die Mädchen. Man kleidet sie äffisch nach der Mode der Erwachsenen, preist sie, wie hübsch sie seien, wenn sie herausgeputzt sind, und schon dadurch werden sie für immer zu Fratzen. Im Uebrigen verzieht die Mutter die Knaben, der Vater die Töchter, denn jene sieht in jenen, dieser in diesen das Erinnerungsbild der Jugendliebe heranwachsen. Den Knaben wird es im Ganzen besser, weil es doch in der Schule streng zugeht und Gehorsam durchgesetzt wird. Es ist doch wahr, daß mehr Ehen durch das Weib unglücklich werden, als durch den Mann. Meine nur ja nicht, Bildung und Moralität einer Familie verbürge dir, daß die Töchter gut erzogen sind! Gerade in den Kreisen der Bildung, insbesondere der vornehmen, werden sie erst recht verzogen. Es ist zwar richtig, daß die Mädchen wie Pflanzen den Charakter des Bodens und der Luft annehmen, worin sie stehen, und daß insbesondere das stille Beispiel der Mutter mehr wirkt, als Erziehungsakte, aber manchmal braucht es eben auch bei ihnen ein Donnerwetter väterlicher Strenge, und daran pflegt es zu fehlen.
Wie mich Alles, Alles dorthin, dorthin führt, ich mag es zu unterdrücken suchen, wie ich will! Denn ich weiß ein Weib -- eine Oase im Sandmeer. -- Jetzt lange her, daß ich ohne Nachricht bin, seit
die Mädchen. Man kleidet ſie äffiſch nach der Mode der Erwachſenen, preist ſie, wie hübſch ſie ſeien, wenn ſie herausgeputzt ſind, und ſchon dadurch werden ſie für immer zu Fratzen. Im Uebrigen verzieht die Mutter die Knaben, der Vater die Töchter, denn jene ſieht in jenen, dieſer in dieſen das Erinnerungsbild der Jugendliebe heranwachſen. Den Knaben wird es im Ganzen beſſer, weil es doch in der Schule ſtreng zugeht und Gehorſam durchgeſetzt wird. Es iſt doch wahr, daß mehr Ehen durch das Weib unglücklich werden, als durch den Mann. Meine nur ja nicht, Bildung und Moralität einer Familie verbürge dir, daß die Töchter gut erzogen ſind! Gerade in den Kreiſen der Bildung, insbeſondere der vornehmen, werden ſie erſt recht verzogen. Es iſt zwar richtig, daß die Mädchen wie Pflanzen den Charakter des Bodens und der Luft annehmen, worin ſie ſtehen, und daß insbeſondere das ſtille Beiſpiel der Mutter mehr wirkt, als Erziehungsakte, aber manchmal braucht es eben auch bei ihnen ein Donnerwetter väterlicher Strenge, und daran pflegt es zu fehlen.
Wie mich Alles, Alles dorthin, dorthin führt, ich mag es zu unterdrücken ſuchen, wie ich will! Denn ich weiß ein Weib — eine Oaſe im Sandmeer. — Jetzt lange her, daß ich ohne Nachricht bin, ſeit
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die Mädchen. Man kleidet ſie äffiſch nach der Mode
der Erwachſenen, preist ſie, wie hübſch ſie ſeien, wenn
ſie herausgeputzt ſind, und ſchon dadurch werden ſie
für immer zu Fratzen. Im Uebrigen verzieht die
Mutter die Knaben, der Vater die Töchter, denn jene
ſieht in jenen, dieſer in dieſen das Erinnerungsbild
der Jugendliebe heranwachſen. Den Knaben wird es
im Ganzen beſſer, weil es doch in der Schule ſtreng
zugeht und Gehorſam durchgeſetzt wird. Es iſt doch
wahr, daß mehr Ehen durch das Weib unglücklich
werden, als durch den Mann. Meine nur ja nicht,
Bildung und Moralität einer Familie verbürge dir,
daß die Töchter gut erzogen ſind! Gerade in den
Kreiſen der Bildung, insbeſondere der vornehmen,
werden ſie erſt recht verzogen. Es iſt zwar richtig,
daß die Mädchen wie Pflanzen den Charakter des
Bodens und der Luft annehmen, worin ſie ſtehen,
und daß insbeſondere das ſtille Beiſpiel der Mutter
mehr wirkt, als Erziehungsakte, aber manchmal braucht
es eben auch bei ihnen ein Donnerwetter väterlicher
Strenge, und daran pflegt es zu fehlen.
Wie mich Alles, Alles dorthin, dorthin führt, ich
mag es zu unterdrücken ſuchen, wie ich will! Denn
ich weiß ein Weib — eine Oaſe im Sandmeer.
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/321>, abgerufen am 24.11.2024.
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