mich. Ich mache mir vor, ich müsse Stimmung ab¬ warten, innen austoben lassen, bis Sammlung zu ruhiger Kontemplation --, als ob man die nicht suchen müßte durch Weithinwegeilen. Aus den Augen, aus dem Sinn! Im selben Land ist immer noch in den Augen. Ist es aber ganz nur Selbstanlügen? Mir ist immer: es fehlt noch ein Punktum. Ach, immer noch der unerlöste Geist von damals!
Daß aber doch auch das Denken nichts, gar nichts helfen will! Besinne mich auf alle Weisheitssprüche -- was ich nur aufgraben kann, aus dem gefrornen Gedächtniß heraushauen -- Sprüche Salomonis, Weis¬ heit der Bramanen, Sakja-Muni's herrliche Arzneien gegen die Leidenschaft, Kongfutse's Weisheit, Sieben Weise Griechenlands, Plato -- ach, über dem fällt mir der sanfte Gang in Westfjorddalen wieder ein, unsere Plato-Abende in Bergen, jede Stunde, wo sie gut war und vernünftig fort, weiter: die Stoiker, Markus Aurelius, der reine Kühlbrunnen seines eis eauton --, Goldworte des Neuen Testaments --: da thaute aus Knabenzeit wieder in mir auf: "Denen, die den Herrn lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen," -- die Augen wurden mir feucht --; mein Spinoza -- Kant -- der fiel mir nach langer Zeit wieder ein, sein ehrliches Schriftchen: "Von der Macht
Vischer, Auch Einer. II. 12
mich. Ich mache mir vor, ich müſſe Stimmung ab¬ warten, innen austoben laſſen, bis Sammlung zu ruhiger Kontemplation —, als ob man die nicht ſuchen müßte durch Weithinwegeilen. Aus den Augen, aus dem Sinn! Im ſelben Land iſt immer noch in den Augen. Iſt es aber ganz nur Selbſtanlügen? Mir iſt immer: es fehlt noch ein Punktum. Ach, immer noch der unerlöste Geiſt von damals!
Daß aber doch auch das Denken nichts, gar nichts helfen will! Beſinne mich auf alle Weisheitsſprüche — was ich nur aufgraben kann, aus dem gefrornen Gedächtniß heraushauen — Sprüche Salomonis, Weis¬ heit der Bramanen, Sakja-Muni’s herrliche Arzneien gegen die Leidenſchaft, Kongfutſe’s Weisheit, Sieben Weiſe Griechenlands, Plato — ach, über dem fällt mir der ſanfte Gang in Weſtfjorddalen wieder ein, unſere Plato-Abende in Bergen, jede Stunde, wo ſie gut war und vernünftig fort, weiter: die Stoiker, Markus Aurelius, der reine Kühlbrunnen ſeines εἰς ἑαυτὸν —, Goldworte des Neuen Teſtaments —: da thaute aus Knabenzeit wieder in mir auf: „Denen, die den Herrn lieben, müſſen alle Dinge zum Beſten dienen,“ — die Augen wurden mir feucht —; mein Spinoza — Kant — der fiel mir nach langer Zeit wieder ein, ſein ehrliches Schriftchen: „Von der Macht
Viſcher, Auch Einer. II. 12
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mich. Ich mache mir vor, ich müſſe Stimmung ab¬
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ruhiger Kontemplation —, als ob man die nicht ſuchen
müßte durch Weithinwegeilen. Aus den Augen, aus
dem Sinn! Im ſelben Land iſt immer noch in den
Augen. Iſt es aber ganz nur Selbſtanlügen? Mir
iſt immer: es fehlt noch ein Punktum. Ach, immer
noch der unerlöste Geiſt von damals!
Daß aber doch auch das Denken nichts, gar nichts
helfen will! Beſinne mich auf alle Weisheitsſprüche
— was ich nur aufgraben kann, aus dem gefrornen
Gedächtniß heraushauen — Sprüche Salomonis, Weis¬
heit der Bramanen, Sakja-Muni’s herrliche Arzneien
gegen die Leidenſchaft, Kongfutſe’s Weisheit, Sieben
Weiſe Griechenlands, Plato — ach, über dem fällt
mir der ſanfte Gang in Weſtfjorddalen wieder ein,
unſere Plato-Abende in Bergen, jede Stunde, wo ſie
gut war und vernünftig fort, weiter: die Stoiker,
Markus Aurelius, der reine Kühlbrunnen ſeines εἰς
ἑαυτὸν —, Goldworte des Neuen Teſtaments —:
da thaute aus Knabenzeit wieder in mir auf: „Denen,
die den Herrn lieben, müſſen alle Dinge zum Beſten
dienen,“ — die Augen wurden mir feucht —; mein
Spinoza — Kant — der fiel mir nach langer Zeit
wieder ein, ſein ehrliches Schriftchen: „Von der Macht
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/190>, abgerufen am 25.11.2024.
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