Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.Zwanzigste Vorlesung. dungen seien, welche mit keiner der bekannten organischenFormen übereinstimmen, welche weder Zellen, noch Kerne, noch sonst etwas Analoges seien, sondern als kleine, rund- liche, solide Körperchen erschienen und häufig von Fettparti- kelchen durchsetzt seien (Fig. 64). Untersucht man aber die Ent- wickelung dieser Körper, so kann man sich an allen Punkten, wo sie vorkommen, überzeugen, dass sie aus früheren orga- nischen Formelementen hervorgehen, dass sie nicht etwa die ersten missrathenen Produkte, verunglückte Versuche der Organisation sind, sondern dass es einmal ganz wohlgerathene Elemente waren, die aber durch ein unglückliches Geschick frühzeitig in ihrem weiteren Fortkommen gehindert sind und einer frühzeitigen Verschrumpfung unterlagen. Sie können mit Sicherheit voraussetzen, dass, wo ein grösserer Körper dieser Art sich findet, vorher eine Zelle dagewesen ist, wo ein kleiner, vorher ein Kern, vielleicht innerhalb einer Zelle eingeschlossen, existirt hat. Untersucht man denjenigen Punkt, der für die neuere Zwanzigste Vorlesung. dungen seien, welche mit keiner der bekannten organischenFormen übereinstimmen, welche weder Zellen, noch Kerne, noch sonst etwas Analoges seien, sondern als kleine, rund- liche, solide Körperchen erschienen und häufig von Fettparti- kelchen durchsetzt seien (Fig. 64). Untersucht man aber die Ent- wickelung dieser Körper, so kann man sich an allen Punkten, wo sie vorkommen, überzeugen, dass sie aus früheren orga- nischen Formelementen hervorgehen, dass sie nicht etwa die ersten missrathenen Produkte, verunglückte Versuche der Organisation sind, sondern dass es einmal ganz wohlgerathene Elemente waren, die aber durch ein unglückliches Geschick frühzeitig in ihrem weiteren Fortkommen gehindert sind und einer frühzeitigen Verschrumpfung unterlagen. Sie können mit Sicherheit voraussetzen, dass, wo ein grösserer Körper dieser Art sich findet, vorher eine Zelle dagewesen ist, wo ein kleiner, vorher ein Kern, vielleicht innerhalb einer Zelle eingeschlossen, existirt hat. Untersucht man denjenigen Punkt, der für die neuere <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0442" n="420"/><fw place="top" type="header">Zwanzigste Vorlesung.</fw><lb/> dungen seien, welche mit keiner der bekannten organischen<lb/> Formen übereinstimmen, welche weder Zellen, noch Kerne,<lb/> noch sonst etwas Analoges seien, sondern als kleine, rund-<lb/> liche, solide Körperchen erschienen und häufig von Fettparti-<lb/> kelchen durchsetzt seien (Fig. 64). Untersucht man aber die Ent-<lb/> wickelung dieser Körper, so kann man sich an allen Punkten,<lb/> wo sie vorkommen, überzeugen, dass sie aus früheren orga-<lb/> nischen Formelementen hervorgehen, dass sie nicht etwa die<lb/> ersten missrathenen Produkte, verunglückte Versuche der<lb/> Organisation sind, sondern dass es einmal ganz wohlgerathene<lb/> Elemente waren, die aber durch ein unglückliches Geschick<lb/> frühzeitig in ihrem weiteren Fortkommen gehindert sind und<lb/> einer frühzeitigen Verschrumpfung unterlagen. Sie können<lb/> mit Sicherheit voraussetzen, dass, wo ein grösserer Körper<lb/> dieser Art sich findet, vorher eine Zelle dagewesen ist, wo<lb/> ein kleiner, vorher ein Kern, vielleicht innerhalb einer Zelle<lb/> eingeschlossen, existirt hat.