Individuum mit männlichen und weiblichen Begattungsorganen ver- sehen, während die andern Ordnungen getrennte Geschlechter besitzen. Bei den erstern findet, wie es scheint, keine Metamorphose statt, wohl aber bei den Letztern, weßhalb wir die Zeugungs- und Entwickelungs- verhältnisse bei den einzelnen Ordnungen betrachten werden. So viel sei nur noch bemerkt, daß auch bei allen Ringelwürmern ohne Aus- nahme der Embryo sich aus der ganzen Masse des Dotters bildet und daß diejenigen Beobachtungen, aus welchen man das Gegentheil er- schließen wollte, irrig aufgefaßt wurden. Bei keinem Ringelwurme findet sich jemals während des Laufes der Entwickelung ein dem Dot- ter gegenübergestellter Embryonaltheil und hierdurch, sowie durch den Mangel jedes gegliederten Bewegungsorganes trennen sich die Ringel- würmer weit ab von den Gliederthieren, mit welchen man sie bis in die neueste Zeit in Beziehung bringen wollte. Es ist aber diese Be- ziehung nur stets eine äußerliche, durch die Ringelung des Körpers und seine Theilung in gleichnamige Abschnitte hervorgebrachte und keineswegs zu vergleichen mit der ungleichnamigen Gliederung des Leibes, die bei den eigentlichen Gliederthieren vorhanden ist.
Aus der weichen Körperbeschaffenheit der Ringelwürmer geht schon hervor, daß ihre versteinerten Reste nur selten und unvollkommen er- halten sein können. Zwar findet man von den Urgesteinen an oft in schiefrigen Gebilden, welche sich am Strande bildeten, Abdrücke, die offenbar von Ringelwürmern herrühren, denen aber die charakteristi- schen Merkmale, die von den weichen Fühlern, Fußstummeln, Kiemen etc. hergenommen sind, gänzlich abgehen, so daß ihre Bestimmung und Vergleichung mit den lebenden Arten unausführbar wird. Eine Aus- nahme hiervon machen diejenigen Röhrenwürmer, welche sich feste Kalkröhren bauen, die wohl erhalten bleiben und meist charakteristische Merkmale bieten.
Wir theilen die Klasse der Ringelwürmer in fünf Ordnungen, die sich gewissermaßen in zwei Reihen gegenüberstehen, indem die Egel, die Stern- und Erdwürmer einerseits und besonders die Röhren- und Schlangenwürmer anderseits so viele Berührungspunkte zeigen, daß letztere beide kaum von einander zu scheiden sind.
Individuum mit männlichen und weiblichen Begattungsorganen ver- ſehen, während die andern Ordnungen getrennte Geſchlechter beſitzen. Bei den erſtern findet, wie es ſcheint, keine Metamorphoſe ſtatt, wohl aber bei den Letztern, weßhalb wir die Zeugungs- und Entwickelungs- verhältniſſe bei den einzelnen Ordnungen betrachten werden. So viel ſei nur noch bemerkt, daß auch bei allen Ringelwürmern ohne Aus- nahme der Embryo ſich aus der ganzen Maſſe des Dotters bildet und daß diejenigen Beobachtungen, aus welchen man das Gegentheil er- ſchließen wollte, irrig aufgefaßt wurden. Bei keinem Ringelwurme findet ſich jemals während des Laufes der Entwickelung ein dem Dot- ter gegenübergeſtellter Embryonaltheil und hierdurch, ſowie durch den Mangel jedes gegliederten Bewegungsorganes trennen ſich die Ringel- würmer weit ab von den Gliederthieren, mit welchen man ſie bis in die neueſte Zeit in Beziehung bringen wollte. Es iſt aber dieſe Be- ziehung nur ſtets eine äußerliche, durch die Ringelung des Körpers und ſeine Theilung in gleichnamige Abſchnitte hervorgebrachte und keineswegs zu vergleichen mit der ungleichnamigen Gliederung des Leibes, die bei den eigentlichen Gliederthieren vorhanden iſt.
