Weib war mehr nur verwundert, die Natur ist ja gut und bös, bös und gut durcheinander; sie hatte es in unachtsamen Stunden werden lassen und machte nun große Augen, wie es da war. Aber die Geister, das Schandschlammprodukt, wütheten und beschlossen furchtbare Rache. Sie schlüpften in die Objekte. -- Das Weitere wissen Sie, wissen, wie der Mensch nun geschunden wird, was Alles ihm über den Weg rennt, wenn er mitten im besten, im vernünftigsten, im zweck¬ mäßigsten Thun begriffen ist, wissen, wie er in Allem tückisch durchkreuzt, durchbrochen, das Hackbrett ist, wor¬ auf kichernd, hohnlachend die bösen Geister spielen. Es ist nur noch beizubringen, daß es ungenau gesprochen ist, wenn man das besessene Objekt anschuldigt, statt den besitzenden Dämon. Dieß ist nur sprach- und phantasiegemäß; man kann nicht allemal zwei nennen."
"Aber Sie waren eigentlich an der Geschichte."
"Ja so, ja! Billigkeit, Gerechtigkeit, Mitleid, Hu¬ manität -- wenn sie gründlich geschrieben würde. Wenn ein braver, wenn ein gescheuter, wenn ein großer Mann unsinnig, zweckwidrig, unrecht handelt, schwächlich unterläßt, wenn ein Redner, wenn ein Denker sich in unbegreifliche Widersprüche verwickelt: wissen wir denn, ob ihm nicht ein Knopf an den Hosen gerissen war? Wer kann Vernunft bewahren in diesem Zustand? Ob ihm nicht der Katarrh ein teuflisches Haarseil durch den Schlund zog, sein Ge¬
Weib war mehr nur verwundert, die Natur iſt ja gut und bös, bös und gut durcheinander; ſie hatte es in unachtſamen Stunden werden laſſen und machte nun große Augen, wie es da war. Aber die Geiſter, das Schandſchlammprodukt, wütheten und beſchloſſen furchtbare Rache. Sie ſchlüpften in die Objekte. — Das Weitere wiſſen Sie, wiſſen, wie der Menſch nun geſchunden wird, was Alles ihm über den Weg rennt, wenn er mitten im beſten, im vernünftigſten, im zweck¬ mäßigſten Thun begriffen iſt, wiſſen, wie er in Allem tückiſch durchkreuzt, durchbrochen, das Hackbrett iſt, wor¬ auf kichernd, hohnlachend die böſen Geiſter ſpielen. Es iſt nur noch beizubringen, daß es ungenau geſprochen iſt, wenn man das beſeſſene Objekt anſchuldigt, ſtatt den beſitzenden Dämon. Dieß iſt nur ſprach- und phantaſiegemäß; man kann nicht allemal zwei nennen.“
„Aber Sie waren eigentlich an der Geſchichte.“
„Ja ſo, ja! Billigkeit, Gerechtigkeit, Mitleid, Hu¬ manität — wenn ſie gründlich geſchrieben würde. Wenn ein braver, wenn ein geſcheuter, wenn ein großer Mann unſinnig, zweckwidrig, unrecht handelt, ſchwächlich unterläßt, wenn ein Redner, wenn ein Denker ſich in unbegreifliche Widerſprüche verwickelt: wiſſen wir denn, ob ihm nicht ein Knopf an den Hoſen geriſſen war? Wer kann Vernunft bewahren in dieſem Zuſtand? Ob ihm nicht der Katarrh ein teufliſches Haarſeil durch den Schlund zog, ſein Ge¬
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Weib war mehr nur verwundert, die Natur iſt ja
gut und bös, bös und gut durcheinander; ſie hatte es
in unachtſamen Stunden werden laſſen und machte
nun große Augen, wie es da war. Aber die Geiſter,
das Schandſchlammprodukt, wütheten und beſchloſſen
furchtbare Rache. Sie ſchlüpften in die Objekte. —
Das Weitere wiſſen Sie, wiſſen, wie der Menſch nun
geſchunden wird, was Alles ihm über den Weg rennt,
wenn er mitten im beſten, im vernünftigſten, im zweck¬
mäßigſten Thun begriffen iſt, wiſſen, wie er in Allem
tückiſch durchkreuzt, durchbrochen, das Hackbrett iſt, wor¬
auf kichernd, hohnlachend die böſen Geiſter ſpielen.
Es iſt nur noch beizubringen, daß es ungenau geſprochen
iſt, wenn man das beſeſſene Objekt anſchuldigt, ſtatt
den beſitzenden Dämon. Dieß iſt nur ſprach- und
phantaſiegemäß; man kann nicht allemal zwei nennen.“
„Aber Sie waren eigentlich an der Geſchichte.“
„Ja ſo, ja! Billigkeit, Gerechtigkeit, Mitleid, Hu¬
manität — wenn ſie gründlich geſchrieben würde.
Wenn ein braver, wenn ein geſcheuter, wenn ein
großer Mann unſinnig, zweckwidrig, unrecht handelt,
ſchwächlich unterläßt, wenn ein Redner, wenn ein
Denker ſich in unbegreifliche Widerſprüche verwickelt:
wiſſen wir denn, ob ihm nicht ein Knopf an den
Hoſen geriſſen war? Wer kann Vernunft bewahren
in dieſem Zuſtand? Ob ihm nicht der Katarrh ein
teufliſches Haarſeil durch den Schlund zog, ſein Ge¬
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/107>, abgerufen am 04.12.2024.
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