bei einigen Arten steifere Härchen, die aber unbeweglich sind, oder selbst Flimmerhärchen sich entwickeln. Die Thierchen bewegen sich äußerst träge durch Zusammenziehungen ihres Körpers, schwellen durch Einsaugung von Wasser an, haben sichtlich ein gewisses Tastgefühl, welches sie Hindernisse vermeiden läßt, zeigen aber in ihrem Innern keinen weitern Inhalt als einen dunkeln Kern und eine eiweißartige Flüssigkeit, in welcher sich Fettkörperchen befinden. Einige dieser Thiere scheinen einfache Zellen; andere sind offenbar aus zwei Zellen zusam- mengesetzt, deren jede einen Kern hat. Nach diesen Unterschieden, so wie nach der äußeren Form, hat man mehrere Gattungen, selbst Fa- milien unter den Gregarinen aufgestellt, die indeß noch weiterer Be- stätigung durch die Entwickelungsgeschichte bedürfen.
Höchst eigenthümlich ist die Fortpflanzungsweise dieser mikrosko- pischen Schmarotzer, die freilich erst unvollständig beobachtet worden ist. Je zwei Gregarinen legen sich mit gleichnamigen Stellen ihres Leibes zusammen und kleben anfänglich so fest aneinander, daß ihre Tren- nung unthunlich erscheint. Nun bildet sich um die beiden Körper eine helle Kapsel, welche sie vollständig einschließt; -- innerhalb dieser Kapsel verschmelzen die beiden Körper vollständig in eine einzige Masse, welche gekörnt erscheint und durchaus keine Spur von weiterer organischer Aus- bildung zeigt. Die ganze Kapsel sieht nun gewissermaßen einem Ei mit Dottermasse ähnlich. In dem Inhalte dieser Kapsel bildet sich aber allmäh- lig eine große Masse von Keimkörnern aus, die eine kahnförmige Gestalt haben und in vielen Beziehungen den Navicellen gleichen, kleinen mi- kroskopischen Pflänzchen aus der Familie der Bacillarien, welche man häufig zu den Infusorien gerechnet hat. Man kannte diese soge- nannten Navicellenbehälter schon seit langer Zeit besonders aus den Fortpflanzungsorganen des Regenwurms und hatte sie sogar theilweise für Produkte der Geschlechtsorgane dieses Thieres, für Eier desselben erklärt, bis man später diesen Irrthum erkannte. Nach vollständiger Ausbildung der Keimkörner gehen diese Behälter entweder ganz mit dem Kothe des Wohnthieres ab oder sie platzen vorher in dem Darme desselben, so daß nur die Keimkörner entleert werden. Das weitere Schicksal, die fernere Entwickelung der Keimkörner, die Art und Weise, wie die Gregarinen wieder in die Thiere gelangen, deren Darmkanal von ihnen bewohnt wird, ist gänzlich unbekannt, weßhalb auch fer- nere Beobachtungen gewiß noch bedeutenden Modificationen des jetzt über die Gregarinen Bekannten bringen werden.
12*
bei einigen Arten ſteifere Härchen, die aber unbeweglich ſind, oder ſelbſt Flimmerhärchen ſich entwickeln. Die Thierchen bewegen ſich äußerſt träge durch Zuſammenziehungen ihres Körpers, ſchwellen durch Einſaugung von Waſſer an, haben ſichtlich ein gewiſſes Taſtgefühl, welches ſie Hinderniſſe vermeiden läßt, zeigen aber in ihrem Innern keinen weitern Inhalt als einen dunkeln Kern und eine eiweißartige Flüſſigkeit, in welcher ſich Fettkörperchen befinden. Einige dieſer Thiere ſcheinen einfache Zellen; andere ſind offenbar aus zwei Zellen zuſam- mengeſetzt, deren jede einen Kern hat. Nach dieſen Unterſchieden, ſo wie nach der äußeren Form, hat man mehrere Gattungen, ſelbſt Fa- milien unter den Gregarinen aufgeſtellt, die indeß noch weiterer Be- ſtätigung durch die Entwickelungsgeſchichte bedürfen.
