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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

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gefangen, war etwas alt, desto neuer die Kunst des Spickens,
die sich am zähen Stoff siegreich bewährte. Der seltene Bissen,
der nicht für Alle sein konnte, war den Gemeindeältesten
vorbehalten.

Ad II, 2, B, b, g. Wir gestehen, daß der Wisentbraten,
obwohl von einem Stier in den besten Jahren, ziemlich hart
war, allein das andere Fleisch war nicht viel weicher. Die
Pfahlbürger liebten das Weiche, Kätschige nicht, die präch¬
tigen Zähne jener Geschlechter hatten Jahrhunderte hindurch
den schädlichen Einflüssen der Seenebel bis dahin noch fest
widerstanden und insofern war Arthur's Behauptung in seiner
Rede ein Vorgriff. Zu bb ist zu wissen, daß die Pfahlleute
den Namen: Cotelette noch nicht kannten. Hat doch der Bericht¬
erstatter mitzutheilen, daß manches Jahrtausend später, näm¬
lich in seiner Knabenzeit, noch kein Mensch Cotelette, alle Welt
nur Ripplein sagte. Jenes waren nun freilich keine Ripplein,
sondern Rippen. Sie waren mit Speckstückchen und Petersilie
höchst appetitlich belegt, und wurden zuerst nur als Schau¬
stücke, dann zerlegt zum praktischen Gebrauch ausgesetzt. Der
Wisentschwanz (gg) galt als großer Leckerbissen; auf ein genu߬
reiches Benagen folgte ein genußreicheres Aussaugen. Das
war denn natürlich nicht für Alle, sondern Vorrecht des
Druiden; dieß Hauptstück wurde also ihm allein vorgesetzt
und kunstgerecht machte er sich an die Arbeit.

Ad II, 2, B, c, d. Armer Arthur! Niemand gedachte
deiner bei den zwei Schnepfen! So sind die Menschen! Wäh¬
rend der Geber im Gefängniß schmachtet, wird unter Scherzen
seine Gabe herausgeknöchelt und mit Schmatzen von den
Gewinnern verzehrt! Arthur hatte auch einige Pfeilspitzen von
Erz mitgebracht, in Robanus auf Schäfte gesetzt, war mit ein
paar Burschen auf den Schnepfenstrich gegangen und hatte
den einen Vogel durch den Kopf, den andern unter dem Flügel

gefangen, war etwas alt, deſto neuer die Kunſt des Spickens,
die ſich am zähen Stoff ſiegreich bewährte. Der ſeltene Biſſen,
der nicht für Alle ſein konnte, war den Gemeindeälteſten
vorbehalten.

Ad II, 2, B, b, γ. Wir geſtehen, daß der Wiſentbraten,
obwohl von einem Stier in den beſten Jahren, ziemlich hart
war, allein das andere Fleiſch war nicht viel weicher. Die
Pfahlbürger liebten das Weiche, Kätſchige nicht, die präch¬
tigen Zähne jener Geſchlechter hatten Jahrhunderte hindurch
den ſchädlichen Einflüſſen der Seenebel bis dahin noch feſt
widerſtanden und inſofern war Arthur's Behauptung in ſeiner
Rede ein Vorgriff. Zu ββ iſt zu wiſſen, daß die Pfahlleute
den Namen: Cotelette noch nicht kannten. Hat doch der Bericht¬
erſtatter mitzutheilen, daß manches Jahrtauſend ſpäter, näm¬
lich in ſeiner Knabenzeit, noch kein Menſch Cotelette, alle Welt
nur Ripplein ſagte. Jenes waren nun freilich keine Ripplein,
ſondern Rippen. Sie waren mit Speckſtückchen und Peterſilie
höchſt appetitlich belegt, und wurden zuerſt nur als Schau¬
ſtücke, dann zerlegt zum praktiſchen Gebrauch ausgeſetzt. Der
Wiſentſchwanz (γγ) galt als großer Leckerbiſſen; auf ein genu߬
reiches Benagen folgte ein genußreicheres Ausſaugen. Das
war denn natürlich nicht für Alle, ſondern Vorrecht des
Druiden; dieß Hauptſtück wurde alſo ihm allein vorgeſetzt
und kunſtgerecht machte er ſich an die Arbeit.

Ad II, 2, B, c, δ. Armer Arthur! Niemand gedachte
deiner bei den zwei Schnepfen! So ſind die Menſchen! Wäh¬
rend der Geber im Gefängniß ſchmachtet, wird unter Scherzen
ſeine Gabe herausgeknöchelt und mit Schmatzen von den
Gewinnern verzehrt! Arthur hatte auch einige Pfeilſpitzen von
Erz mitgebracht, in Robanus auf Schäfte geſetzt, war mit ein
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[363/0378] gefangen, war etwas alt, deſto neuer die Kunſt des Spickens, die ſich am zähen Stoff ſiegreich bewährte. Der ſeltene Biſſen, der nicht für Alle ſein konnte, war den Gemeindeälteſten vorbehalten. Ad II, 2, B, b, γ. Wir geſtehen, daß der Wiſentbraten, obwohl von einem Stier in den beſten Jahren, ziemlich hart war, allein das andere Fleiſch war nicht viel weicher. Die Pfahlbürger liebten das Weiche, Kätſchige nicht, die präch¬ tigen Zähne jener Geſchlechter hatten Jahrhunderte hindurch den ſchädlichen Einflüſſen der Seenebel bis dahin noch feſt widerſtanden und inſofern war Arthur's Behauptung in ſeiner Rede ein Vorgriff. Zu ββ iſt zu wiſſen, daß die Pfahlleute den Namen: Cotelette noch nicht kannten. Hat doch der Bericht¬ erſtatter mitzutheilen, daß manches Jahrtauſend ſpäter, näm¬ lich in ſeiner Knabenzeit, noch kein Menſch Cotelette, alle Welt nur Ripplein ſagte. Jenes waren nun freilich keine Ripplein, ſondern Rippen. Sie waren mit Speckſtückchen und Peterſilie höchſt appetitlich belegt, und wurden zuerſt nur als Schau¬ ſtücke, dann zerlegt zum praktiſchen Gebrauch ausgeſetzt. Der Wiſentſchwanz (γγ) galt als großer Leckerbiſſen; auf ein genu߬ reiches Benagen folgte ein genußreicheres Ausſaugen. Das war denn natürlich nicht für Alle, ſondern Vorrecht des Druiden; dieß Hauptſtück wurde alſo ihm allein vorgeſetzt und kunſtgerecht machte er ſich an die Arbeit. Ad II, 2, B, c, δ. Armer Arthur! Niemand gedachte deiner bei den zwei Schnepfen! So ſind die Menſchen! Wäh¬ rend der Geber im Gefängniß ſchmachtet, wird unter Scherzen ſeine Gabe herausgeknöchelt und mit Schmatzen von den Gewinnern verzehrt! Arthur hatte auch einige Pfeilſpitzen von Erz mitgebracht, in Robanus auf Schäfte geſetzt, war mit ein paar Burſchen auf den Schnepfenſtrich gegangen und hatte den einen Vogel durch den Kopf, den andern unter dem Flügel

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/378>, abgerufen am 11.06.2024.