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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

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hitzt wie von raschem Marsche, zu ihnen gefunden hat
und den wir nicht zu nennen brauchen. Sie flüstern;
kaum vernimmt man die Worte: "-- und Tyras hat
sich auch eingestellt, ist mit."

Anderswo liegt in ihrem Kämmerchen eine Jung¬
frau mit geschlossenen Augen, mit dem innern Auge
Alles sehend, was sich begibt, und Alles verstehend
und von Lust und von Bangen zitternd zieht sie die
Decke ihres Lagers über sich her und versteckt darin
ihr schönes Lockenhaupt.

Nach und nach wird die Fläche des Sees wieder
sichtbar und ruhig, Lärm und Menschengedräng zieht
sich in's Dorf hinauf, hier beginnt ein Laufen, Poltern,
Herbeischleppen wärmender Pelze, in den Küchen ein
Wasser- und Methsieden, auch diese Unruhe legt sich
allmälig und endlich ist es stille.

Ruhig scheint der Mond auf den befreiten glatten
Wasserspiegel. Nichts ist mehr zu sehen von all' der
Menge von Menschen und Dingen; nur eine Zipfel¬
pelzmütze, der Hauptschmuck des Druiden, treibt einsam,
träumerisch auf den Wellen dahin. --


Drei Jahre sind seit dem Ereigniß vorübergegangen.
Am Ufer sitzt ein junger Mann, neben ihm ein bild¬
schönes Weib. Sie sehen einem Kinde zu, einem
kräftigen Knaben, welcher im Grase mit Blumen spielt

hitzt wie von raſchem Marſche, zu ihnen gefunden hat
und den wir nicht zu nennen brauchen. Sie flüſtern;
kaum vernimmt man die Worte: „— und Tyras hat
ſich auch eingeſtellt, iſt mit.“

Anderswo liegt in ihrem Kämmerchen eine Jung¬
frau mit geſchloſſenen Augen, mit dem innern Auge
Alles ſehend, was ſich begibt, und Alles verſtehend
und von Luſt und von Bangen zitternd zieht ſie die
Decke ihres Lagers über ſich her und verſteckt darin
ihr ſchönes Lockenhaupt.

Nach und nach wird die Fläche des Sees wieder
ſichtbar und ruhig, Lärm und Menſchengedräng zieht
ſich in's Dorf hinauf, hier beginnt ein Laufen, Poltern,
Herbeiſchleppen wärmender Pelze, in den Küchen ein
Waſſer- und Methſieden, auch dieſe Unruhe legt ſich
allmälig und endlich iſt es ſtille.

Ruhig ſcheint der Mond auf den befreiten glatten
Waſſerſpiegel. Nichts iſt mehr zu ſehen von all' der
Menge von Menſchen und Dingen; nur eine Zipfel¬
pelzmütze, der Hauptſchmuck des Druiden, treibt einſam,
träumeriſch auf den Wellen dahin. —


Drei Jahre ſind ſeit dem Ereigniß vorübergegangen.
Am Ufer ſitzt ein junger Mann, neben ihm ein bild¬
ſchönes Weib. Sie ſehen einem Kinde zu, einem
kräftigen Knaben, welcher im Graſe mit Blumen ſpielt

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[393/0408] hitzt wie von raſchem Marſche, zu ihnen gefunden hat und den wir nicht zu nennen brauchen. Sie flüſtern; kaum vernimmt man die Worte: „— und Tyras hat ſich auch eingeſtellt, iſt mit.“ Anderswo liegt in ihrem Kämmerchen eine Jung¬ frau mit geſchloſſenen Augen, mit dem innern Auge Alles ſehend, was ſich begibt, und Alles verſtehend und von Luſt und von Bangen zitternd zieht ſie die Decke ihres Lagers über ſich her und verſteckt darin ihr ſchönes Lockenhaupt. Nach und nach wird die Fläche des Sees wieder ſichtbar und ruhig, Lärm und Menſchengedräng zieht ſich in's Dorf hinauf, hier beginnt ein Laufen, Poltern, Herbeiſchleppen wärmender Pelze, in den Küchen ein Waſſer- und Methſieden, auch dieſe Unruhe legt ſich allmälig und endlich iſt es ſtille. Ruhig ſcheint der Mond auf den befreiten glatten Waſſerſpiegel. Nichts iſt mehr zu ſehen von all' der Menge von Menſchen und Dingen; nur eine Zipfel¬ pelzmütze, der Hauptſchmuck des Druiden, treibt einſam, träumeriſch auf den Wellen dahin. — Drei Jahre ſind ſeit dem Ereigniß vorübergegangen. Am Ufer ſitzt ein junger Mann, neben ihm ein bild¬ ſchönes Weib. Sie ſehen einem Kinde zu, einem kräftigen Knaben, welcher im Graſe mit Blumen ſpielt

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/408>, abgerufen am 20.05.2024.