Vischer, Friedrich Theodor: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen zum Gebrauche für Vorlesungen. Dritter Teil. Zweiter Abschnitt. Die Künste. Fünftes Heft: Die Dichtung (Schluss des ganzen Werkes). Stuttgart, 1857.
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pvi_1455.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0317" n="1455"/><lb n="pvi_1455.001"/> des eigenen, rein ästhetischen Cirkels, sie hat Alles durchlaufen, erfüllt, <lb n="pvi_1455.002"/> zusammengefaßt, sie durchbricht den Kreis und ergießt sich in die Wirklichkeit <lb n="pvi_1455.003"/> des Menschenlebens. Es kann auch hier nicht ihre Absicht sein, direct <lb n="pvi_1455.004"/> sittlich, politisch zu wirken, wenn sie ächte Kunst bleiben will, aber die rein <lb n="pvi_1455.005"/> ästhetische Wirkung des Drama's auf der Bühne läßt ungesucht und mit <lb n="pvi_1455.006"/> innerer Nothwendigkeit unendliche Wirkungen im Menschen und Bürger <lb n="pvi_1455.007"/> zurück, wie kein anderes Kunstwerk, Wirkungen, welche sich durch die Gewalt <lb n="pvi_1455.008"/> der gemeinschaftlichen Erschütterung, die in Einem Momente ganze <lb n="pvi_1455.009"/> Massen durchzittert, in jedem einzelnen Zuschauer so verstärken, als erweiterte <lb n="pvi_1455.010"/> und vervielfachte sich sein Herz um so viele Herzen, als hier gemeinschaftlich <lb n="pvi_1455.011"/> schlagen und pochen. Wenn man von Schiller's Abhandlung: <lb n="pvi_1455.012"/> „Die Schaubühne als moralische Anstalt betrachtet“ die unrichtigen Begriffe <lb n="pvi_1455.013"/> von direct sittlichem Berufe der Kunst abzieht, so bleibt immer noch diese <lb n="pvi_1455.014"/> große Wahrheit zurück. Hier, vor diesem majestätischen Thore, das sich <lb n="pvi_1455.015"/> nach dem wirklichen Leben öffnet, ist das System der Aesthetik zu Ende; <lb n="pvi_1455.016"/> das andere Grenzgebiet, das wir noch zu betreten haben, liegt schon entschieden <lb n="pvi_1455.017"/> außerhalb.</hi> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1455/0317]
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des eigenen, rein ästhetischen Cirkels, sie hat Alles durchlaufen, erfüllt, pvi_1455.002
zusammengefaßt, sie durchbricht den Kreis und ergießt sich in die Wirklichkeit pvi_1455.003
des Menschenlebens. Es kann auch hier nicht ihre Absicht sein, direct pvi_1455.004
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innerer Nothwendigkeit unendliche Wirkungen im Menschen und Bürger pvi_1455.007
zurück, wie kein anderes Kunstwerk, Wirkungen, welche sich durch die Gewalt pvi_1455.008
der gemeinschaftlichen Erschütterung, die in Einem Momente ganze pvi_1455.009
Massen durchzittert, in jedem einzelnen Zuschauer so verstärken, als erweiterte pvi_1455.010
und vervielfachte sich sein Herz um so viele Herzen, als hier gemeinschaftlich pvi_1455.011
schlagen und pochen. Wenn man von Schiller's Abhandlung: pvi_1455.012
„Die Schaubühne als moralische Anstalt betrachtet“ die unrichtigen Begriffe pvi_1455.013
von direct sittlichem Berufe der Kunst abzieht, so bleibt immer noch diese pvi_1455.014
große Wahrheit zurück. Hier, vor diesem majestätischen Thore, das sich pvi_1455.015
nach dem wirklichen Leben öffnet, ist das System der Aesthetik zu Ende; pvi_1455.016
das andere Grenzgebiet, das wir noch zu betreten haben, liegt schon entschieden pvi_1455.017
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