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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

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in die Seite getroffen. So etwas war mit Steinpfeilspitzen
begreiflicherweise nicht, aber auch so nur einem Falkenauge wie
dem seinen und einer Hand so flink und zugleich so stet wie die
seine möglich. Schnepfen wurden sonst, und natürlich schwer und
selten genug, wie auch die Rebhühner, nur in Netzen gefangen.

Ad III, 2. "Schnitzli" war ein Lieblingsgericht, wie
schon früher angedeutet. Das Wort wurde in engerer und
weiterer Bedeutung gebraucht, in jener bedeutete es Apfel¬
schnitze, gedämpft mit Speckwürfelchen, und so ist der Ausdruck
hier gemeint. Es darf nicht verschwiegen werden, daß die
Schnitze nicht geschält waren. Auch diese Speise pflegen in
Ehrfurcht vor alter Sitte heute noch die späten Enkel der
Pfahlbürger als Nachtisch gern auf ihre Tafel zu setzen.

Ad III, 3, a. Riniturleckerli. Leckerli sind die heute noch
wohlbekannten Leb- oder Honigkuchen. Sie wurden besonders
schmackhaft in der Stadt Rinitur, dem jetzigen Basel, bereitet.
Die Pfahlniederlassungen waren nicht so außer Verkehr, daß
nicht wandernde Händler ein Produkt der Küche, worin eine
Gemeinde die andere überflügelt hatte, weit ringsum ver¬
breitet hätten. Bald aber wurde dieses Backwerk nachgeahmt
und der Name bezeichnete nicht mehr die Herkunft, nur die Güte.

Ad III, 3, b. Hutzelbrod. Welcher Kenner der deut¬
schen Literaturgeschichte weiß nicht, daß Schiller noch in späten
Jahren dieß Gebäck aus gedörrten Birnen, Mehl, Cibeben,
Mandeln von einer schwäbischen Köchin sich bereiten ließ,
Gästen zu versuchen gab und verlangte, daß sie es loben?
Man sieht nun aus unserem Berichte, daß es uralt ist und
sich von jenen Gegenden über den Podamursee nach Schwaben
verbreitet haben muß. Die Stelle der Mandeln vertraten
damals Haselnüsse, die der Cibeben Brombeeren.

Ad III, 3, c. "Wähen": uralter Name für Kuchen;
Ableitung dunkel.

in die Seite getroffen. So etwas war mit Steinpfeilſpitzen
begreiflicherweiſe nicht, aber auch ſo nur einem Falkenauge wie
dem ſeinen und einer Hand ſo flink und zugleich ſo ſtet wie die
ſeine möglich. Schnepfen wurden ſonſt, und natürlich ſchwer und
ſelten genug, wie auch die Rebhühner, nur in Netzen gefangen.

Ad III, 2. „Schnitzli“ war ein Lieblingsgericht, wie
ſchon früher angedeutet. Das Wort wurde in engerer und
weiterer Bedeutung gebraucht, in jener bedeutete es Apfel¬
ſchnitze, gedämpft mit Speckwürfelchen, und ſo iſt der Ausdruck
hier gemeint. Es darf nicht verſchwiegen werden, daß die
Schnitze nicht geſchält waren. Auch dieſe Speiſe pflegen in
Ehrfurcht vor alter Sitte heute noch die ſpäten Enkel der
Pfahlbürger als Nachtiſch gern auf ihre Tafel zu ſetzen.

Ad III, 3, a. Riniturleckerli. Leckerli ſind die heute noch
wohlbekannten Leb- oder Honigkuchen. Sie wurden beſonders
ſchmackhaft in der Stadt Rinitur, dem jetzigen Baſel, bereitet.
Die Pfahlniederlaſſungen waren nicht ſo außer Verkehr, daß
nicht wandernde Händler ein Produkt der Küche, worin eine
Gemeinde die andere überflügelt hatte, weit ringsum ver¬
breitet hätten. Bald aber wurde dieſes Backwerk nachgeahmt
und der Name bezeichnete nicht mehr die Herkunft, nur die Güte.

Ad III, 3, b. Hutzelbrod. Welcher Kenner der deut¬
ſchen Literaturgeſchichte weiß nicht, daß Schiller noch in ſpäten
Jahren dieß Gebäck aus gedörrten Birnen, Mehl, Cibeben,
Mandeln von einer ſchwäbiſchen Köchin ſich bereiten ließ,
Gäſten zu verſuchen gab und verlangte, daß ſie es loben?
Man ſieht nun aus unſerem Berichte, daß es uralt iſt und
ſich von jenen Gegenden über den Podamurſee nach Schwaben
verbreitet haben muß. Die Stelle der Mandeln vertraten
damals Haſelnüſſe, die der Cibeben Brombeeren.

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Ableitung dunkel.

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[364/0379] in die Seite getroffen. So etwas war mit Steinpfeilſpitzen begreiflicherweiſe nicht, aber auch ſo nur einem Falkenauge wie dem ſeinen und einer Hand ſo flink und zugleich ſo ſtet wie die ſeine möglich. Schnepfen wurden ſonſt, und natürlich ſchwer und ſelten genug, wie auch die Rebhühner, nur in Netzen gefangen. Ad III, 2. „Schnitzli“ war ein Lieblingsgericht, wie ſchon früher angedeutet. Das Wort wurde in engerer und weiterer Bedeutung gebraucht, in jener bedeutete es Apfel¬ ſchnitze, gedämpft mit Speckwürfelchen, und ſo iſt der Ausdruck hier gemeint. Es darf nicht verſchwiegen werden, daß die Schnitze nicht geſchält waren. Auch dieſe Speiſe pflegen in Ehrfurcht vor alter Sitte heute noch die ſpäten Enkel der Pfahlbürger als Nachtiſch gern auf ihre Tafel zu ſetzen. Ad III, 3, a. Riniturleckerli. Leckerli ſind die heute noch wohlbekannten Leb- oder Honigkuchen. Sie wurden beſonders ſchmackhaft in der Stadt Rinitur, dem jetzigen Baſel, bereitet. Die Pfahlniederlaſſungen waren nicht ſo außer Verkehr, daß nicht wandernde Händler ein Produkt der Küche, worin eine Gemeinde die andere überflügelt hatte, weit ringsum ver¬ breitet hätten. Bald aber wurde dieſes Backwerk nachgeahmt und der Name bezeichnete nicht mehr die Herkunft, nur die Güte. Ad III, 3, b. Hutzelbrod. Welcher Kenner der deut¬ ſchen Literaturgeſchichte weiß nicht, daß Schiller noch in ſpäten Jahren dieß Gebäck aus gedörrten Birnen, Mehl, Cibeben, Mandeln von einer ſchwäbiſchen Köchin ſich bereiten ließ, Gäſten zu verſuchen gab und verlangte, daß ſie es loben? Man ſieht nun aus unſerem Berichte, daß es uralt iſt und ſich von jenen Gegenden über den Podamurſee nach Schwaben verbreitet haben muß. Die Stelle der Mandeln vertraten damals Haſelnüſſe, die der Cibeben Brombeeren. Ad III, 3, c. „Wähen“: uralter Name für Kuchen; Ableitung dunkel.

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/379>, abgerufen am 11.06.2024.