schrei, verzweifeltes Hülferufen; die Nächsten, die den Eindringenden hatten folgen wollen, machen wohlweis¬ lich Halt, drehen sich um, schreien nach Kähnen, die Nachdrängenden, die noch nicht wissen, was vorgegangen, schieben und stoßen vorwärts, so erleiden noch mehrere Personen das Schicksal der Zugführer; nach und nach lichten sich die Geister zum Verständniß, man eilt nach Einbäumen, kann sie nicht schnell genug lösen, Dieser und Jener springt aus freien Stücken in's Wasser, um schwimmend die Hineingestürzten zu retten, Andere wirft im Gedräng und der Hast um die Kähne der Zufall in die Wellen und endlich befindet sich der ganze männliche Theil der Gemeinde in dem wogenden See, die Frauen sind inzwischen aus den Hütten ge¬ stürzt, wehklagen wie ein antiker Chor an den Gelän¬ dern, eines derselben bricht vom Drucke der Menge und ein Haufen von Müttern und Töchtern stürzt hinab, weit und breit ist nun die Wassermasse bedeckt, durchschossen, durchrauscht von einem dunkeln Getümmel schwimmender, kähnerudernder, drängender, zappelnder, lautschreiender Gestalten; aus dem Schlaf aufgeschreckt flattern schneeweiße Möven über dem tollen Schauspiel und sagen durch Wimmern und fahrige, verrückte Zick¬ zackflüge ihr Erstaunen über den unbekannten Anblick. Nur drei Menschen stehen unbemerkt ganz ruhig oben und schauen auf das Getrieb hernieder; es sind die zwei Barden und ein Jüngling, der sich so eben erst, stark er¬
ſchrei, verzweifeltes Hülferufen; die Nächſten, die den Eindringenden hatten folgen wollen, machen wohlweis¬ lich Halt, drehen ſich um, ſchreien nach Kähnen, die Nachdrängenden, die noch nicht wiſſen, was vorgegangen, ſchieben und ſtoßen vorwärts, ſo erleiden noch mehrere Perſonen das Schickſal der Zugführer; nach und nach lichten ſich die Geiſter zum Verſtändniß, man eilt nach Einbäumen, kann ſie nicht ſchnell genug löſen, Dieſer und Jener ſpringt aus freien Stücken in's Waſſer, um ſchwimmend die Hineingeſtürzten zu retten, Andere wirft im Gedräng und der Haſt um die Kähne der Zufall in die Wellen und endlich befindet ſich der ganze männliche Theil der Gemeinde in dem wogenden See, die Frauen ſind inzwiſchen aus den Hütten ge¬ ſtürzt, wehklagen wie ein antiker Chor an den Gelän¬ dern, eines derſelben bricht vom Drucke der Menge und ein Haufen von Müttern und Töchtern ſtürzt hinab, weit und breit iſt nun die Waſſermaſſe bedeckt, durchſchoſſen, durchrauſcht von einem dunkeln Getümmel ſchwimmender, kähnerudernder, drängender, zappelnder, lautſchreiender Geſtalten; aus dem Schlaf aufgeſchreckt flattern ſchneeweiße Möven über dem tollen Schauſpiel und ſagen durch Wimmern und fahrige, verrückte Zick¬ zackflüge ihr Erſtaunen über den unbekannten Anblick. Nur drei Menſchen ſtehen unbemerkt ganz ruhig oben und ſchauen auf das Getrieb hernieder; es ſind die zwei Barden und ein Jüngling, der ſich ſo eben erſt, ſtark er¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0407"n="392"/>ſchrei, verzweifeltes Hülferufen; die Nächſten, die den<lb/>
Eindringenden hatten folgen wollen, machen wohlweis¬<lb/>
lich Halt, drehen ſich um, ſchreien nach Kähnen, die<lb/>
Nachdrängenden, die noch nicht wiſſen, was vorgegangen,<lb/>ſchieben und ſtoßen vorwärts, ſo erleiden noch mehrere<lb/>
Perſonen das Schickſal der Zugführer; nach und nach<lb/>
lichten ſich die Geiſter zum Verſtändniß, man eilt nach<lb/>
Einbäumen, kann ſie nicht ſchnell genug löſen, Dieſer<lb/>
und Jener ſpringt aus freien Stücken in's Waſſer, um<lb/>ſchwimmend die Hineingeſtürzten zu retten, Andere<lb/>
wirft im Gedräng und der Haſt um die Kähne der<lb/>
Zufall in die Wellen und endlich befindet ſich der<lb/>
ganze männliche Theil der Gemeinde in dem wogenden<lb/>
See, die Frauen ſind inzwiſchen aus den Hütten ge¬<lb/>ſtürzt, wehklagen wie ein antiker Chor an den Gelän¬<lb/>
dern, eines derſelben bricht vom Drucke der Menge<lb/>
und ein Haufen von Müttern und Töchtern ſtürzt<lb/>
hinab, weit und breit iſt nun die Waſſermaſſe bedeckt,<lb/>
durchſchoſſen, durchrauſcht von einem dunkeln Getümmel<lb/>ſchwimmender, kähnerudernder, drängender, zappelnder,<lb/>
lautſchreiender Geſtalten; aus dem Schlaf aufgeſchreckt<lb/>
flattern ſchneeweiße Möven über dem tollen Schauſpiel<lb/>
und ſagen durch Wimmern und fahrige, verrückte Zick¬<lb/>
zackflüge ihr Erſtaunen über den unbekannten Anblick.<lb/>
Nur drei Menſchen ſtehen unbemerkt ganz ruhig oben<lb/>
und ſchauen auf das Getrieb hernieder; es ſind die zwei<lb/>
Barden und ein Jüngling, der ſich ſo eben erſt, ſtark er¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[392/0407]
ſchrei, verzweifeltes Hülferufen; die Nächſten, die den
Eindringenden hatten folgen wollen, machen wohlweis¬
lich Halt, drehen ſich um, ſchreien nach Kähnen, die
Nachdrängenden, die noch nicht wiſſen, was vorgegangen,
ſchieben und ſtoßen vorwärts, ſo erleiden noch mehrere
Perſonen das Schickſal der Zugführer; nach und nach
lichten ſich die Geiſter zum Verſtändniß, man eilt nach
Einbäumen, kann ſie nicht ſchnell genug löſen, Dieſer
und Jener ſpringt aus freien Stücken in's Waſſer, um
ſchwimmend die Hineingeſtürzten zu retten, Andere
wirft im Gedräng und der Haſt um die Kähne der
Zufall in die Wellen und endlich befindet ſich der
ganze männliche Theil der Gemeinde in dem wogenden
See, die Frauen ſind inzwiſchen aus den Hütten ge¬
ſtürzt, wehklagen wie ein antiker Chor an den Gelän¬
dern, eines derſelben bricht vom Drucke der Menge
und ein Haufen von Müttern und Töchtern ſtürzt
hinab, weit und breit iſt nun die Waſſermaſſe bedeckt,
durchſchoſſen, durchrauſcht von einem dunkeln Getümmel
ſchwimmender, kähnerudernder, drängender, zappelnder,
lautſchreiender Geſtalten; aus dem Schlaf aufgeſchreckt
flattern ſchneeweiße Möven über dem tollen Schauſpiel
und ſagen durch Wimmern und fahrige, verrückte Zick¬
zackflüge ihr Erſtaunen über den unbekannten Anblick.
Nur drei Menſchen ſtehen unbemerkt ganz ruhig oben
und ſchauen auf das Getrieb hernieder; es ſind die zwei
Barden und ein Jüngling, der ſich ſo eben erſt, ſtark er¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/407>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.