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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

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gesehen, die müden Thiere wurden jetzt aus Spielern
Zuschauer und unter behaglichem Gucken erlabten sie
mit kräftigen Methzügen die durstige Kehle und die
vielgebrauchten Glieder; der Drache soff beträchtlich.

"Wo steckt denn Alpin?" fragte ein Bursche Sigu¬
nen, die theilnahmlos, gedankenvoll unter den Mädchen
stand. "Weiß nicht," versetzte sie, "er wird beim Tisch¬
zurichten helfen." -- "Nun, komm' her, so tanz' mit
mir," sagte der Frager und bot ihr den Arm, bekam
aber einen Korb und unter dem Vorwand, nach dem
kleinen Schwesterchen sehen zu müssen, gieng sie nach
Hause. Auch Gwennywar hatte lang nach dem Ver¬
mißten umgeschaut, jetzt aber vergaß das junge Queck¬
silber Alles im Arm ihres bewunderten Tänzers.

Die Greise, mit Ausnahme der erwähnten paar
lustigen alten Knaben, auch die Mehrzahl der Männer
hatte sich nach dem Ende der Aufführung verlaufen,
und diese Müßigen hatten zuerst wieder Zeit, des
Gefangenen zu gedenken, den man unter Schützenfest,
Morgenimbiß und Tanzspiel fast vergessen hatte. Der
Druide, der sonst an Festen beim Schaustück auf seinem
Ehrensitze so behaglich lachend bis zum Schluß ver¬
weilte, wie wohl einst der hohe Priester des Dionysos
auf seiner Marmorbank im Theater zu Athen, er war
dießmal bald nach Beginn verschwunden. Heimgekehrte
fanden sein Haus geschlossen. Es hieß, man habe
die Gemeindeältesten hineingehen sehen. Man munkelte

geſehen, die müden Thiere wurden jetzt aus Spielern
Zuſchauer und unter behaglichem Gucken erlabten ſie
mit kräftigen Methzügen die durſtige Kehle und die
vielgebrauchten Glieder; der Drache ſoff beträchtlich.

„Wo ſteckt denn Alpin?“ fragte ein Burſche Sigu¬
nen, die theilnahmlos, gedankenvoll unter den Mädchen
ſtand. „Weiß nicht,“ verſetzte ſie, „er wird beim Tiſch¬
zurichten helfen.“ — „Nun, komm' her, ſo tanz' mit
mir,“ ſagte der Frager und bot ihr den Arm, bekam
aber einen Korb und unter dem Vorwand, nach dem
kleinen Schweſterchen ſehen zu müſſen, gieng ſie nach
Hauſe. Auch Gwennywar hatte lang nach dem Ver¬
mißten umgeſchaut, jetzt aber vergaß das junge Queck¬
ſilber Alles im Arm ihres bewunderten Tänzers.

Die Greiſe, mit Ausnahme der erwähnten paar
luſtigen alten Knaben, auch die Mehrzahl der Männer
hatte ſich nach dem Ende der Aufführung verlaufen,
und dieſe Müßigen hatten zuerſt wieder Zeit, des
Gefangenen zu gedenken, den man unter Schützenfeſt,
Morgenimbiß und Tanzſpiel faſt vergeſſen hatte. Der
Druide, der ſonſt an Feſten beim Schauſtück auf ſeinem
Ehrenſitze ſo behaglich lachend bis zum Schluß ver¬
weilte, wie wohl einſt der hohe Prieſter des Dionyſos
auf ſeiner Marmorbank im Theater zu Athen, er war
dießmal bald nach Beginn verſchwunden. Heimgekehrte
fanden ſein Haus geſchloſſen. Es hieß, man habe
die Gemeindeälteſten hineingehen ſehen. Man munkelte

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[356/0369] geſehen, die müden Thiere wurden jetzt aus Spielern Zuſchauer und unter behaglichem Gucken erlabten ſie mit kräftigen Methzügen die durſtige Kehle und die vielgebrauchten Glieder; der Drache ſoff beträchtlich. „Wo ſteckt denn Alpin?“ fragte ein Burſche Sigu¬ nen, die theilnahmlos, gedankenvoll unter den Mädchen ſtand. „Weiß nicht,“ verſetzte ſie, „er wird beim Tiſch¬ zurichten helfen.“ — „Nun, komm' her, ſo tanz' mit mir,“ ſagte der Frager und bot ihr den Arm, bekam aber einen Korb und unter dem Vorwand, nach dem kleinen Schweſterchen ſehen zu müſſen, gieng ſie nach Hauſe. Auch Gwennywar hatte lang nach dem Ver¬ mißten umgeſchaut, jetzt aber vergaß das junge Queck¬ ſilber Alles im Arm ihres bewunderten Tänzers. Die Greiſe, mit Ausnahme der erwähnten paar luſtigen alten Knaben, auch die Mehrzahl der Männer hatte ſich nach dem Ende der Aufführung verlaufen, und dieſe Müßigen hatten zuerſt wieder Zeit, des Gefangenen zu gedenken, den man unter Schützenfeſt, Morgenimbiß und Tanzſpiel faſt vergeſſen hatte. Der Druide, der ſonſt an Feſten beim Schauſtück auf ſeinem Ehrenſitze ſo behaglich lachend bis zum Schluß ver¬ weilte, wie wohl einſt der hohe Prieſter des Dionyſos auf ſeiner Marmorbank im Theater zu Athen, er war dießmal bald nach Beginn verſchwunden. Heimgekehrte fanden ſein Haus geſchloſſen. Es hieß, man habe die Gemeindeälteſten hineingehen ſehen. Man munkelte

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/369>, abgerufen am 11.06.2024.