Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

ihr euch einen Glauben zurecht gemacht oder zurecht
machen lassen, der ein blöder Wahn ist um und um,
von wo man ihn auch mag ansehen. Ihr glaubt,
daß Selinur durch den feuchten Seedunst euch die
Pfnüssel ordne? Nein, ihr glaubt es erst recht nicht.
Thut nicht so! Ihr wißt wohl, daß euch das schnöde
Uebel nur viel hundertmal öfter und ärger heimsucht
in euren feuchten Nestern! Nicht geregelt hustet und
nieset ihr, sondern durcheinander kraus, wirr und
wüst! Klebrige Schalthiere werdet ihr! Die Zähne
frißt euch der Nebel an und im Winter habt ihr die
Fußböden so kalt, daß euch die jückenden Frostbeulen
an den Zehen herumhängen wie Klumpen von Wald¬
beeren und daß euch vor Fußfrost alles Blut in Kopf
steigt, was eben eine Hauptursache ist, daß ihr nichts
Gescheutes denken könnt! -- Die Seele, den Geist
nieset und hustet ihr euch aus dem Leibe! -- Wißt
es, schon ist's im Werk, daß wir wegziehen vom See
auf's Land! Fest soll's sein unter uns, auf's Trockene
wollen wir! Man wird dumm über den trüben Wassern,
verschnuppt, hirnverstört, abergläubisch, fürchtet Ge¬
spenster, fürchtet den Grippo. Wozu braucht ihr ihn
noch? Wozu noch den schnöden Wurm? Den gibt's ja
nicht, kann's nicht geben. Ist's nicht an der Weib¬
gottheit und an Regimentern von nickelhaften Erd¬
geistern, die sie in ihrem Leichtsinn walten läßt, ist's
daran nicht genug, um allen Schabernack zu erklären,

ihr euch einen Glauben zurecht gemacht oder zurecht
machen laſſen, der ein blöder Wahn iſt um und um,
von wo man ihn auch mag anſehen. Ihr glaubt,
daß Selinur durch den feuchten Seedunſt euch die
Pfnüſſel ordne? Nein, ihr glaubt es erſt recht nicht.
Thut nicht ſo! Ihr wißt wohl, daß euch das ſchnöde
Uebel nur viel hundertmal öfter und ärger heimſucht
in euren feuchten Neſtern! Nicht geregelt huſtet und
nieſet ihr, ſondern durcheinander kraus, wirr und
wüſt! Klebrige Schalthiere werdet ihr! Die Zähne
frißt euch der Nebel an und im Winter habt ihr die
Fußböden ſo kalt, daß euch die jückenden Froſtbeulen
an den Zehen herumhängen wie Klumpen von Wald¬
beeren und daß euch vor Fußfroſt alles Blut in Kopf
ſteigt, was eben eine Haupturſache iſt, daß ihr nichts
Geſcheutes denken könnt! — Die Seele, den Geiſt
nieſet und huſtet ihr euch aus dem Leibe! — Wißt
es, ſchon iſt's im Werk, daß wir wegziehen vom See
auf's Land! Feſt ſoll's ſein unter uns, auf's Trockene
wollen wir! Man wird dumm über den trüben Waſſern,
verſchnuppt, hirnverſtört, abergläubiſch, fürchtet Ge¬
ſpenſter, fürchtet den Grippo. Wozu braucht ihr ihn
noch? Wozu noch den ſchnöden Wurm? Den gibt's ja
nicht, kann's nicht geben. Iſt's nicht an der Weib¬
gottheit und an Regimentern von nickelhaften Erd¬
geiſtern, die ſie in ihrem Leichtſinn walten läßt, iſt's
daran nicht genug, um allen Schabernack zu erklären,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0305" n="292"/>
ihr euch einen Glauben zurecht gemacht oder zurecht<lb/>
machen la&#x017F;&#x017F;en, der ein blöder Wahn i&#x017F;t um und um,<lb/>
von wo man ihn auch mag an&#x017F;ehen. Ihr glaubt,<lb/>
daß Selinur durch den feuchten Seedun&#x017F;t euch die<lb/>