Höchſt eigenthümlich iſt die Fortpflanzungsweiſe dieſer mikroſko- piſchen Schmarotzer, die freilich erſt unvollſtändig beobachtet worden iſt. Je zwei Gregarinen legen ſich mit gleichnamigen Stellen ihres Leibes zuſammen und kleben anfänglich ſo feſt aneinander, daß ihre Tren- nung unthunlich erſcheint. Nun bildet ſich um die beiden Körper eine helle Kapſel, welche ſie vollſtändig einſchließt; — innerhalb dieſer Kapſel verſchmelzen die beiden Körper vollſtändig in eine einzige Maſſe, welche gekörnt erſcheint und durchaus keine Spur von weiterer organiſcher Aus- bildung zeigt. Die ganze Kapſel ſieht nun gewiſſermaßen einem Ei mit Dottermaſſe ähnlich. In dem Inhalte dieſer Kapſel bildet ſich aber allmäh- lig eine große Maſſe von Keimkörnern aus, die eine kahnförmige Geſtalt haben und in vielen Beziehungen den Navicellen gleichen, kleinen mi- kroſkopiſchen Pflänzchen aus der Familie der Bacillarien, welche man häufig zu den Infuſorien gerechnet hat. Man kannte dieſe ſoge- nannten Navicellenbehälter ſchon ſeit langer Zeit beſonders aus den Fortpflanzungsorganen des Regenwurms und hatte ſie ſogar theilweiſe für Produkte der Geſchlechtsorgane dieſes Thieres, für Eier deſſelben erklärt, bis man ſpäter dieſen Irrthum erkannte. Nach vollſtändiger Ausbildung der Keimkörner gehen dieſe Behälter entweder ganz mit dem Kothe des Wohnthieres ab oder ſie platzen vorher in dem Darme deſſelben, ſo daß nur die Keimkörner entleert werden. Das weitere Schickſal, die fernere Entwickelung der Keimkörner, die Art und Weiſe, wie die Gregarinen wieder in die Thiere gelangen, deren Darmkanal von ihnen bewohnt wird, iſt gänzlich unbekannt, weßhalb auch fer- nere Beobachtungen gewiß noch bedeutenden Modificationen des jetzt über die Gregarinen Bekannten bringen werden.
12*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0185"n="179"/>
bei einigen Arten ſteifere Härchen, die aber unbeweglich ſind, oder<lb/>ſelbſt Flimmerhärchen ſich entwickeln. Die Thierchen bewegen ſich<lb/>
äußerſt träge durch Zuſammenziehungen ihres Körpers, ſchwellen durch<lb/>
Einſaugung von Waſſer an, haben ſichtlich ein gewiſſes Taſtgefühl,<lb/>
welches ſie Hinderniſſe vermeiden läßt, zeigen aber in ihrem Innern<lb/>
keinen weitern Inhalt als einen dunkeln Kern und eine eiweißartige<lb/>
Flüſſigkeit, in welcher ſich Fettkörperchen befinden. Einige dieſer Thiere<lb/>ſcheinen einfache Zellen; andere ſind offenbar aus zwei Zellen zuſam-<lb/>
mengeſetzt, deren jede einen Kern hat. Nach dieſen Unterſchieden, ſo<lb/>
wie nach der äußeren Form, hat man mehrere Gattungen, ſelbſt Fa-<lb/>
milien unter den Gregarinen aufgeſtellt, die indeß noch weiterer Be-<lb/>ſtätigung durch die Entwickelungsgeſchichte bedürfen.</p><lb/><p>Höchſt eigenthümlich iſt die Fortpflanzungsweiſe dieſer mikroſko-<lb/>
piſchen Schmarotzer, die freilich erſt unvollſtändig <choice><sic>beobachtetwo rden</sic><corr>beobachtet worden</corr></choice> iſt.<lb/>
Je zwei Gregarinen legen ſich mit gleichnamigen Stellen ihres Leibes<lb/>
zuſammen und kleben anfänglich ſo feſt aneinander, daß ihre Tren-<lb/>
nung unthunlich erſcheint. Nun bildet ſich um die beiden Körper eine<lb/>
helle Kapſel, welche ſie vollſtändig einſchließt; — innerhalb dieſer Kapſel<lb/>
verſchmelzen die beiden Körper vollſtändig in eine einzige Maſſe, welche<lb/>
gekörnt erſcheint und durchaus keine Spur von weiterer organiſcher Aus-<lb/>
bildung zeigt. Die ganze Kapſel ſieht nun gewiſſermaßen einem Ei mit<lb/>
Dottermaſſe ähnlich. In dem Inhalte dieſer Kapſel bildet ſich aber allmäh-<lb/>
lig eine große Maſſe von Keimkörnern aus, die eine kahnförmige Geſtalt<lb/>
haben und in vielen Beziehungen den Navicellen gleichen, kleinen mi-<lb/>
kroſkopiſchen Pflänzchen aus der Familie der Bacillarien, welche man<lb/>
