wenige Menschen sind mit ihren Worten zum Vortheil andrer so freygebig. -- Jn wenig Tagen, fing der Doktor, indem sie gingen, wie- der an, sehen wir sie wieder mit andrer Sorg- falt beschäftigt. Sie werden vielleicht schon von einer Badeanstalt gehört haben für arme Kranke, diese ist ihr Werk und entstand wie von selbst. Es ist wenige Meilen von hier ent- fernt, sie selbst braucht dieses Bad zu ihrer Er- haltung seit mehrern Jahren. Jhrem mitlei- denden, für jeden fremden Schmerz empfind- lichen Herzen war es eine höchst peinvolle Em- pfindung, eine Klasse Menschen an Allem Man- gel leiden zu sehen, die wegen wirklicher, sehr harter Gebrechen sich am Bade einfanden, un- terdessen andre im größten Ueberfluß lebten, die nur Vergnügen und Zeitverkürzung dort suchten. Auf eigne Kosten hat sie also jede Bequemlich- keit für die kranken Armen einrichten lassen, und zwar alles so gut, so sauber und bequem, daß sie für ihre eigne Person sich derselben jedesmal bedient. So dürfen nun die armen geplagten nicht mehr den Abhub der Reichen kümmerlich
wenige Menſchen ſind mit ihren Worten zum Vortheil andrer ſo freygebig. — Jn wenig Tagen, fing der Doktor, indem ſie gingen, wie- der an, ſehen wir ſie wieder mit andrer Sorg- falt beſchaͤftigt. Sie werden vielleicht ſchon von einer Badeanſtalt gehoͤrt haben fuͤr arme Kranke, dieſe iſt ihr Werk und entſtand wie von ſelbſt. Es iſt wenige Meilen von hier ent- fernt, ſie ſelbſt braucht dieſes Bad zu ihrer Er- haltung ſeit mehrern Jahren. Jhrem mitlei- denden, fuͤr jeden fremden Schmerz empfind- lichen Herzen war es eine hoͤchſt peinvolle Em- pfindung, eine Klaſſe Menſchen an Allem Man- gel leiden zu ſehen, die wegen wirklicher, ſehr harter Gebrechen ſich am Bade einfanden, un- terdeſſen andre im groͤßten Ueberfluß lebten, die nur Vergnuͤgen und Zeitverkuͤrzung dort ſuchten. Auf eigne Koſten hat ſie alſo jede Bequemlich- keit fuͤr die kranken Armen einrichten laſſen, und zwar alles ſo gut, ſo ſauber und bequem, daß ſie fuͤr ihre eigne Perſon ſich derſelben jedesmal bedient. So duͤrfen nun die armen geplagten nicht mehr den Abhub der Reichen kuͤmmerlich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0346"n="338"/>
wenige Menſchen ſind mit ihren Worten zum<lb/>
Vortheil andrer ſo freygebig. — Jn wenig<lb/>
Tagen, fing der Doktor, indem ſie gingen, wie-<lb/>
der an, ſehen wir ſie wieder mit andrer Sorg-<lb/>
falt beſchaͤftigt. Sie werden vielleicht ſchon<lb/>
von einer Badeanſtalt gehoͤrt haben fuͤr arme<lb/>
Kranke, dieſe iſt ihr Werk und entſtand wie<lb/>
von ſelbſt. Es iſt wenige Meilen von hier ent-<lb/>
fernt, ſie ſelbſt braucht dieſes Bad zu ihrer Er-<lb/>
haltung ſeit mehrern Jahren. Jhrem mitlei-<lb/>
denden, fuͤr jeden fremden Schmerz empfind-<lb/>
lichen Herzen war es eine hoͤchſt peinvolle Em-<lb/>
pfindung, eine Klaſſe Menſchen an Allem Man-<lb/>
gel leiden zu ſehen, die wegen wirklicher, ſehr<lb/>
harter Gebrechen ſich am Bade einfanden, un-<lb/>
terdeſſen andre im groͤßten Ueberfluß lebten, die<lb/>
nur Vergnuͤgen und Zeitverkuͤrzung dort ſuchten.<lb/>
Auf eigne Koſten hat ſie alſo jede Bequemlich-<lb/>
keit fuͤr die kranken Armen einrichten laſſen, und<lb/>
zwar alles ſo gut, ſo ſauber und bequem, daß<lb/>ſie fuͤr ihre eigne Perſon ſich derſelben jedesmal<lb/>
bedient. So duͤrfen nun die armen geplagten<lb/>
nicht mehr den Abhub der Reichen kuͤmmerlich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[338/0346]
wenige Menſchen ſind mit ihren Worten zum
Vortheil andrer ſo freygebig. — Jn wenig
Tagen, fing der Doktor, indem ſie gingen, wie-
der an, ſehen wir ſie wieder mit andrer Sorg-
falt beſchaͤftigt. Sie werden vielleicht ſchon
von einer Badeanſtalt gehoͤrt haben fuͤr arme
Kranke, dieſe iſt ihr Werk und entſtand wie
von ſelbſt. Es iſt wenige Meilen von hier ent-
fernt, ſie ſelbſt braucht dieſes Bad zu ihrer Er-
haltung ſeit mehrern Jahren. Jhrem mitlei-
denden, fuͤr jeden fremden Schmerz empfind-
lichen Herzen war es eine hoͤchſt peinvolle Em-
pfindung, eine Klaſſe Menſchen an Allem Man-
gel leiden zu ſehen, die wegen wirklicher, ſehr
harter Gebrechen ſich am Bade einfanden, un-
terdeſſen andre im groͤßten Ueberfluß lebten, die
nur Vergnuͤgen und Zeitverkuͤrzung dort ſuchten.
Auf eigne Koſten hat ſie alſo jede Bequemlich-
keit fuͤr die kranken Armen einrichten laſſen, und
zwar alles ſo gut, ſo ſauber und bequem, daß
ſie fuͤr ihre eigne Perſon ſich derſelben jedesmal
bedient. So duͤrfen nun die armen geplagten
nicht mehr den Abhub der Reichen kuͤmmerlich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/346>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.