Bewegungs-<lb/>
organe, namentlich jede Spur von Fußſtummeln oder Borſten; er be-<lb/>
wegt ſich beim Kriechen nach Art der Spannraupen durch abwechſeln-<lb/>
des Anheften der Saugnäpfe oder mittelſt ſchlängelnder Windungen<lb/>
beim Schwimmen. Das <hirendition="#g">Nervenſyſtem</hi> iſt ſehr entwickelt; — es<lb/>
finden ſich ſtets zwei Stränge, welche die Knoten des Bauchmarkes<lb/>
mit einander verbinden. Bei der am niedrigſten ſtehenden Familie<lb/>
der Weichegel ſieht man indeſſen das Nervenſyſtem in ähnlicher Weiſe<lb/>
wie bei den Saugwürmern angeordnet, indem nur zwei ſeitliche Kno-<lb/>
ten exiſtiren, die durch eine dünne unter dem Schlund herziehende<lb/>
Schlinge verbunden ſind und zwei ſeitliche Aeſte nach hinten ſchicken,<lb/>
die keine Knoten zu beſitzen ſcheinen. Zum Taſten dient beſonders<lb/>
das vordere Kopfende; <hirendition="#g">Augen</hi> finden ſich bei allen frei lebenden<lb/>
Egeln in der Zahl von zwei bis zehn, fehlen aber den ſchmarotzenden<lb/>
Gattungen.</p><lb/><p>Die Egel leben hauptſächlich von dem Blute anderer Thiere und<lb/>
beſitzen zu dieſen Endzwecke in der <hirendition="#g">Mundhöhle</hi> meiſt hornige Waffen,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[224/0230]
[Abbildung Fig. 230. Sanguisuga medicinalis. Der mediciniſche Blutegel. ]
Die Ordnung der Egel (Hirudinea) begreift meiſt lange,
ſchlanke, rundliche oder abgeplattete Würmer, die eine ſchlüpfrige
aber derbe Haut beſitzen und auf der Oberfläche ſehr viele Querrunzeln
zeigen, welche indeß den durch die inneren Organe angedeuteten Glie-
derungen nur in Ausnahmsfällen entſprechen. Der Körper iſt meiſt
nach vorn verſchmälert, nach hinten breiter und trägt an dem hintern
Theile ſtets einen breiten, muskulöſen Saugnapf, welcher zum Anheften
dient. Das dünnere Kopfende iſt niemals als eigentlicher Kopf abge-
ſetzt, zeigt aber bei den meiſten Gattungen ebenfalls einen runden oder
aus zwei ſeitlichen Lippen gebildeten Saugnapf, in deſſen Grunde ſich
der Mund befindet. Dem Körper fehlen alle ſonſtigen Bewegungs-
organe, namentlich jede Spur von Fußſtummeln oder Borſten; er be-
wegt ſich beim Kriechen nach Art der Spannraupen durch abwechſeln-
des Anheften der Saugnäpfe oder mittelſt ſchlängelnder Windungen
beim Schwimmen. Das Nervenſyſtem iſt ſehr entwickelt; — es
finden ſich ſtets zwei Stränge, welche die Knoten des Bauchmarkes
mit einander verbinden. Bei der am niedrigſten ſtehenden Familie
der Weichegel ſieht man indeſſen das Nervenſyſtem in ähnlicher Weiſe
wie bei den Saugwürmern angeordnet, indem nur zwei ſeitliche Kno-
ten exiſtiren, die durch eine dünne unter dem Schlund herziehende
Schlinge verbunden ſind und zwei ſeitliche Aeſte nach hinten ſchicken,
die keine Knoten zu beſitzen ſcheinen. Zum Taſten dient beſonders
das vordere Kopfende; Augen finden ſich bei allen frei lebenden
Egeln in der Zahl von zwei bis zehn, fehlen aber den ſchmarotzenden
Gattungen.
Die Egel leben hauptſächlich von dem Blute anderer Thiere und
beſitzen zu dieſen Endzwecke in der Mundhöhle meiſt hornige Waffen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/230>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.