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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

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des Gemüthes, durch den bloßen Vorsatz seiner kranken
Gefühle Meister zu werden", -- u.s.w. u.s.w.
u.s.w. -- Und Alles umsonst! Die Leidenschaft ist
eine profunde Sophistin. Was sagt sie? Sie sagt:
Alles ganz wahr und schön, mag auf alle Fälle passen,
nur auf diesen nicht; der ist von absoluter Be¬
sonderheit. Das Diese kämpft gegen die Wahr¬
heit und Macht des Allgemeinen, will sich in seiner
zäh gebackenen Dichtigkeit nicht von ihm perforiren
lassen. Ja die Dießheit, das ist etwas gar Dunkles,
Schweres, ein großes Geheimniß.


Und diese Einsicht in den Sophismus der Leiden¬
schaft nützt mir auch nichts, rein nichts, hilft mir
nicht, meine Seele wieder holen, die mir abhanden
gekommen, die nicht mehr mir gehört. Mein Centrum
ist außer mir, heißt Goldrun, wandelt, wo es mag,
mißhandelt mich, entehrt mich. Ich bin nicht mehr Ich.


Dämonisch ist das Weib, dessen Reiz noch fort¬
wirkt, während man sie schon verachtet. -- Eine De¬
finition unter anderen, es gibt noch mehrere.


Oft war sie zwischen Herrschsucht, Siegeshohn ganz
unterthänig, mehr als recht.

des Gemüthes, durch den bloßen Vorſatz ſeiner kranken
Gefühle Meiſter zu werden“, — u.ſ.w. u.ſ.w.
u.ſ.w. — Und Alles umſonſt! Die Leidenſchaft iſt
eine profunde Sophiſtin. Was ſagt ſie? Sie ſagt:
Alles ganz wahr und ſchön, mag auf alle Fälle paſſen,
nur auf dieſen nicht; der iſt von abſoluter Be¬
ſonderheit. Das Dieſe kämpft gegen die Wahr¬
heit und Macht des Allgemeinen, will ſich in ſeiner
zäh gebackenen Dichtigkeit nicht von ihm perforiren
laſſen. Ja die Dießheit, das iſt etwas gar Dunkles,
Schweres, ein großes Geheimniß.


Und dieſe Einſicht in den Sophismus der Leiden¬
ſchaft nützt mir auch nichts, rein nichts, hilft mir
nicht, meine Seele wieder holen, die mir abhanden
gekommen, die nicht mehr mir gehört. Mein Centrum
iſt außer mir, heißt Goldrun, wandelt, wo es mag,
mißhandelt mich, entehrt mich. Ich bin nicht mehr Ich.


Dämoniſch iſt das Weib, deſſen Reiz noch fort¬
wirkt, während man ſie ſchon verachtet. — Eine De¬
finition unter anderen, es gibt noch mehrere.


Oft war ſie zwiſchen Herrſchſucht, Siegeshohn ganz
unterthänig, mehr als recht.

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[178/0191] des Gemüthes, durch den bloßen Vorſatz ſeiner kranken Gefühle Meiſter zu werden“, — u.ſ.w. u.ſ.w. u.ſ.w. — Und Alles umſonſt! Die Leidenſchaft iſt eine profunde Sophiſtin. Was ſagt ſie? Sie ſagt: Alles ganz wahr und ſchön, mag auf alle Fälle paſſen, nur auf dieſen nicht; der iſt von abſoluter Be¬ ſonderheit. Das Dieſe kämpft gegen die Wahr¬ heit und Macht des Allgemeinen, will ſich in ſeiner zäh gebackenen Dichtigkeit nicht von ihm perforiren laſſen. Ja die Dießheit, das iſt etwas gar Dunkles, Schweres, ein großes Geheimniß. Und dieſe Einſicht in den Sophismus der Leiden¬ ſchaft nützt mir auch nichts, rein nichts, hilft mir nicht, meine Seele wieder holen, die mir abhanden gekommen, die nicht mehr mir gehört. Mein Centrum iſt außer mir, heißt Goldrun, wandelt, wo es mag, mißhandelt mich, entehrt mich. Ich bin nicht mehr Ich. Dämoniſch iſt das Weib, deſſen Reiz noch fort¬ wirkt, während man ſie ſchon verachtet. — Eine De¬ finition unter anderen, es gibt noch mehrere. Oft war ſie zwiſchen Herrſchſucht, Siegeshohn ganz unterthänig, mehr als recht.

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/191>, abgerufen am 25.11.2024.