farbe und Ton, die wir erst näher zu betrachten haben, ergeben werden. -- Die andere Hauptaufgabe nun ist die Läuterung der Farbenwelt an sich. Alle Naturfarbe zeigt in ihrer unmittelbaren Naturfrische eine Grellheit und daneben wieder eine Unreinheit, Stumpfheit, Unentschiedenheit, welche von der Kunst, selbst wenn sie es vermöchte, nicht einfach nachgeahmt werden darf, denn allem Kunstwerke soll man ansehen, daß der rohe Naturstoff im Geist untergegangen und neu erstanden ist. Die unend- lichen Störungen und Trübungen des Moments kommen hinzu; es ver- hält sich mit der Farbenwelt nicht anders, als mit der Formenwelt: die reinen Intentionen der Natur müssen zwischen den Linien ihrer getrübten Verwirklichung gelesen werden. Allerdings zeigt sich in der Einheit der Farbe und Beleuchtung mehr, als in irgend einem Gebiete, der Vorzug der unmittelbaren Lebendigkeit des Naturschönen (vergl. §. 379); Glanz, Gluth, Blitz und strahlenreiches Wechselwirken der Naturfarbe ist uner- reichbar, aber die Natur erkauft sich diese Herrlichkeit eben nur mit jenen Mängeln. Dieß führt uns nun auf die Bedingungen, welche aus dem rein Technischen, aus dem Unterschiede der Nachahmungsmittel vom Vor- bild in ähnlicher Weise wie bei Licht und Schatten sich ergeben. Die Farbe des Naturschönen muß mit einem andern Materiale nachgeahmt werden. Dieses Material hat immer etwas "Grelles und doch dabei Stumpfes" (vergl. M. Unger. D. Wesen d. Malerei S. 103), freilich in anderer Weise, als dieß oben vom Object ausgesagt ist; es ist die Härte des mechanisch abgesonderten rohen Farb-Stoffes, wovon es sich hier handelt. Die Aufgabe, diese Naturrohheit im Materiale zu tilgen, lauft nun neben der andern, das Grelle und doch wieder Unentschiedene und mannigfach Getrübte im Naturvorbilde zu überwinden, in gleicher Linie, natürlich nicht ohne wesentlichen gegenseitigen Einfluß, fort. Einfach und entschieden aber bleibt, wie das Material der Licht- und Schatten- gebung, so das Farbenmaterial hinter der Lichtkraft der Natur zurück; in seiner Art grell, erscheint es in diesem Puncte doch durchaus matt und todt. Dieß Alles hat denn zur Folge, daß in der Kunst, selbst abgesehen von jener allgemeinen Läuterung des Farbenvorbilds, Manches nothwendig anders erscheinen muß, als in der Natur, Manches gar nicht nachgeahmt werden kann und soll, Alles eine gewisse Umwandlung erfährt, deren inneres Wesen aus dem Ganzen der folgenden Betrachtung sich ergeben wird.
§. 670.
Die Kunst hat nun für's Erste dafür zu sorgen, daß (vergl. §. 253, 1.) die Farbe als einzelne wahr, entschieden, warm sei, daß die Grundfarben ver- treten seien und das Ganze irgendwie eine harmonische Zusammenstellung der- selben enthalte. Ferner sollen die Localfarben nicht zersplittert sein, sondern in
farbe und Ton, die wir erſt näher zu betrachten haben, ergeben werden. — Die andere Hauptaufgabe nun iſt die Läuterung der Farbenwelt an ſich. Alle Naturfarbe zeigt in ihrer unmittelbaren Naturfriſche eine Grellheit und daneben wieder eine Unreinheit, Stumpfheit, Unentſchiedenheit, welche von der Kunſt, ſelbſt wenn ſie es vermöchte, nicht einfach nachgeahmt werden darf, denn allem Kunſtwerke ſoll man anſehen, daß der rohe Naturſtoff im Geiſt untergegangen und neu erſtanden iſt. Die unend- lichen Störungen und Trübungen des Moments kommen hinzu; es ver- hält ſich mit der Farbenwelt nicht anders, als mit der Formenwelt: die reinen Intentionen der Natur müſſen zwiſchen den Linien ihrer getrübten Verwirklichung geleſen werden. Allerdings zeigt ſich in der Einheit der Farbe und Beleuchtung mehr, als in irgend einem Gebiete, der Vorzug der unmittelbaren Lebendigkeit des Naturſchönen (vergl. §. 379); Glanz, Gluth, Blitz und ſtrahlenreiches Wechſelwirken der Naturfarbe iſt uner- reichbar, aber die Natur erkauft ſich dieſe Herrlichkeit eben nur mit jenen Mängeln. Dieß führt uns nun auf die Bedingungen, welche aus dem rein Techniſchen, aus dem Unterſchiede der Nachahmungsmittel vom Vor- bild in ähnlicher Weiſe wie bei Licht und Schatten ſich ergeben. Die Farbe des Naturſchönen muß mit einem andern Materiale nachgeahmt werden. Dieſes Material hat immer etwas „Grelles und doch dabei Stumpfes“ (vergl. M. Unger. D. Weſen d. Malerei S. 103), freilich in anderer Weiſe, als dieß oben vom Object ausgeſagt iſt; es iſt die Härte des mechaniſch abgeſonderten rohen Farb-Stoffes, wovon es ſich hier handelt. Die Aufgabe, dieſe Naturrohheit im Materiale zu tilgen, lauft nun neben der andern, das Grelle und doch wieder Unentſchiedene und mannigfach Getrübte im Naturvorbilde zu überwinden, in gleicher Linie, natürlich nicht ohne weſentlichen gegenſeitigen Einfluß, fort. Einfach und entſchieden aber bleibt, wie das Material der Licht- und Schatten- gebung, ſo das Farbenmaterial hinter der Lichtkraft der Natur zurück; in ſeiner Art grell, erſcheint es in dieſem Puncte doch durchaus matt und todt. Dieß Alles hat denn zur Folge, daß in der Kunſt, ſelbſt abgeſehen von jener allgemeinen Läuterung des Farbenvorbilds, Manches nothwendig anders erſcheinen muß, als in der Natur, Manches gar nicht nachgeahmt werden kann und ſoll, Alles eine gewiſſe Umwandlung erfährt, deren inneres Weſen aus dem Ganzen der folgenden Betrachtung ſich ergeben wird.
