gelernt. Noblesse oblige, aber beaute oblige auch. Man muß zugestehen: schwer! schwer! Siegesgewi߬ heit auf jedem Schritt und doch streng haushalten! Freude des Anblicks, des Umgangs für Viele, und doch den Schatz der Liebe und ihrer Zeichen, jedes Blicks, jeder Bewegung, jedes Winks, der dahin wiese, streng nur für Einen vorbehalten -- ja schwer! Um ein schönes Weib schwirrt es in der Luft von Liebes¬ geistern, die alle an ihm schieben -- hinein in die Ko¬ ketterie. Kokette misbraucht ihr Pfund, ungerechte Haus¬ hälterin. Gleicht endlich dem Trinker, der im einen Weinhaus schon auf's andere denkt, hat beim Malvasier schon Ueberschuß an Durst nach Marsala -- -- "ein Mädchen, das an meiner Brust mit Lächeln schon dem Nachbar sich verbindet" -- Endlich alt. Was bleibt?
Man sollte schlechterdings Niemand heirathen lassen, der nicht ein Examen über Erziehung bestanden hat. Das Wissen allein macht nicht Alles, aber etwas, ja viel. Es ist Niemand berechtigt, Kinder zu erzeugen, der nichts von Erziehung weiß.
Die meisten Menschen werden in den ersten Lebens¬ jahren, ja schon in den Windeln verzogen; später, wenn sie die ersten Kleider bekommen, am schlimmsten
gelernt. Noblesse oblige, aber beauté oblige auch. Man muß zugeſtehen: ſchwer! ſchwer! Siegesgewi߬ heit auf jedem Schritt und doch ſtreng haushalten! Freude des Anblicks, des Umgangs für Viele, und doch den Schatz der Liebe und ihrer Zeichen, jedes Blicks, jeder Bewegung, jedes Winks, der dahin wieſe, ſtreng nur für Einen vorbehalten — ja ſchwer! Um ein ſchönes Weib ſchwirrt es in der Luft von Liebes¬ geiſtern, die alle an ihm ſchieben — hinein in die Ko¬ ketterie. Kokette misbraucht ihr Pfund, ungerechte Haus¬ hälterin. Gleicht endlich dem Trinker, der im einen Weinhaus ſchon auf's andere denkt, hat beim Malvaſier ſchon Ueberſchuß an Durſt nach Marſala — — „ein Mädchen, das an meiner Bruſt mit Lächeln ſchon dem Nachbar ſich verbindet“ — Endlich alt. Was bleibt?
Man ſollte ſchlechterdings Niemand heirathen laſſen, der nicht ein Examen über Erziehung beſtanden hat. Das Wiſſen allein macht nicht Alles, aber etwas, ja viel. Es iſt Niemand berechtigt, Kinder zu erzeugen, der nichts von Erziehung weiß.
Die meiſten Menſchen werden in den erſten Lebens¬ jahren, ja ſchon in den Windeln verzogen; ſpäter, wenn ſie die erſten Kleider bekommen, am ſchlimmſten
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gelernt. Noblesse oblige, aber beauté oblige auch.
Man muß zugeſtehen: ſchwer! ſchwer! Siegesgewi߬
heit auf jedem Schritt und doch ſtreng haushalten!
Freude des Anblicks, des Umgangs für Viele, und doch
den Schatz der Liebe und ihrer Zeichen, jedes Blicks,
jeder Bewegung, jedes Winks, der dahin wieſe,
ſtreng nur für Einen vorbehalten — ja ſchwer! Um
ein ſchönes Weib ſchwirrt es in der Luft von Liebes¬
geiſtern, die alle an ihm ſchieben — hinein in die Ko¬
ketterie. Kokette misbraucht ihr Pfund, ungerechte Haus¬
hälterin. Gleicht endlich dem Trinker, der im einen
Weinhaus ſchon auf's andere denkt, hat beim Malvaſier
ſchon Ueberſchuß an Durſt nach Marſala — — „ein
Mädchen, das an meiner Bruſt mit Lächeln ſchon dem
Nachbar ſich verbindet“ — Endlich alt. Was bleibt?
Man ſollte ſchlechterdings Niemand heirathen laſſen,
der nicht ein Examen über Erziehung beſtanden hat.
Das Wiſſen allein macht nicht Alles, aber etwas, ja
viel. Es iſt Niemand berechtigt, Kinder zu erzeugen,
der nichts von Erziehung weiß.
Die meiſten Menſchen werden in den erſten Lebens¬
jahren, ja ſchon in den Windeln verzogen; ſpäter,
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/320>, abgerufen am 24.11.2024.
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