es schon seit langer Zeit bekannt ist, dass sich bei Schwan- geren sehr gewöhnlich eine Speckhaut bildet, weil das Blut gewöhnlich mehr von einem langsamer gerinnenden Fibrin zu- geführt bekommt (Hyperinose). Es erklärt sich dies durch den vermehrten Stoffwechsel und die, entzündlichen Vorgän- gen so nahe stehenden Veränderungen im Uterinsystem, wel- che mit einer gewissen Reizung der zunächst damit in Verbin- dung stehenden Lymphdrüsen vergesellschaftet sind.
Gehen wir einen Schritt weiter in die pathologischen Fälle hinein, so treffen wir diese leukocytotischen Zustände in der ganzen Reihe aller der Erkrankungen, welche mit Drü- senreizung complicirt sind, und bei welchen die Reizung nicht zu einer Zerstörung der Drüsensubstanz führt. Im Verlaufe einer Scrophulosis, bei deren einigermaassen ungünstigem Ver- laufe die Drüsen zu Grunde gehen, sei es durch Ulceration, sei es durch käsige Eindickung, Verkalkung u. s. f., kann eine vermehrte Aufnahme von Elementen in das Blut nur so lange stattfinden, als die gereizte Drüse überhaupt noch lei- stungsfähig ist oder existirt. In allen Fällen dagegen, wo eine mehr acute Form von Störung besteht, welche mit entzünd- licher Schwellung der Drüsen verbunden ist, findet immer eine Ver- mehrung der farblosen Körperchen im Blute Statt. So im Typhus, wo wir so ausgedehnte markige Schwellungen der Unterleibsdrüsen beobachten, so bei Krebskranken, wenn Rei- zung der Lymphdrüsen eintritt, so im Verlaufe der Prozesse, welche man als Eruptionen des malignen Erysipels bezeichnet und welche so frühzeitig schon mit Drüsenanschwellung ver- bunden zu sein pflegen. Das ist der Sinn dieser Vermehrung der farblosen Elemente, die zuletzt immer zurückführt auf die vermehrte Entwickelung lymphatischer Gebilde innerhalb der gereizten Drüsen.
Es ist nun von Wichtigkeit, darauf hinzuweisen, dass man gegenwärtig den Begriff der Lymphdrüsen ungleich weiter aus- dehnt, als dies bis vor Kurzem geschehen ist. Erst die neuesten histiologischen Untersuchungen haben gezeigt, dass ausser den gewöhnlichen bekannten Lymphdrüsen, die eine ge- wisse Grösse haben, eine grosse Menge von kleineren Einrich-
Neunte Vorlesung.
es schon seit langer Zeit bekannt ist, dass sich bei Schwan- geren sehr gewöhnlich eine Speckhaut bildet, weil das Blut gewöhnlich mehr von einem langsamer gerinnenden Fibrin zu- geführt bekommt (Hyperinose). Es erklärt sich dies durch den vermehrten Stoffwechsel und die, entzündlichen Vorgän- gen so nahe stehenden Veränderungen im Uterinsystem, wel- che mit einer gewissen Reizung der zunächst damit in Verbin- dung stehenden Lymphdrüsen vergesellschaftet sind.