§. 670.
Die Kunſt hat nun für’s Erſte dafür zu ſorgen, daß (vergl. §. 253, 1.) die Farbe als einzelne wahr, entſchieden, warm ſei, daß die Grundfarben ver- treten ſeien und das Ganze irgendwie eine harmoniſche Zuſammenſtellung der- ſelben enthalte. Ferner ſollen die Localfarben nicht zerſplittert ſein, ſondern in
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Die andere Hauptaufgabe nun iſt die Läuterung der Farbenwelt an ſich.
Alle Naturfarbe zeigt in ihrer unmittelbaren Naturfriſche eine Grellheit
und daneben wieder eine Unreinheit, Stumpfheit, Unentſchiedenheit, welche
von der Kunſt, ſelbſt wenn ſie es vermöchte, nicht einfach nachgeahmt
werden darf, denn allem Kunſtwerke ſoll man anſehen, daß der rohe
Naturſtoff im Geiſt untergegangen und neu erſtanden iſt. Die unend-
lichen Störungen und Trübungen des Moments kommen hinzu; es ver-
hält ſich mit der Farbenwelt nicht anders, als mit der Formenwelt: die
reinen Intentionen der Natur müſſen zwiſchen den Linien ihrer getrübten
Verwirklichung geleſen werden. Allerdings zeigt ſich in der Einheit der
Farbe und Beleuchtung mehr, als in irgend einem Gebiete, der Vorzug
der unmittelbaren Lebendigkeit des Naturſchönen (vergl. §. 379); Glanz,
Gluth, Blitz und ſtrahlenreiches Wechſelwirken der Naturfarbe iſt uner-
reichbar, aber die Natur erkauft ſich dieſe Herrlichkeit eben nur mit jenen
Mängeln. Dieß führt uns nun auf die Bedingungen, welche aus dem
rein Techniſchen, aus dem Unterſchiede der Nachahmungsmittel vom Vor-
bild in ähnlicher Weiſe wie bei Licht und Schatten ſich ergeben. Die
Farbe des Naturſchönen muß mit einem andern Materiale nachgeahmt
werden. Dieſes Material hat immer etwas „Grelles und doch dabei
Stumpfes“ (vergl. M. Unger. D. Weſen d. Malerei S. 103), freilich
in anderer Weiſe, als dieß oben vom Object ausgeſagt iſt; es iſt die
Härte des mechaniſch abgeſonderten rohen Farb-Stoffes, wovon es ſich
hier handelt. Die Aufgabe, dieſe Naturrohheit im Materiale zu tilgen,
lauft nun neben der andern, das Grelle und doch wieder Unentſchiedene
und mannigfach Getrübte im Naturvorbilde zu überwinden, in gleicher
Linie, natürlich nicht ohne weſentlichen gegenſeitigen Einfluß, fort. Einfach
und entſchieden aber bleibt, wie das Material der Licht- und Schatten-
gebung, ſo das Farbenmaterial hinter der Lichtkraft der Natur zurück; in
ſeiner Art grell, erſcheint es in dieſem Puncte doch durchaus matt und todt.
Dieß Alles hat denn zur Folge, daß in der Kunſt, ſelbſt abgeſehen von jener
allgemeinen Läuterung des Farbenvorbilds, Manches nothwendig anders
erſcheinen muß, als in der Natur, Manches gar nicht nachgeahmt werden
kann und ſoll, Alles eine gewiſſe Umwandlung erfährt, deren inneres
Weſen aus dem Ganzen der folgenden Betrachtung ſich ergeben wird.
§. 670.
Die Kunſt hat nun für’s Erſte dafür zu ſorgen, daß (vergl. §. 253, 1.)
die Farbe als einzelne wahr, entſchieden, warm ſei, daß die Grundfarben ver-
treten ſeien und das Ganze irgendwie eine harmoniſche Zuſammenſtellung der-
ſelben enthalte. Ferner ſollen die Localfarben nicht zerſplittert ſein, ſondern in
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854, S. 563. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030203_1854/71>, abgerufen am 28.07.2024.
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