</p><lb/> <p>Untersucht man denjenigen Punkt, der für die neuere<lb/> Lehre von der Tuberkulose der maassgebende gewesen ist,<lb/> nämlich die Tuberkel-Infiltration der Lunge, so kommt man<lb/> nothwendig zu dem Resultate, welches <hi rendition="#g">Reinhardt</hi> als das<lb/> letzte hingestellt hat, dass nämlich die Tuberkulose nichts<lb/> weiter sei, als eine Form der Umbildung von Entzündungs-<lb/> produkten, und dass eigentlich alle Tuberkelmasse eingedickter<lb/> Eiter sei. In der That ist das, was man Tuberkel-Infiltration<lb/> genannt hat, mit wenigen Ausnahmen auf eine ursprünglich<lb/> entzündliche, eiterige oder katarrhalische Masse zu beziehen,<lb/> welche nach und nach durch eine unvollständige Resorption<lb/> in den Verschrumpfungszustand gerathen ist, in welchem sie<lb/> nachher liegen bleibt. Allein <hi rendition="#g">Reinhardt</hi> hat sich darin ge-<lb/> täuscht, dass er geglaubt hat, Tuberkel zu untersuchen. Er<lb/> ist irre geführt worden durch die falsche Richtung, welche die<lb/> ganze Doctrin von der Tuberkulose von <hi rendition="#g">Laennec</hi> bis auf ihn<lb/> namentlich durch die Schuld der Wiener genommen hat. Hätte<lb/> er sich daran gehalten, den alten Begriff des Knötchens zu<lb/> verfolgen, hätte er die Knotensubstanz in ihren verschiedenen<lb/> Stadien untersucht, und hätte er die verschiedenen Organe, in<lb/> welchen der knotige Tuberkel vorkommt, darauf verglichen,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [420/0442]
Zwanzigste Vorlesung.
dungen seien, welche mit keiner der bekannten organischen
Formen übereinstimmen, welche weder Zellen, noch Kerne,
noch sonst etwas Analoges seien, sondern als kleine, rund-
liche, solide Körperchen erschienen und häufig von Fettparti-
kelchen durchsetzt seien (Fig. 64). Untersucht man aber die Ent-
wickelung dieser Körper, so kann man sich an allen Punkten,
wo sie vorkommen, überzeugen, dass sie aus früheren orga-
nischen Formelementen hervorgehen, dass sie nicht etwa die
ersten missrathenen Produkte, verunglückte Versuche der
Organisation sind, sondern dass es einmal ganz wohlgerathene
Elemente waren, die aber durch ein unglückliches Geschick
frühzeitig in ihrem weiteren Fortkommen gehindert sind und
einer frühzeitigen Verschrumpfung unterlagen. Sie können
mit Sicherheit voraussetzen, dass, wo ein grösserer Körper
dieser Art sich findet, vorher eine Zelle dagewesen ist, wo
ein kleiner, vorher ein Kern, vielleicht innerhalb einer Zelle
eingeschlossen, existirt hat.
Untersucht man denjenigen Punkt, der für die neuere
Lehre von der Tuberkulose der maassgebende gewesen ist,
nämlich die Tuberkel-Infiltration der Lunge, so kommt man
nothwendig zu dem Resultate, welches Reinhardt als das
letzte hingestellt hat, dass nämlich die Tuberkulose nichts
weiter sei, als eine Form der Umbildung von Entzündungs-
produkten, und dass eigentlich alle Tuberkelmasse eingedickter
Eiter sei. In der That ist das, was man Tuberkel-Infiltration
genannt hat, mit wenigen Ausnahmen auf eine ursprünglich
entzündliche, eiterige oder katarrhalische Masse zu beziehen,
welche nach und nach durch eine unvollständige Resorption
in den Verschrumpfungszustand gerathen ist, in welchem sie
nachher liegen bleibt. Allein Reinhardt hat sich darin ge-
täuscht, dass er geglaubt hat, Tuberkel zu untersuchen. Er
ist irre geführt worden durch die falsche Richtung, welche die
ganze Doctrin von der Tuberkulose von Laennec bis auf ihn
namentlich durch die Schuld der Wiener genommen hat. Hätte
er sich daran gehalten, den alten Begriff des Knötchens zu
verfolgen, hätte er die Knotensubstanz in ihren verschiedenen
Stadien untersucht, und hätte er die verschiedenen Organe, in
welchen der knotige Tuberkel vorkommt, darauf verglichen,
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