Gehen wir einen Schritt weiter in die pathologischen Fälle hinein, so treffen wir diese leukocytotischen Zustände in der ganzen Reihe aller der Erkrankungen, welche mit Drü- senreizung complicirt sind, und bei welchen die Reizung nicht zu einer Zerstörung der Drüsensubstanz führt. Im Verlaufe einer Scrophulosis, bei deren einigermaassen ungünstigem Ver- laufe die Drüsen zu Grunde gehen, sei es durch Ulceration, sei es durch käsige Eindickung, Verkalkung u. s. f., kann eine vermehrte Aufnahme von Elementen in das Blut nur so lange stattfinden, als die gereizte Drüse überhaupt noch lei- stungsfähig ist oder existirt. In allen Fällen dagegen, wo eine mehr acute Form von Störung besteht, welche mit entzünd- licher Schwellung der Drüsen verbunden ist, findet immer eine Ver- mehrung der farblosen Körperchen im Blute Statt. So im Typhus, wo wir so ausgedehnte markige Schwellungen der Unterleibsdrüsen beobachten, so bei Krebskranken, wenn Rei- zung der Lymphdrüsen eintritt, so im Verlaufe der Prozesse, welche man als Eruptionen des malignen Erysipels bezeichnet und welche so frühzeitig schon mit Drüsenanschwellung ver- bunden zu sein pflegen. Das ist der Sinn dieser Vermehrung der farblosen Elemente, die zuletzt immer zurückführt auf die vermehrte Entwickelung lymphatischer Gebilde innerhalb der gereizten Drüsen.
Es ist nun von Wichtigkeit, darauf hinzuweisen, dass man gegenwärtig den Begriff der Lymphdrüsen ungleich weiter aus- dehnt, als dies bis vor Kurzem geschehen ist. Erst die neuesten histiologischen Untersuchungen haben gezeigt, dass ausser den gewöhnlichen bekannten Lymphdrüsen, die eine ge- wisse Grösse haben, eine grosse Menge von kleineren Einrich-
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Neunte Vorlesung.
es schon seit langer Zeit bekannt ist, dass sich bei Schwan-
geren sehr gewöhnlich eine Speckhaut bildet, weil das Blut
gewöhnlich mehr von einem langsamer gerinnenden Fibrin zu-
geführt bekommt (Hyperinose). Es erklärt sich dies durch
den vermehrten Stoffwechsel und die, entzündlichen Vorgän-
gen so nahe stehenden Veränderungen im Uterinsystem, wel-
che mit einer gewissen Reizung der zunächst damit in Verbin-
dung stehenden Lymphdrüsen vergesellschaftet sind.
Gehen wir einen Schritt weiter in die pathologischen
Fälle hinein, so treffen wir diese leukocytotischen Zustände in
der ganzen Reihe aller der Erkrankungen, welche mit Drü-
senreizung complicirt sind, und bei welchen die Reizung nicht
zu einer Zerstörung der Drüsensubstanz führt. Im Verlaufe
einer Scrophulosis, bei deren einigermaassen ungünstigem Ver-
laufe die Drüsen zu Grunde gehen, sei es durch Ulceration,
sei es durch käsige Eindickung, Verkalkung u. s. f., kann
eine vermehrte Aufnahme von Elementen in das Blut nur so
lange stattfinden, als die gereizte Drüse überhaupt noch lei-
stungsfähig ist oder existirt. In allen Fällen dagegen, wo
eine mehr acute Form von Störung besteht, welche mit entzünd-
licher Schwellung der Drüsen verbunden ist, findet immer eine Ver-
mehrung der farblosen Körperchen im Blute Statt. So im
Typhus, wo wir so ausgedehnte markige Schwellungen der
Unterleibsdrüsen beobachten, so bei Krebskranken, wenn Rei-
zung der Lymphdrüsen eintritt, so im Verlaufe der Prozesse,
welche man als Eruptionen des malignen Erysipels bezeichnet
und welche so frühzeitig schon mit Drüsenanschwellung ver-
bunden zu sein pflegen. Das ist der Sinn dieser Vermehrung
der farblosen Elemente, die zuletzt immer zurückführt auf die
vermehrte Entwickelung lymphatischer Gebilde innerhalb der
gereizten Drüsen.
Es ist nun von Wichtigkeit, darauf hinzuweisen, dass man
gegenwärtig den Begriff der Lymphdrüsen ungleich weiter aus-
dehnt, als dies bis vor Kurzem geschehen ist. Erst die
neuesten histiologischen Untersuchungen haben gezeigt, dass
ausser den gewöhnlichen bekannten Lymphdrüsen, die eine ge-
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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/194>, abgerufen am 24.11.2024.
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