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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Fünfzehnte Vorlesung.
ja, dass wir sie sogar in sehr grobem Style im physiologischen
Leben antreffen. Die wichtigsten Typen für dieses Verhält-
niss haben wir einerseits in der Secretion der Milch, des Haut-
schmeeres, des Ohrenschmalzes u. s. w., andererseits in der
Bildung des Corpus luteum im Eierstocke. An allen diesen
Theilen geht eine Fettentwickelung genau in der Weise vor
sich, wie wir sie bei der nekrobiotischen Fettmetamorphose
unter krankhaften Bedingungen antreffen, und das, was wir
Hautschmeer, Milch oder Colostrum nennen, das sind die Ana-
loga für die pathologischen Fettmassen, welche die fettige Er-
weichung constituiren. Wenn Jemand statt in der Milchdrüse
im Gehirne Milch fabricirt, so gibt dies eine Form der Hirn-
Erweichung; das Product kann morphologisch vollständig über-
einstimmen mit dem, was in der Milchdrüse ganz normal ge-
wesen wäre. Hier ist aber der grosse Unterschied, dass, wäh-
rend in der Milchdrüse die zu Grunde gehenden Zellen sich
ersetzen durch neue nachrückende Elemente, der Zerfall der
Elemente in einem Organe, welches nicht zum Nachrücken ein-
gerichtet ist, zu einem dauerhaften Verluste führt. Derselbe
Prozess, welcher an einem Ort die glücklichsten, ja die süsse-
sten Resultate liefert, bringt an einem anderen Organe einen
schmerzlichen Schaden mit sich.

Denken Sie sich also diese drei verschiedenen physiolo-
gischen Typen, so werden wir im ersten Falle die Anfüllung
der Zellen mit Fett haben in der Weise, dass am Ende des
Prozesses jede einzelne Zelle ganz und gar voll von Fett steckt.
Das gibt uns den Typus des sogenannten Fettzellgewebes oder
kurzweg Fettgewebes, wie es namentlich im Unterhautge-
webe in so grossem Maasse vorkommt, wo es einerseits
die Schönheit, namentlich der weiblichen Form, andererseits die
pathologischen Zustände der Obesität oder Polysarcie bedingt.
Immer liegt in der Fettzelle noch eine Membran um den fet-
tigen Inhalt. Das Fett aber erfüllt den inneren Raum so voll-
ständig, die Membran ist so ausserordentlich dünn, zart und
gespannt, dass man gewöhnlich gar nichts weiter sieht, als die
Fetttropfen und dass bis in die neueste Zeit noch immer dar-
über discutirt worden ist, ob dies wirklich Zellen seien. Es
ist in der That sehr schwer, sich davon deutlich zu überzeugen,

Fünfzehnte Vorlesung.
ja, dass wir sie sogar in sehr grobem Style im physiologischen
Leben antreffen. Die wichtigsten Typen für dieses Verhält-
niss haben wir einerseits in der Secretion der Milch, des Haut-
schmeeres, des Ohrenschmalzes u. s. w., andererseits in der
Bildung des Corpus luteum im Eierstocke. An allen diesen
Theilen geht eine Fettentwickelung genau in der Weise vor
sich, wie wir sie bei der nekrobiotischen Fettmetamorphose
unter krankhaften Bedingungen antreffen, und das, was wir
Hautschmeer, Milch oder Colostrum nennen, das sind die Ana-
loga für die pathologischen Fettmassen, welche die fettige Er-
weichung constituiren. Wenn Jemand statt in der Milchdrüse
im Gehirne Milch fabricirt, so gibt dies eine Form der Hirn-
Erweichung; das Product kann morphologisch vollständig über-
einstimmen mit dem, was in der Milchdrüse ganz normal ge-
wesen wäre. Hier ist aber der grosse Unterschied, dass, wäh-
rend in der Milchdrüse die zu Grunde gehenden Zellen sich
ersetzen durch neue nachrückende Elemente, der Zerfall der
Elemente in einem Organe, welches nicht zum Nachrücken ein-
gerichtet ist, zu einem dauerhaften Verluste führt. Derselbe
Prozess, welcher an einem Ort die glücklichsten, ja die süsse-
sten Resultate liefert, bringt an einem anderen Organe einen
schmerzlichen Schaden mit sich.

