den. Sind Sie es zufrieden, so führe ich Sie hin. -- Jhre Erzählung ist vollkom- men befriedigend; ich habe berühmte Anstalten der Art gesehen, ich kenne das. -- Nein, rief der Arzt, eine ähnliche haben Sie wahrlich nie gesehen. -- Ueberdies, fuhr Florentin fort, möchte es der Gräfin nicht angenehm seyn, mich dort zu sehen, da sie ausdrücklich verlangte, heute allein zu seyn. -- Jch wür- de Sie nicht hinführen, wenn sie selbst dort wäre; bey diesem Geschäft ist sie für nie- mand sichtbar, denn sie haßt jede Art von Ostentation. Auch ist es niemand außer mir erlaubt, Fremde dort hinzuführen, weil die Aufmerksamkeit für diese die nothwendige Sorgfalt abzieht und zerstreut. Jetzt ist ohne- dies die Zeit, in der ich dort seyn muß; kom- men Sie doch nur mit! --
Florentin ließ es sich endlich gefallen. Der Mann gefiel ihm in seinem schönen Eifer für das Gute, trotz der etwas starken Neigung zur Redseligkeit. Sie ist doch meistens, dachte er, Zeichen eines offnen, absichtslosen Gemüths;
Florentin. I. 22
den. Sind Sie es zufrieden, ſo fuͤhre ich Sie hin. — Jhre Erzaͤhlung iſt vollkom- men befriedigend; ich habe beruͤhmte Anſtalten der Art geſehen, ich kenne das. — Nein, rief der Arzt, eine aͤhnliche haben Sie wahrlich nie geſehen. — Ueberdies, fuhr Florentin fort, moͤchte es der Graͤfin nicht angenehm ſeyn, mich dort zu ſehen, da ſie ausdruͤcklich verlangte, heute allein zu ſeyn. — Jch wuͤr- de Sie nicht hinfuͤhren, wenn ſie ſelbſt dort waͤre; bey dieſem Geſchaͤft iſt ſie fuͤr nie- mand ſichtbar, denn ſie haßt jede Art von Oſtentation. Auch iſt es niemand außer mir erlaubt, Fremde dort hinzufuͤhren, weil die Aufmerkſamkeit fuͤr dieſe die nothwendige Sorgfalt abzieht und zerſtreut. Jetzt iſt ohne- dies die Zeit, in der ich dort ſeyn muß; kom- men Sie doch nur mit! —
Florentin ließ es ſich endlich gefallen. Der Mann gefiel ihm in ſeinem ſchoͤnen Eifer fuͤr das Gute, trotz der etwas ſtarken Neigung zur Redſeligkeit. Sie iſt doch meiſtens, dachte er, Zeichen eines offnen, abſichtsloſen Gemuͤths;
Florentin. I. 22
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den. Sind Sie es zufrieden, ſo fuͤhre ich
Sie hin. — Jhre Erzaͤhlung iſt vollkom-
men befriedigend; ich habe beruͤhmte Anſtalten
der Art geſehen, ich kenne das. — Nein, rief
der Arzt, eine aͤhnliche haben Sie wahrlich
nie geſehen. — Ueberdies, fuhr Florentin
fort, moͤchte es der Graͤfin nicht angenehm
ſeyn, mich dort zu ſehen, da ſie ausdruͤcklich
verlangte, heute allein zu ſeyn. — Jch wuͤr-
de Sie nicht hinfuͤhren, wenn ſie ſelbſt dort
waͤre; bey dieſem Geſchaͤft iſt ſie fuͤr nie-
mand ſichtbar, denn ſie haßt jede Art von
Oſtentation. Auch iſt es niemand außer mir
erlaubt, Fremde dort hinzufuͤhren, weil die
Aufmerkſamkeit fuͤr dieſe die nothwendige
Sorgfalt abzieht und zerſtreut. Jetzt iſt ohne-
dies die Zeit, in der ich dort ſeyn muß; kom-
men Sie doch nur mit! —
Florentin ließ es ſich endlich gefallen. Der
Mann gefiel ihm in ſeinem ſchoͤnen Eifer fuͤr
das Gute, trotz der etwas ſtarken Neigung zur
Redſeligkeit. Sie iſt doch meiſtens, dachte
er, Zeichen eines offnen, abſichtsloſen Gemuͤths;
Florentin. I. 22
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/345>, abgerufen am 22.11.2024.
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