häufig zu den Infuſorien gerechnet hat. Man kannte dieſe ſoge-<lb/>
nannten Navicellenbehälter ſchon ſeit langer Zeit beſonders aus den<lb/>
Fortpflanzungsorganen des Regenwurms und hatte ſie ſogar theilweiſe<lb/>
für Produkte der Geſchlechtsorgane dieſes Thieres, für Eier deſſelben<lb/>
erklärt, bis man ſpäter dieſen Irrthum erkannte. Nach vollſtändiger<lb/>
Ausbildung der Keimkörner gehen dieſe Behälter entweder ganz mit<lb/>
dem Kothe des Wohnthieres ab oder ſie platzen vorher in dem Darme<lb/>
deſſelben, ſo daß nur die Keimkörner entleert werden. Das weitere<lb/>
Schickſal, die fernere Entwickelung der Keimkörner, die Art und Weiſe,<lb/>
wie die Gregarinen wieder in die Thiere gelangen, deren Darmkanal<lb/>
von ihnen bewohnt wird, iſt gänzlich unbekannt, weßhalb auch fer-<lb/>
nere Beobachtungen gewiß noch bedeutenden Modificationen des jetzt<lb/>
über die Gregarinen Bekannten bringen werden.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">12*</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[179/0185]
bei einigen Arten ſteifere Härchen, die aber unbeweglich ſind, oder
ſelbſt Flimmerhärchen ſich entwickeln. Die Thierchen bewegen ſich
äußerſt träge durch Zuſammenziehungen ihres Körpers, ſchwellen durch
Einſaugung von Waſſer an, haben ſichtlich ein gewiſſes Taſtgefühl,
welches ſie Hinderniſſe vermeiden läßt, zeigen aber in ihrem Innern
keinen weitern Inhalt als einen dunkeln Kern und eine eiweißartige
Flüſſigkeit, in welcher ſich Fettkörperchen befinden. Einige dieſer Thiere
ſcheinen einfache Zellen; andere ſind offenbar aus zwei Zellen zuſam-
mengeſetzt, deren jede einen Kern hat. Nach dieſen Unterſchieden, ſo
wie nach der äußeren Form, hat man mehrere Gattungen, ſelbſt Fa-
milien unter den Gregarinen aufgeſtellt, die indeß noch weiterer Be-
ſtätigung durch die Entwickelungsgeſchichte bedürfen.
Höchſt eigenthümlich iſt die Fortpflanzungsweiſe dieſer mikroſko-
piſchen Schmarotzer, die freilich erſt unvollſtändig beobachtet worden iſt.
Je zwei Gregarinen legen ſich mit gleichnamigen Stellen ihres Leibes
zuſammen und kleben anfänglich ſo feſt aneinander, daß ihre Tren-
nung unthunlich erſcheint. Nun bildet ſich um die beiden Körper eine
helle Kapſel, welche ſie vollſtändig einſchließt; — innerhalb dieſer Kapſel
verſchmelzen die beiden Körper vollſtändig in eine einzige Maſſe, welche
gekörnt erſcheint und durchaus keine Spur von weiterer organiſcher Aus-
bildung zeigt. Die ganze Kapſel ſieht nun gewiſſermaßen einem Ei mit
Dottermaſſe ähnlich. In dem Inhalte dieſer Kapſel bildet ſich aber allmäh-
lig eine große Maſſe von Keimkörnern aus, die eine kahnförmige Geſtalt
haben und in vielen Beziehungen den Navicellen gleichen, kleinen mi-
kroſkopiſchen Pflänzchen aus der Familie der Bacillarien, welche man
häufig zu den Infuſorien gerechnet hat. Man kannte dieſe ſoge-
nannten Navicellenbehälter ſchon ſeit langer Zeit beſonders aus den
Fortpflanzungsorganen des Regenwurms und hatte ſie ſogar theilweiſe
für Produkte der Geſchlechtsorgane dieſes Thieres, für Eier deſſelben
erklärt, bis man ſpäter dieſen Irrthum erkannte. Nach vollſtändiger
Ausbildung der Keimkörner gehen dieſe Behälter entweder ganz mit
dem Kothe des Wohnthieres ab oder ſie platzen vorher in dem Darme
deſſelben, ſo daß nur die Keimkörner entleert werden. Das weitere
Schickſal, die fernere Entwickelung der Keimkörner, die Art und Weiſe,
wie die Gregarinen wieder in die Thiere gelangen, deren Darmkanal
von ihnen bewohnt wird, iſt gänzlich unbekannt, weßhalb auch fer-
nere Beobachtungen gewiß noch bedeutenden Modificationen des jetzt
über die Gregarinen Bekannten bringen werden.
12*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/185>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.