Denken Sie sich also diese drei verschiedenen physiolo-
gischen Typen, so werden wir im ersten Falle die Anfüllung
der Zellen mit Fett haben in der Weise, dass am Ende des
Prozesses jede einzelne Zelle ganz und gar voll von Fett steckt.
Das gibt uns den Typus des sogenannten Fettzellgewebes oder
kurzweg Fettgewebes, wie es namentlich im Unterhautge-
webe in so grossem Maasse vorkommt, wo es einerseits
die Schönheit, namentlich der weiblichen Form, andererseits die
pathologischen Zustände der Obesität oder Polysarcie bedingt.
Immer liegt in der Fettzelle noch eine Membran um den fet-
tigen Inhalt. Das Fett aber erfüllt den inneren Raum so voll-
ständig, die Membran ist so ausserordentlich dünn, zart und
gespannt, dass man gewöhnlich gar nichts weiter sieht, als die
Fetttropfen und dass bis in die neueste Zeit noch immer dar-
über discutirt worden ist, ob dies wirklich Zellen seien. Es
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[290/0312] Fünfzehnte Vorlesung. ja, dass wir sie sogar in sehr grobem Style im physiologischen Leben antreffen. Die wichtigsten Typen für dieses Verhält- niss haben wir einerseits in der Secretion der Milch, des Haut- schmeeres, des Ohrenschmalzes u. s. w., andererseits in der Bildung des Corpus luteum im Eierstocke. An allen diesen Theilen geht eine Fettentwickelung genau in der Weise vor sich, wie wir sie bei der nekrobiotischen Fettmetamorphose unter krankhaften Bedingungen antreffen, und das, was wir Hautschmeer, Milch oder Colostrum nennen, das sind die Ana- loga für die pathologischen Fettmassen, welche die fettige Er- weichung constituiren. Wenn Jemand statt in der Milchdrüse im Gehirne Milch fabricirt, so gibt dies eine Form der Hirn- Erweichung; das Product kann morphologisch vollständig über- einstimmen mit dem, was in der Milchdrüse ganz normal ge- wesen wäre. Hier ist aber der grosse Unterschied, dass, wäh- rend in der Milchdrüse die zu Grunde gehenden Zellen sich ersetzen durch neue nachrückende Elemente, der Zerfall der Elemente in einem Organe, welches nicht zum Nachrücken ein- gerichtet ist, zu einem dauerhaften Verluste führt. Derselbe Prozess, welcher an einem Ort die glücklichsten, ja die süsse- sten Resultate liefert, bringt an einem anderen Organe einen schmerzlichen Schaden mit sich. Denken Sie sich also diese drei verschiedenen physiolo- gischen Typen, so werden wir im ersten Falle die Anfüllung der Zellen mit Fett haben in der Weise, dass am Ende des Prozesses jede einzelne Zelle ganz und gar voll von Fett steckt. Das gibt uns den Typus des sogenannten Fettzellgewebes oder kurzweg Fettgewebes, wie es namentlich im Unterhautge- webe in so grossem Maasse vorkommt, wo es einerseits die Schönheit, namentlich der weiblichen Form, andererseits die pathologischen Zustände der Obesität oder Polysarcie bedingt. Immer liegt in der Fettzelle noch eine Membran um den fet- tigen Inhalt. Das Fett aber erfüllt den inneren Raum so voll- ständig, die Membran ist so ausserordentlich dünn, zart und gespannt, dass man gewöhnlich gar nichts weiter sieht, als die Fetttropfen und dass bis in die neueste Zeit noch immer dar- über discutirt worden ist, ob dies wirklich Zellen seien. Es ist in der That sehr schwer, sich davon deutlich zu überzeugen,

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/312>, abgerufen am 24.11.2024.