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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Nutritive Reizbarkeit.

Vorgänge dieser Art bilden schon einen Theil jenes Ge-
bietes, das man im gewöhnlichen Leben der Entzündung zu-
rechnet. Eine Reihe von entzündlichen Vorgängen stellt in
ihrer ersten Erscheinung gar nichts weiter dar, als eine ver-
mehrte Aufnahme von Material in das Innere der Zellen, wel-
che ganz demjenigen ähnlich sieht, was wir bei einer einfachen
Hypertrophie finden. Wenn wir z. B. die Geschichte der
Bright'schen Krankheit in ihrem gewöhnlichen Verlaufe betrach-
ten, so ergibt sich constant, dass das Erste, was man über-
haupt in einer solchen Niere wahrnehmen kann, darin besteht,
dass im Innern der noch ganz intakten Harnkanälchen die
einzelnen Epithelialzellen, welche schon normal bekanntlich
ziemlich gross sind, sich weiter vergrössern. Die Nierenkanäl-
chen sind dabei erfüllt mit Epithelialzellen, die nicht bloss
sehr gross sind, sondern auch zugleich sehr trübe erscheinen,
indem in das Innere der Zellen überall eine reichlichere Masse

[Abbildung] Fig. 98.
von Material aufgenommen worden ist.
Das ganze Harnkanälchen wird dadurch
breiter und erscheint schon für das
blosse Auge als ein gewundener, weiss-
licher, opaker Theil Isoliren wir die
einzelnen Zellen, was ziemlich schwie-
rig ist, indem die Cohäsion der einzel-
nen Zellen schon zu leiden pflegt, so
finden wir in ihnen eine körnige Masse,
welche scheinbar nichts anderes enthält,
als die Körnchen, welche auch sonst im Inneren der Drüsen-
zellen vorhanden sind, welche aber, je energischer der Prozess
vor sich geht, um so dichter werden, so dass allmälig selbst
der Kern dadurch undeutlich wird. Das ist der Zustand von
trüber Schwellung, wie wir ihn an vielen gereizten Thei-
len finden, als einen Ausdruck der Irritation, welcher viele
Formen der sogenannten Entzündung begleitet. Von diesen
Vorgängen rückwärts bis zu dem Erscheinungen der einfachen
[Abbildung] Fig. 98.

Gewundenes Harnkanalchen aus der Rinde der Niere bei
Morbus Brightii. a die ziemlich normalen Epithelien, b Zustand trüber
Schwellung, c beginnende fettige Metamorphose und Zerfall. Bei b und
c grössere Breite des Kanals. Vergr. 300.

Nutritive Reizbarkeit.

Vorgänge dieser Art bilden schon einen Theil jenes Ge-
bietes, das man im gewöhnlichen Leben der Entzündung zu-
rechnet. Eine Reihe von entzündlichen Vorgängen stellt in
ihrer ersten Erscheinung gar nichts weiter dar, als eine ver-
mehrte Aufnahme von Material in das Innere der Zellen, wel-
che ganz demjenigen ähnlich sieht, was wir bei einer einfachen
Hypertrophie finden. Wenn wir z. B. die Geschichte der
Bright’schen Krankheit in ihrem gewöhnlichen Verlaufe betrach-
ten, so ergibt sich constant, dass das Erste, was man über-
haupt in einer solchen Niere wahrnehmen kann, darin besteht,
dass im Innern der noch ganz intakten Harnkanälchen die
einzelnen Epithelialzellen, welche schon normal bekanntlich
ziemlich gross sind, sich weiter vergrössern. Die Nierenkanäl-
chen sind dabei erfüllt mit Epithelialzellen, die nicht bloss
sehr gross sind, sondern auch zugleich sehr trübe erscheinen,
indem in das Innere der Zellen überall eine reichlichere Masse

[Abbildung] Fig. 98.
von Material aufgenommen worden ist.
Das ganze Harnkanälchen wird dadurch
breiter und erscheint schon für das
blosse Auge als ein gewundener, weiss-
licher, opaker Theil Isoliren wir die
einzelnen Zellen, was ziemlich schwie-
rig ist, indem die Cohäsion der einzel-
nen Zellen schon zu leiden pflegt, so
finden wir in ihnen eine körnige Masse,
welche scheinbar nichts anderes enthält,
als die Körnchen, welche auch sonst im Inneren der Drüsen-
zellen vorhanden sind, welche aber, je energischer der Prozess
vor sich geht, um so dichter werden, so dass allmälig selbst
der Kern dadurch undeutlich wird. Das ist der Zustand von
trüber Schwellung, wie wir ihn an vielen gereizten Thei-
len finden, als einen Ausdruck der Irritation, welcher viele
Formen der sogenannten Entzündung begleitet. Von diesen
Vorgängen rückwärts bis zu dem Erscheinungen der einfachen
[Abbildung] Fig. 98.

Gewundenes Harnkanalchen aus der Rinde der Niere bei
Morbus Brightii. a die ziemlich normalen Epithelien, b Zustand trüber
Schwellung, c beginnende fettige Metamorphose und Zerfall. Bei b und
c grössere Breite des Kanals. Vergr. 300.

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[267/0289] Nutritive Reizbarkeit. Vorgänge dieser Art bilden schon einen Theil jenes Ge- bietes, das man im gewöhnlichen Leben der Entzündung zu- rechnet. Eine Reihe von entzündlichen Vorgängen stellt in ihrer ersten Erscheinung gar nichts weiter dar, als eine ver- mehrte Aufnahme von Material in das Innere der Zellen, wel- che ganz demjenigen ähnlich sieht, was wir bei einer einfachen Hypertrophie finden. Wenn wir z. B. die Geschichte der Bright’schen Krankheit in ihrem gewöhnlichen Verlaufe betrach- ten, so ergibt sich constant, dass das Erste, was man über- haupt in einer solchen Niere wahrnehmen kann, darin besteht, dass im Innern der noch ganz intakten Harnkanälchen die einzelnen Epithelialzellen, welche schon normal bekanntlich ziemlich gross sind, sich weiter vergrössern. Die Nierenkanäl- chen sind dabei erfüllt mit Epithelialzellen, die nicht bloss sehr gross sind, sondern auch zugleich sehr trübe erscheinen, indem in das Innere der Zellen überall eine reichlichere Masse [Abbildung Fig. 98.] von Material aufgenommen worden ist. Das ganze Harnkanälchen wird dadurch breiter und erscheint schon für das blosse Auge als ein gewundener, weiss- licher, opaker Theil Isoliren wir die einzelnen Zellen, was ziemlich schwie- rig ist, indem die Cohäsion der einzel- nen Zellen schon zu leiden pflegt, so finden wir in ihnen eine körnige Masse, welche scheinbar nichts anderes enthält, als die Körnchen, welche auch sonst im Inneren der Drüsen- zellen vorhanden sind, welche aber, je energischer der Prozess vor sich geht, um so dichter werden, so dass allmälig selbst der Kern dadurch undeutlich wird. Das ist der Zustand von trüber Schwellung, wie wir ihn an vielen gereizten Thei- len finden, als einen Ausdruck der Irritation, welcher viele Formen der sogenannten Entzündung begleitet. Von diesen Vorgängen rückwärts bis zu dem Erscheinungen der einfachen [Abbildung Fig. 98. Gewundenes Harnkanalchen aus der Rinde der Niere bei Morbus Brightii. a die ziemlich normalen Epithelien, b Zustand trüber Schwellung, c beginnende fettige Metamorphose und Zerfall. Bei b und c grössere Breite des Kanals. Vergr. 300.]

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/289>, abgerufen am 07.05.2024.