Ach, was hilft mir alle Philosophie gegen das Traumbild! Mir schwindelt, wenn ich es schweben sehe, mein Gehirn wirbelt.
Weiter, weiter! Berg und Thal, Fjord herüber und hinüber, Buchten, Ströme, Fels, Gebirge, Wasser¬ stürze; gestern unausstehlich launisch, heute wieder sprühend von Lust, Witz, Reiz. Taghelle Nächte, Mitternachtsonne, Geisterglut, banges, fremdes Entzücken.
Gestern! O! --Gelandet in Vikör, Noreimssund. Bauernhochzeit auf Sandven. Tanz. Goldrun ver¬ schwindet und erscheint wieder in der Festtracht der Braut, rother Rock, schwarzes Mieder, reiche Ketten um Hals und Brust, "Lilienhaube": Goldkrone voll schwanker Spitzen, spielender Flitter. Tanzt mit dem Bräutigam, mit zwei andern hübschen Burschen, mit Arnhelm, dann allein. Wer kann da vernünftig bleiben! So hat Herodias des Täufers Kopf wegge¬ tanzt. Gehaltene Grazie, dann rascher und rascher, heißer und heißer, endlich Bacchantin, heilige Wuth im stolzen Leib, ihre Locken sausen um's hochgetragene Haupt; so mögen sie in Rom, in Neapel die Taran¬ tella rasen. -- Will mich aufziehen, ich danke, will mich nicht lächerlich machen, will schauen.
Ach, was hilft mir alle Philoſophie gegen das Traumbild! Mir ſchwindelt, wenn ich es ſchweben ſehe, mein Gehirn wirbelt.
Weiter, weiter! Berg und Thal, Fjord herüber und hinüber, Buchten, Ströme, Fels, Gebirge, Waſſer¬ ſtürze; geſtern unausſtehlich launiſch, heute wieder ſprühend von Luſt, Witz, Reiz. Taghelle Nächte, Mitternachtſonne, Geiſterglut, banges, fremdes Entzücken.
Geſtern! O! —Gelandet in Vikör, Noreimsſund. Bauernhochzeit auf Sandven. Tanz. Goldrun ver¬ ſchwindet und erſcheint wieder in der Feſttracht der Braut, rother Rock, ſchwarzes Mieder, reiche Ketten um Hals und Bruſt, „Lilienhaube“: Goldkrone voll ſchwanker Spitzen, ſpielender Flitter. Tanzt mit dem Bräutigam, mit zwei andern hübſchen Burſchen, mit Arnhelm, dann allein. Wer kann da vernünftig bleiben! So hat Herodias des Täufers Kopf wegge¬ tanzt. Gehaltene Grazie, dann raſcher und raſcher, heißer und heißer, endlich Bacchantin, heilige Wuth im ſtolzen Leib, ihre Locken ſauſen um's hochgetragene Haupt; ſo mögen ſie in Rom, in Neapel die Taran¬ tella raſen. — Will mich aufziehen, ich danke, will mich nicht lächerlich machen, will ſchauen.
<TEI><text><body><div><pbfacs="#f0172"n="159"/><p>Ach, was hilft mir alle Philoſophie gegen <hirendition="#g">das</hi><lb/>
Traumbild! Mir ſchwindelt, wenn ich es ſchweben<lb/>ſehe, mein Gehirn wirbelt.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Weiter, weiter! Berg und Thal, Fjord herüber<lb/>
und hinüber, Buchten, Ströme, Fels, Gebirge, Waſſer¬<lb/>ſtürze; geſtern unausſtehlich launiſch, heute wieder<lb/>ſprühend von Luſt, Witz, Reiz. Taghelle Nächte,<lb/>
Mitternachtſonne, Geiſterglut, banges, fremdes Entzücken.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Geſtern! O! —Gelandet in Vikör, Noreimsſund.<lb/>
Bauernhochzeit auf Sandven. Tanz. Goldrun ver¬<lb/>ſchwindet und erſcheint wieder in der Feſttracht der<lb/>
Braut, rother Rock, ſchwarzes Mieder, reiche Ketten<lb/>
um Hals und Bruſt, „Lilienhaube“: Goldkrone voll<lb/>ſchwanker Spitzen, ſpielender Flitter. Tanzt mit dem<lb/>
Bräutigam, mit zwei andern hübſchen Burſchen, mit<lb/>
Arnhelm, dann allein. Wer kann da vernünftig<lb/>
bleiben! So hat Herodias des Täufers Kopf wegge¬<lb/>
tanzt. Gehaltene Grazie, dann raſcher und raſcher,<lb/>
heißer und heißer, endlich Bacchantin, heilige Wuth<lb/>
im ſtolzen Leib, ihre Locken ſauſen um's hochgetragene<lb/>
Haupt; ſo mögen ſie in Rom, in Neapel die Taran¬<lb/>
tella raſen. — Will mich aufziehen, ich danke, will mich<lb/>
nicht lächerlich machen, will ſchauen.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[159/0172]
Ach, was hilft mir alle Philoſophie gegen das
Traumbild! Mir ſchwindelt, wenn ich es ſchweben
ſehe, mein Gehirn wirbelt.
Weiter, weiter! Berg und Thal, Fjord herüber
und hinüber, Buchten, Ströme, Fels, Gebirge, Waſſer¬
ſtürze; geſtern unausſtehlich launiſch, heute wieder
ſprühend von Luſt, Witz, Reiz. Taghelle Nächte,
Mitternachtſonne, Geiſterglut, banges, fremdes Entzücken.
Geſtern! O! —Gelandet in Vikör, Noreimsſund.
Bauernhochzeit auf Sandven. Tanz. Goldrun ver¬
ſchwindet und erſcheint wieder in der Feſttracht der
Braut, rother Rock, ſchwarzes Mieder, reiche Ketten
um Hals und Bruſt, „Lilienhaube“: Goldkrone voll
ſchwanker Spitzen, ſpielender Flitter. Tanzt mit dem
Bräutigam, mit zwei andern hübſchen Burſchen, mit
Arnhelm, dann allein. Wer kann da vernünftig
bleiben! So hat Herodias des Täufers Kopf wegge¬
tanzt. Gehaltene Grazie, dann raſcher und raſcher,
heißer und heißer, endlich Bacchantin, heilige Wuth
im ſtolzen Leib, ihre Locken ſauſen um's hochgetragene
Haupt; ſo mögen ſie in Rom, in Neapel die Taran¬
tella raſen. — Will mich aufziehen, ich danke, will mich
nicht lächerlich machen, will ſchauen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/172>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.