Aus der weichen Körperbeſchaffenheit der Ringelwürmer geht ſchon hervor, daß ihre verſteinerten Reſte nur ſelten und unvollkommen er- halten ſein können. Zwar findet man von den Urgeſteinen an oft in ſchiefrigen Gebilden, welche ſich am Strande bildeten, Abdrücke, die offenbar von Ringelwürmern herrühren, denen aber die charakteriſti- ſchen Merkmale, die von den weichen Fühlern, Fußſtummeln, Kiemen etc. hergenommen ſind, gänzlich abgehen, ſo daß ihre Beſtimmung und Vergleichung mit den lebenden Arten unausführbar wird. Eine Aus- nahme hiervon machen diejenigen Röhrenwürmer, welche ſich feſte Kalkröhren bauen, die wohl erhalten bleiben und meiſt charakteriſtiſche Merkmale bieten.
Wir theilen die Klaſſe der Ringelwürmer in fünf Ordnungen, die ſich gewiſſermaßen in zwei Reihen gegenüberſtehen, indem die Egel, die Stern- und Erdwürmer einerſeits und beſonders die Röhren- und Schlangenwürmer anderſeits ſo viele Berührungspunkte zeigen, daß letztere beide kaum von einander zu ſcheiden ſind.
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Individuum mit männlichen und weiblichen Begattungsorganen ver-
ſehen, während die andern Ordnungen getrennte Geſchlechter beſitzen.
Bei den erſtern findet, wie es ſcheint, keine Metamorphoſe ſtatt, wohl
aber bei den Letztern, weßhalb wir die Zeugungs- und Entwickelungs-
verhältniſſe bei den einzelnen Ordnungen betrachten werden. So viel
ſei nur noch bemerkt, daß auch bei allen Ringelwürmern ohne Aus-
nahme der Embryo ſich aus der ganzen Maſſe des Dotters bildet und
daß diejenigen Beobachtungen, aus welchen man das Gegentheil er-
ſchließen wollte, irrig aufgefaßt wurden. Bei keinem Ringelwurme
findet ſich jemals während des Laufes der Entwickelung ein dem Dot-
ter gegenübergeſtellter Embryonaltheil und hierdurch, ſowie durch den
Mangel jedes gegliederten Bewegungsorganes trennen ſich die Ringel-
würmer weit ab von den Gliederthieren, mit welchen man ſie bis in
die neueſte Zeit in Beziehung bringen wollte. Es iſt aber dieſe Be-
ziehung nur ſtets eine äußerliche, durch die Ringelung des Körpers
und ſeine Theilung in gleichnamige Abſchnitte hervorgebrachte und
keineswegs zu vergleichen mit der ungleichnamigen Gliederung des
Leibes, die bei den eigentlichen Gliederthieren vorhanden iſt.
Aus der weichen Körperbeſchaffenheit der Ringelwürmer geht ſchon
hervor, daß ihre verſteinerten Reſte nur ſelten und unvollkommen er-
halten ſein können. Zwar findet man von den Urgeſteinen an oft in
ſchiefrigen Gebilden, welche ſich am Strande bildeten, Abdrücke, die
offenbar von Ringelwürmern herrühren, denen aber die charakteriſti-
ſchen Merkmale, die von den weichen Fühlern, Fußſtummeln, Kiemen
etc. hergenommen ſind, gänzlich abgehen, ſo daß ihre Beſtimmung und
Vergleichung mit den lebenden Arten unausführbar wird. Eine Aus-
nahme hiervon machen diejenigen Röhrenwürmer, welche ſich feſte
Kalkröhren bauen, die wohl erhalten bleiben und meiſt charakteriſtiſche
Merkmale bieten.
Wir theilen die Klaſſe der Ringelwürmer in fünf Ordnungen,
die ſich gewiſſermaßen in zwei Reihen gegenüberſtehen, indem die Egel,
die Stern- und Erdwürmer einerſeits und beſonders die Röhren- und
Schlangenwürmer anderſeits ſo viele Berührungspunkte zeigen, daß
letztere beide kaum von einander zu ſcheiden ſind.
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/229>, abgerufen am 04.12.2024.
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