von einem unbekannten Etwas, das gegen den Erz¬ ketzer im Werk sein müsse. Was sollte es mit ihm werden? Strafen bis zu einer gewissen Höhe zu ver¬ fügen, lag in der Macht des Oberhirten. Sollte aber -- weiter gegangen werden, so war, wenn es sich nicht um Kriegsgefangene handelte, aus denen das Loos die Opfer für Grippo bestimmte, die Gemeinde zu befragen. Nun -- es war Festtag; man schlug sich's aus dem Kopfe; es hatte ja weiter keine Eile, auf alle Fälle konnte es um den Sünder nicht viel Schade sein, wenn er in seinem Käfig einige Tage oder Wochen tüchtig brummte.
Inzwischen waren vereinigte Kräfte längst beschäf¬ tigt, den Festschmaus vorzubereiten. Tische und Bänke waren im nahen Haine schon aufgeschlagen, Köche und Köchinnen an einer Reihe von Feuern in voller Thätig¬ keit. Wir glauben uns verpflichtet, den Speiszettel zu geben; menu dürfen wir ja nicht sagen, die Pfahl¬ männer hätten sich geschämt, das wälsche Wort zu gebrauchen, wenn sie es gekannt hätten, sie verabscheuten alle unnöthige Entlehnung aus fremden Sprachen. "Speiszettel" ist natürlich auch nur poetische Licenz; das Kunstwerk der Komposition dieses Schmauses stand klar entfaltet nur vor dem Geiste des Oberkochs Sidu¬ top, minder klar, in gewissem Helldunkel vor dem Innern seines Gefolges von Köchen und Köchinnen, und das Publikum befand sich in blindem Autoritäts¬
von einem unbekannten Etwas, das gegen den Erz¬ ketzer im Werk ſein müſſe. Was ſollte es mit ihm werden? Strafen bis zu einer gewiſſen Höhe zu ver¬ fügen, lag in der Macht des Oberhirten. Sollte aber — weiter gegangen werden, ſo war, wenn es ſich nicht um Kriegsgefangene handelte, aus denen das Loos die Opfer für Grippo beſtimmte, die Gemeinde zu befragen. Nun — es war Feſttag; man ſchlug ſich's aus dem Kopfe; es hatte ja weiter keine Eile, auf alle Fälle konnte es um den Sünder nicht viel Schade ſein, wenn er in ſeinem Käfig einige Tage oder Wochen tüchtig brummte.
Inzwiſchen waren vereinigte Kräfte längſt beſchäf¬ tigt, den Feſtſchmaus vorzubereiten. Tiſche und Bänke waren im nahen Haine ſchon aufgeſchlagen, Köche und Köchinnen an einer Reihe von Feuern in voller Thätig¬ keit. Wir glauben uns verpflichtet, den Speiszettel zu geben; menu dürfen wir ja nicht ſagen, die Pfahl¬ männer hätten ſich geſchämt, das wälſche Wort zu gebrauchen, wenn ſie es gekannt hätten, ſie verabſcheuten alle unnöthige Entlehnung aus fremden Sprachen. „Speiszettel“ iſt natürlich auch nur poetiſche Licenz; das Kunſtwerk der Kompoſition dieſes Schmauſes ſtand klar entfaltet nur vor dem Geiſte des Oberkochs Sidu¬ top, minder klar, in gewiſſem Helldunkel vor dem Innern ſeines Gefolges von Köchen und Köchinnen, und das Publikum befand ſich in blindem Autoritäts¬
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von einem unbekannten Etwas, das gegen den Erz¬
ketzer im Werk ſein müſſe. Was ſollte es mit ihm
werden? Strafen bis zu einer gewiſſen Höhe zu ver¬
fügen, lag in der Macht des Oberhirten. Sollte aber
— weiter gegangen werden, ſo war, wenn es ſich nicht
um Kriegsgefangene handelte, aus denen das Loos
die Opfer für Grippo beſtimmte, die Gemeinde zu
befragen. Nun — es war Feſttag; man ſchlug ſich's
aus dem Kopfe; es hatte ja weiter keine Eile, auf
alle Fälle konnte es um den Sünder nicht viel Schade
ſein, wenn er in ſeinem Käfig einige Tage oder Wochen
tüchtig brummte.
Inzwiſchen waren vereinigte Kräfte längſt beſchäf¬
tigt, den Feſtſchmaus vorzubereiten. Tiſche und Bänke
waren im nahen Haine ſchon aufgeſchlagen, Köche und
Köchinnen an einer Reihe von Feuern in voller Thätig¬
keit. Wir glauben uns verpflichtet, den Speiszettel
zu geben; menu dürfen wir ja nicht ſagen, die Pfahl¬
männer hätten ſich geſchämt, das wälſche Wort zu
gebrauchen, wenn ſie es gekannt hätten, ſie verabſcheuten
alle unnöthige Entlehnung aus fremden Sprachen.
„Speiszettel“ iſt natürlich auch nur poetiſche Licenz;
das Kunſtwerk der Kompoſition dieſes Schmauſes ſtand
klar entfaltet nur vor dem Geiſte des Oberkochs Sidu¬
top, minder klar, in gewiſſem Helldunkel vor dem
Innern ſeines Gefolges von Köchen und Köchinnen,
und das Publikum befand ſich in blindem Autoritäts¬
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/370>, abgerufen am 05.12.2024.
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