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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Neunzehnte Vorlesung.
wo ihre Grenze, von wo an nur Schleim abgesondert wird,
und auch die Schleimabsonderung geht irgendwo wieder in
Epithelbildung über. Diese Art von Eiterung wird natürlich
immer das Resultat haben, dass an Stellen, wo sie eine ge-
wisse Höhe erreicht, die natürlichen Decken der Oberfläche
nicht zu Stande kommen, oder wo diese eine gewisse Dicke
haben, dass sie abgehoben und zerstört werden. Eine Pustel
an der Haut zerstört die Oberfläche der Epidermis, und inso-
fern können wir auch diesen Formen von Eiterung einen dege-
nerativen Character beimessen.

Allein die Degeneration im gewöhnlichen Sinne tritt erst
dann ein, wenn tiefere Theile befallen werden. Diese tiefere
Eiterbildung geschieht regelmässig aus dem Bindegewebe.
An ihm erfolgt zuerst eine Vergrösserung der Zellen (Binde-
gewebskörperchen), die Kerne theilen sich und wuchern eine
Zeit lang excessiv. Auf dieses erste Stadium folgen dann sehr
bald Theilungen der Elemente selbst. Im Umfange der ge-
reizten Stellen, wo vorher einzelne Zellen lagen, findet man
späterhin doppelte und mehrfache, aus denen sich gewöhnlich
eine Neubildung homologer Art (Bindegewebe) gestaltet. Nach

[Abbildung] Fig. 137.
Innen hin dagegen, wo schon
vorher die Elemente stark
mit Kernen gefüllt wurden,
treten bald Haufen von klei-
nen Zellen auf, welche an-
fangs noch in den Richtun-
gen und Formen liegen, wie
die früheren Bindegewebs-
körperchen. Etwas später
findet man dann hier rundliche Heerde oder diffuse "Infiltra-
tionen", innerhalb deren das Zwischengewebe äusserst spärlich
ist und in dem Maasse, als die Zellenwucherung sich weiter
ausbreitet, immer mehr verzehrt wird.

[Abbildung] Fig. 137

Eiterige Granulation aus dem Unterhautgewebe des Kanin-
chens, im Umfange eines Ligaturfadens, a Bindegewebskörperchen, b Ver-
grösserung der Körperchen mit Theilung der Kerne, c Theilung der
Zellen (Granulation), d Entwickelung der Eiterkörperchen. Vergr. 300.

Neunzehnte Vorlesung.
wo ihre Grenze, von wo an nur Schleim abgesondert wird,
und auch die Schleimabsonderung geht irgendwo wieder in
Epithelbildung über. Diese Art von Eiterung wird natürlich
immer das Resultat haben, dass an Stellen, wo sie eine ge-
wisse Höhe erreicht, die natürlichen Decken der Oberfläche
nicht zu Stande kommen, oder wo diese eine gewisse Dicke
haben, dass sie abgehoben und zerstört werden. Eine Pustel
an der Haut zerstört die Oberfläche der Epidermis, und inso-
fern können wir auch diesen Formen von Eiterung einen dege-
nerativen Character beimessen.

Allein die Degeneration im gewöhnlichen Sinne tritt erst
dann ein, wenn tiefere Theile befallen werden. Diese tiefere
Eiterbildung geschieht regelmässig aus dem Bindegewebe.
An ihm erfolgt zuerst eine Vergrösserung der Zellen (Binde-
gewebskörperchen), die Kerne theilen sich und wuchern eine
Zeit lang excessiv. Auf dieses erste Stadium folgen dann sehr
bald Theilungen der Elemente selbst. Im Umfange der ge-
reizten Stellen, wo vorher einzelne Zellen lagen, findet man
späterhin doppelte und mehrfache, aus denen sich gewöhnlich
eine Neubildung homologer Art (Bindegewebe) gestaltet. Nach

[Abbildung] Fig. 137.
Innen hin dagegen, wo schon
vorher die Elemente stark
mit Kernen gefüllt wurden,
treten bald Haufen von klei-
nen Zellen auf, welche an-
fangs noch in den Richtun-
gen und Formen liegen, wie
die früheren Bindegewebs-
körperchen. Etwas später
findet man dann hier rundliche Heerde oder diffuse „Infiltra-
tionen“, innerhalb deren das Zwischengewebe äusserst spärlich
ist und in dem Maasse, als die Zellenwucherung sich weiter
ausbreitet, immer mehr verzehrt wird.

[Abbildung] Fig. 137

Eiterige Granulation aus dem Unterhautgewebe des Kanin-
chens, im Umfange eines Ligaturfadens, a Bindegewebskörperchen, b Ver-
grösserung der Körperchen mit Theilung der Kerne, c Theilung der
Zellen (Granulation), d Entwickelung der Eiterkörperchen. Vergr. 300.

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[400/0422] Neunzehnte Vorlesung. wo ihre Grenze, von wo an nur Schleim abgesondert wird, und auch die Schleimabsonderung geht irgendwo wieder in Epithelbildung über. Diese Art von Eiterung wird natürlich immer das Resultat haben, dass an Stellen, wo sie eine ge- wisse Höhe erreicht, die natürlichen Decken der Oberfläche nicht zu Stande kommen, oder wo diese eine gewisse Dicke haben, dass sie abgehoben und zerstört werden. Eine Pustel an der Haut zerstört die Oberfläche der Epidermis, und inso- fern können wir auch diesen Formen von Eiterung einen dege- nerativen Character beimessen. Allein die Degeneration im gewöhnlichen Sinne tritt erst dann ein, wenn tiefere Theile befallen werden. Diese tiefere Eiterbildung geschieht regelmässig aus dem Bindegewebe. An ihm erfolgt zuerst eine Vergrösserung der Zellen (Binde- gewebskörperchen), die Kerne theilen sich und wuchern eine Zeit lang excessiv. Auf dieses erste Stadium folgen dann sehr bald Theilungen der Elemente selbst. Im Umfange der ge- reizten Stellen, wo vorher einzelne Zellen lagen, findet man späterhin doppelte und mehrfache, aus denen sich gewöhnlich eine Neubildung homologer Art (Bindegewebe) gestaltet. Nach [Abbildung Fig. 137.] Innen hin dagegen, wo schon vorher die Elemente stark mit Kernen gefüllt wurden, treten bald Haufen von klei- nen Zellen auf, welche an- fangs noch in den Richtun- gen und Formen liegen, wie die früheren Bindegewebs- körperchen. Etwas später findet man dann hier rundliche Heerde oder diffuse „Infiltra- tionen“, innerhalb deren das Zwischengewebe äusserst spärlich ist und in dem Maasse, als die Zellenwucherung sich weiter ausbreitet, immer mehr verzehrt wird. [Abbildung Fig. 137 Eiterige Granulation aus dem Unterhautgewebe des Kanin- chens, im Umfange eines Ligaturfadens, a Bindegewebskörperchen, b Ver- grösserung der Körperchen mit Theilung der Kerne, c Theilung der Zellen (Granulation), d Entwickelung der Eiterkörperchen. Vergr. 300. ]

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/422>, abgerufen am 28.04.2024.