Pfnü&#x017F;&#x017F;el ordne? Nein, ihr glaubt es er&#x017F;t recht nicht.<lb/>
Thut nicht &#x017F;o! Ihr wißt wohl, daß euch das &#x017F;chnöde<lb/>
Uebel nur viel hundertmal öfter und ärger heim&#x017F;ucht<lb/>
in euren feuchten Ne&#x017F;tern! Nicht geregelt hu&#x017F;tet und<lb/>
nie&#x017F;et ihr, &#x017F;ondern durcheinander kraus, wirr und<lb/>&#x017F;t! Klebrige Schalthiere werdet ihr! Die Zähne<lb/>
frißt euch der Nebel an und im Winter habt ihr die<lb/>
Fußböden &#x017F;o kalt, daß euch die jückenden Fro&#x017F;tbeulen<lb/>
an den Zehen herumhängen wie Klumpen von Wald¬<lb/>
beeren und daß euch vor Fußfro&#x017F;t alles Blut in Kopf<lb/>
&#x017F;teigt, was eben eine Hauptur&#x017F;ache i&#x017F;t, daß ihr nichts<lb/>
Ge&#x017F;cheutes denken könnt! &#x2014; Die Seele, den Gei&#x017F;t<lb/>
nie&#x017F;et und hu&#x017F;tet ihr euch aus dem Leibe! &#x2014; Wißt<lb/>
es, &#x017F;chon i&#x017F;t's im Werk, daß wir wegziehen vom See<lb/>
auf's Land! Fe&#x017F;t &#x017F;oll's &#x017F;ein unter uns, auf's Trockene<lb/>
wollen wir! Man wird dumm über den trüben Wa&#x017F;&#x017F;ern,<lb/>
ver&#x017F;chnuppt, hirnver&#x017F;tört, abergläubi&#x017F;ch, fürchtet Ge¬<lb/>
&#x017F;pen&#x017F;ter, fürchtet den Grippo. Wozu braucht ihr ihn<lb/>
noch? Wozu noch den &#x017F;chnöden Wurm? Den gibt's ja<lb/>
nicht, kann's nicht geben. I&#x017F;t's nicht an der Weib¬<lb/>
gottheit und an Regimentern von nickelhaften Erd¬<lb/>
gei&#x017F;tern, die &#x017F;ie in ihrem Leicht&#x017F;inn walten läßt, i&#x017F;t's<lb/>
daran nicht genug, um allen Schabernack zu erklären,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[292/0305] ihr euch einen Glauben zurecht gemacht oder zurecht machen laſſen, der ein blöder Wahn iſt um und um, von wo man ihn auch mag anſehen. Ihr glaubt, daß Selinur durch den feuchten Seedunſt euch die Pfnüſſel ordne? Nein, ihr glaubt es erſt recht nicht. Thut nicht ſo! Ihr wißt wohl, daß euch das ſchnöde Uebel nur viel hundertmal öfter und ärger heimſucht in euren feuchten Neſtern! Nicht geregelt huſtet und nieſet ihr, ſondern durcheinander kraus, wirr und wüſt! Klebrige Schalthiere werdet ihr! Die Zähne frißt euch der Nebel an und im Winter habt ihr die Fußböden ſo kalt, daß euch die jückenden Froſtbeulen an den Zehen herumhängen wie Klumpen von Wald¬ beeren und daß euch vor Fußfroſt alles Blut in Kopf ſteigt, was eben eine Haupturſache iſt, daß ihr nichts Geſcheutes denken könnt! — Die Seele, den Geiſt nieſet und huſtet ihr euch aus dem Leibe! — Wißt es, ſchon iſt's im Werk, daß wir wegziehen vom See auf's Land! Feſt ſoll's ſein unter uns, auf's Trockene wollen wir! Man wird dumm über den trüben Waſſern, verſchnuppt, hirnverſtört, abergläubiſch, fürchtet Ge¬ ſpenſter, fürchtet den Grippo. Wozu braucht ihr ihn noch? Wozu noch den ſchnöden Wurm? Den gibt's ja nicht, kann's nicht geben. Iſt's nicht an der Weib¬ gottheit und an Regimentern von nickelhaften Erd¬ geiſtern, die ſie in ihrem Leichtſinn walten läßt, iſt's daran nicht genug, um allen Schabernack zu erklären,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/305
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/305>, abgerufen am 05.12.2024.